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Perspektiven zum muslimischen Anderen in der jüdischen Tradition von Prof. Yakov Rabkin – Getrennt-Sein und Anders-Sein


Die Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden ab der post-biblischen Zeit
und bis zur Emanzipation basierten auf einer entwickelten Tradition.
[i] In der jüdischen Tradition unterscheidet man zwar
zwischen den entsprechenden Quellen der hebräischen Bibel, des Midrasch, des
Talmud und anderer, späterer Quellen, aber jede dieser Quellen übte ihren Einfluss
auf die mentale und praktische Haltung der Juden gegenüber den Nicht-Juden aus.
Einige lieferten die narrativen Elemente, die zur Besonderheit der Juden
führten, und umrissen ihr Schicksal (Eschatologie). Das jüdische Gesetz wurde
andererseits immer zu Rate gezogen und entwickelt, wenn es zu einem Kontakt mit
Nicht-Juden kam, der das jüdische Ritual oder das juristische und moralische
Verhalten beeinflusste.
[ii] Obwohl der Talmud offensichtlich in einen
gesetzlichen (Halacha) und narrativen Teil (Aggada) aufgeteilt ist, so stehen die
beiden Bereiche in der rabbinischen Textpraxis in einer gegenseitigen
Wechselwirkung zueinander.
[iii] 
Die verschiedenen Strömungen der jüdischen Tradition durchliefen aber keine
lineare Entwicklung. Sie weisen nämlich zahlreiche Unstimmigkeiten auf, die oft
raffinierte Strategien für eine Neuauslegung erforderlich machten.
[iv] Denn das Halacha ist gleichzeitig ein geschlossenes
System mit seinen eigenen Regeln und seiner eigenen Methodologie und eine
dynamische Struktur, die sich an verschiedene Situationen anpasst.
[v] Durch die Gestaltung versucht das jüdische Gesetz biblische und
rabbinische Vorschriften an die derzeitige Wirklichkeit anzupassen.
[vi]
„Sei heilig, denn ich bin heilig“ (Leviticus
11:44):
Das Wort “heilig” – kadosh – bedeutet „getrennt“. Das
Getrennt-Sein wird somit ausdrücklich im Pentateuch aufgetragen. Aber das Wort kedesha
mit derselben Wurzel meint eine Prostituierte, d.h. eine Frau, die für eine
besondere Tätigkeit vorgesehen ist, die sie vom Rest der Gesellschaft
absondert. Dies zeigt, dass es beim Getrennt-Sein nicht um einen höheren Status
geht. Die jüdische Tradition führt den Ursprung der Juden auf die gemeinsame Erfahrung
der Sklaverei in Ägypten, der Offenbarung des Exodus und der Übermittlung der Thora
auf dem Berg Sinai zurück. Als Gruppe definieren sich die Juden durch ihre
Befolgung der Thora.  Obwohl die Thora
voller Episoden von Verstoßen und Missachtungen des göttlichen Gesetzes durch
die Kinder Israels ist, bleibt die Verbindung mit der Thora der
ausschlaggebende Faktor. Es ist genau diese Verbindung, die die Juden dazu
verpflichtet, sich an die Gebote der Thora zu halten. Und dies macht sie auch
zum „auserwählten Volk“. 
Die rituellen Praktiken der Juden (Ernährungseinschränkungen, Sabbat, usw.)
verfolgen das Ziel ihrer Abgrenzung. Unabhängig von ihrer aktuellen Umsetzung,
wurde das Getrennt-Sein auch in der biblischen Zeit
[vii] zu einem normativen Ideal und blieb ein häufiger
Refrain in der jüdischen Liturgie. Wenn der Jude aufgefordert wird, in der
Synagoge die Thora zu lesen, so rezitiert er: „Gelobt sei Gott … der uns unter
den Völkern auserwählt hat und uns Seine Thora gegeben hat“. Am Ende des Sabbat
schließt die Zeremonie der Havdalah (wortwörtlich „Trennung“) die
folgenden Worte ein: „Gelobt sei Gott… der zwischen Heilig und Irdisch, Licht
und Dunkelheit, Israel und den Völkern, dem siebten Tag und den sechs Tagen
Arbeit unterschieden hat“.
Trotz der jüdischen Betonung des
Getrennt-Seins der Juden von der nichtjüdischen Gesellschaft und Praxis, soll
hervorgehoben werden, dass der berühmteste Andere im jüdischen Narrativ der
Jude – Aher (wortwörtlich Andere) – Elisha ben-Abuya, ein
außerordentlicher, im Talmud angeführter Gelehrter, ist. Er wird als einer
beschrieben, der von der Einhaltung des Gesetzes abkam. Dies hielt aber seinen
Schüler, den Rabbiner Meir, den Autor der Mischna, nicht davon ab, mit ihm die
Thora zu studieren.
[viii] Der
Talmud berichtet in diesem Zusammenhang von einer aussagekräftigen Episode.
Während Aher am Sabbat ritt (was das rabbinische Gesetz verbietet), ging der Rabbiner
Meir zu Fuß neben ihm, um von seinem Lehrer zu lernen. An einem bestimmten
Punkt hielt Aher aber den Rabbiner Meir auf und befiehl ihm zurückzugehen: sie
hatten nämlich die Grenzen der Stadt erreicht, die ein Jude am Sabbat nicht
überschreiten darf. Während der Rabbiner Meir das Wissen seines Lehrers
verehrte, so respektierte der letztere die Verpflichtung seines Schülers.
[ix]
Spätere jüdische Quellen sind härter
gegenüber den jüdischen Abtrünnigen als gegenüber Muslimen und Christen. So „wird
angeordnet, Apostaten – d.h. Israeliten, die Idole verehren oder bewusst
sündigen – und diejenigen, die die Authentizität der Thora und der Prophezei
ablehnen, zu töten. Wenn es einem gelingt, diese öffentlich mit dem Schwert
hinzurichten, so soll er es tun; wenn nicht, sollte er einen Plan gegen sie
schmieden und sie dann töten.“
[x] So wird
auch derjenige, der das mündliche Gesetz leugnet, „in den Abgrund geworfen… Er
ist den Heiden, den Epikureern und denen, die den göttlichen Ursprung der
Schrift leugnen, den Denunzianten und Apostaten und all denen, die nicht mehr
Teil des Volkes Israel sind, gleichzusetzen … Wer sie auch immer um ihr Leben
bringt, der erfüllt ein großes Gebot...
[xi] Der
mittelalterliche Exeget Raschi interpretiert die biblische Anordnung gegenüber
einem Fremden, der am Passah-Opferfest (Exodus 12:43) teilnimmt, als den
Ausdruck für „einen Juden, der die Verbindung zum Himmel verloren hat“. Indem
sie stürzen, verlieren der Häretiker und der Apostat die gesamte Brüderlichkeit
sowie die konkreten Ausdrucksformen der Gegenseitigkeit.
Aber auch wenn er von der Gemeinschaft
ausgeschlossen wird, so wird dem Häretiker niemals sein legaler Status als Jude
abgesprochen; diesen Status bezeichnet Maimonides als unantastbar.
[xii] In der Tat behaupteten zahlreiche
mittelalterliche rabbinische Autoritäten, dass „man zu bestimmten Zwecken Jude
sein kann und zu anderen nicht“.
[xiii] Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich das
rabbinische Gesetz auf einer Fallbasis, mehr als ausgehend von einer
konzeptuell kontrollierten Anzahl von Grundprinzipien, entwickelte. Im
zeitgenössischen jüdischen Leben kann der Andere (für die orthodoxen Juden) die
Reformjuden bezeichnen. In der modernen israelischen Gesellschaft werden die
sephardischen Juden aus den mittel- und osteuropäischen Ländern von den Ashkenazy-Juden
oft als der Andere bezeichnet.
[xiv]
Verschiedene jüdische Gelehrte, die
sich dem Zionismus anschlossen, versuchen zwischen der „religiösen“ und „ethnischen“
Komponente der jüdischen Identität in den klassischen jüdischen Quellen zu
unterscheiden. Die Zulänglichkeit dieser Unterscheidung gilt als problematisch.
„Denn es ist fraglich, ob in der vormodernen, vorwestlichen Welt das „Religiöse“
in dem Sinne wirklich vorhanden war und eine Möglichkeit einer Definition der „ethnisch-nationalen“
Komponente des jüdischen Daseins im nicht-religiösen Sinne überhaupt gegeben
war“.
[xv]
Der Nichtjude gilt im Judentum allgemein nicht als ontologisch
differenzierte Entität. Der Begriff Adams als gemeinsamer Ursprung der
Menschheit wurde im Talmud als ein friedensstiftendes Mittel gepriesen. Dies
lässt Grund zur Annahme, dass es viel mehr Feindschaft gäbe, wenn man behaupten
könnte, eine andere Abstammung zu haben.
[xvi] Die ontologischen Unterschiede zwischen Juden und
Nichtjuden finden sich nur in einigen mystischen Strömungen des Judentums, die
normalerweise mit der Kabbala und dem Chassidismus in Zusammenhang stehen.
Diese übten aber keinen entscheidenden Einfluss auf die jüdische Rechtsprechung
aus. Im Allgemeinen erfolgen Diskussionen über nicht-rechtliche Angelegenheiten
innerhalb eines breiteren Rahmens als rein rechtliche Entscheidungen, die, im
Gegensatz zu den philosophischen Fragen, zu einer konkreten und praktischen Schlussfolgerung
gelangen müssen.  
Aber sogar innerhalb des begrenzteren Rahmens des Halacha sind die jüdischen Haltungen gegenüber der Kultur der Nichtjuden
komplex, nuanciert und veränderlich und spiegeln somit auch die
sozio-politische Umgebung sehr stark wieder.
[xvii] In Situationen der Konfrontation mit fremden
Kulturen spielt das Halacha eine
konservative Rolle und übernimmt eine zusätzliche Schutzfunktion. Das jüdische
Gesetz wird zu einer institutionellen Schlüsselstruktur im Kampf für die Erhaltung
der jüdischen Identität, Integrität und Authentizität gegen den Druck der
Umgebung des Anderen (des Freundes oder Feindes).
[xviii] Jegliche Veränderung der jüdisch-nichtjüdischen
Beziehungen findet ihren besonderen Ausdruck in jenen Bereichen des Halacha, die die Beziehungen zwischen
den beiden Gruppen regeln.
[xix]
Während der biblische Monotheismus mit einer amorphen Masse von Heiden (im
Hebräischen als ovdei kokhavim u-mazalot, abgekürzt akum oder Sternanbeter,
bezeichnet) konfrontiert war, veränderte sich die Situation mit der Entstehung
von Christentum und Islam. Das erste rabbinische Judentum begann sich ungefähr
im selben geographischen Gebiet und zur selben Zeit zu entwickeln, als das
Christentum Gestalt annahm. Der Islam entstand weiter im Südosten einige
Jahrhunderte später. Das ist auch einer der Gründe, wofür die hebräische Bibel
nicht die passende Quelle darstellt, um sich ein Bild von den normativen
jüdischen Haltungen gegenüber Nichtjuden zu machen. Ein anderer wichtiger Grund
besteht in der absoluten Verbreitung der mündlichen Thora, die biblische Gebote
ignoriert, neu auslegt oder bestätigt.[xx]
Es ist daher von geringer Bedeutung, Bezug auf biblische, auch explizite Verse
zu nehmen, um den normativen Rahmen des rabbinischen Judentums zu verstehen.

Nach der Entstehung von Christentum und Islam entwickelten die rabbinischen
Schriften ein neues Konzept der Beziehung zu den anderen Religionen. Das
jüdische Gesetz bezeichnete Christentum und Islam als Imitationen des „wahren
Glaubens“. Viele befürchteten, dass diese neuen Religionen aufgrund ihrer Missionierung
das Judentum gefährden könnten. Im zweiten Jahrhundert bezog sich die rabbinische
Literatur auf die sieben noachidischen Gebote genommen, welche die Nichtjuden
befolgen sollten. Diese Gesetze verpflichten Nichtjuden, Idolatrie, Mord,
Blasphemie, Inzest, Diebstahl und das Verspeisen eines der Gliedmaßen eines
lebenden Tiers zu unterlassen.
[xxi] Sie sahen auch eine Verpflichtung vor,
Gerichtshöfe einzurichten. Eine besondere Bedeutung wurde dem noachidischen Verbot
der Idolatrie beigemessen. Gemäß dem universalen Verbot von Heidentum und
Idolatrie, wurde den Nichtjuden verboten, einen polytheistischen Glauben zu
haben. So wurde eine entscheidende Unterscheidung zwischen nichtheidnischen und
heidnischen Nichtjuden vorgesehen. Dies bedeutete eine Veränderung gegenüber
dem biblischen Zeitalter, in dem alle anderen Völker polytheistisch waren und
somit durch verschiedene Kriterien unterschieden wurden.
[xxii]
Außerdem kam es zu einer Spaltung im rabbinischen Denken zwischen denen,
die die nichtjüdische Akzeptanz des Monotheismus durch die Bekehrung zum
Christentum oder zum Islam als einen Schritt hin zur Annahme des Judentums
wahrnahmen und denjenigen, die der Meinung sind, dass die Nichtjuden
verpflichtet sein müssen, sich an die sieben noachidischen Gesetze, anstatt an
förmliche, auch wenn monotheistische, Glaubenssysteme zu halten. Andererseits
schätzten wichtige jüdische Denker das Christentum und den Islam und
betrachteten diese als Mittel zwecks weltweiter Verbreitung der messianischen
Ideen unter den Nichtjuden.[xxiii]

Gleichzeitig war das Konzept der sieben noachidischen Gesetze in
Wirklichkeit wohl eher eine theologisch-juristische Theorie als ein Bestand praktisch
geltender Gesetzesvorschriften. Denn die Juden verwalteten zu keinem Zeitpunkt
in der Geschichte Nichtjuden.
[xxiv] Kampagnen zwecks Verbreitung der sieben Gesetze
unter den Nichtjuden haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen,
vor allem auf der Seite der chassidischen Lubawitsch-Bewegung.
[xxv]
In der Tat fand die gesamte Entwicklung der jüdischen Rechtsprechung bis
vor kurzem unter Bedingungen statt, in denen die Juden „der Andere“ unter
anderen religiösen Gruppen, vor allem Christen und Muslimen, waren. Gelegenheitskonversionen
zum Judentum beweisen den relativ offenen Charakter der jüdischen
Gemeinschaften, obwohl die festgelegte Praxis mit Sicherheit auch wegen der schweren
Strafen von Seiten der Christen und Muslime nicht missionarisch war.
Das jüdische Gesetz behandelt die Nichtjuden dreifach: ausschließend,
vermittelnd und inklusiv. Gemäß dem ausschließenden Modell besitzen die
Nichtjuden im jüdischen Gesetz keinen juristischen Status, da sie nicht zur
Partei des als Gesetzesquelle geltenden Versprechens zwischen Gott und dem jüdischen Volk gehören. Da sie aber keine Verpflichtungen haben, erhalten
sie auch keinen Schutz durch das jüdische Gesetz. Der vermittelnde Ansatz setzt
Grenzen zwischen Juden und Nichtjuden, aber ermöglicht Bereiche, in denen diese
überschritten oder ausgeweitet werden können. Ein solcher Ansatz war oft
historisch notwendig, um den Handel mit dem Anderen zu erleichtern. In Fällen,
in denen sich nichtjüdische und jüdische Gesetze überschneiden und eine Vermittlung
erforderlich ist, beispielsweise in Situationen, in denen ein Prozessführender
Jude ist und der andere nicht, kann das jüdische Gericht auch nichtjüdische
Gesetze und Forderungen gemäß dem jüdischen Gesetz anerkennen. Diese Gesetze
beschränken sich aber auf die Bereiche außerhalb des jüdischen, insularen Systems,
weil man sie als Gesetze ansieht, die keinen wesentlichen Bezug zum jüdischen
Gesetz aufweisen.
[xxvi] Die dritte Ansicht ist inklusiv, weil sie
versucht, den Nichtjuden als Geschöpfen Gottes Seine barmherzige Herrschaft
aufzuzeigen, damit sie diese wahrnehmen.
[xxvii]
Demzufolge gibt es im Halacha keinen Consensus über die korrekten Haltungen
zu Christen und Muslimen. Das rabbinische Judentum ist wie der Islam
dezentralisiert. Man muss sich auf Kodes, rabbinische Verordnungen und
gesetzliche Stellungnahmen sowie auf historische Daten verlassen, um sich ein umfassenden
Bild zu machen. Zudem sind die wiederholten rabbinischen Vorschriften gegen
bestimmte Verhaltensweisen, die der Religionshistoriker in Fülle kennt, Grund
zur Annahme, dass die Vorschriften gegen dieses Verhalten machtlos waren. Gemäß
einem wichtigen, rabbinischen Prinzip „sollte man keine Verordnung erlassen,
die die Gemeinschaft auch nicht wirklich einhalten kann“.
[xxviii]
Der Pentateuch ordnet den Gläubigen an, für Israeliten und Fremde, die in
ihrer Mitte, dasselbe Gesetz anzuwenden. Nichtsdestotrotz entwickelte die
mündliche Thora eine differenzierte Behandlung für verschiedene Kategorien von
Menschen. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft erkannten untereinander
andere gegenseitige Verpflichtungen an als gegenüber den Mitgliedern der nichtjüdischen
Gemeinschaft.
[xxix] Die Menge der Rechtstexte zu diesem Thema ist so
groß, dass Maimonides zu seiner Zeit nur über den Fall des Aufspießens eines Ochsen
durch einen Nichtjuden anmerkte: „Die Besprechung dieses Thema würde ein eigenes
Buch füllen.“
[xxx] Die praktische Auswirkung dieses differenzierten
Ansatzes wird normalerweise durch die Anwendung zweier Prinzipien beseitigt: mi-penei
darkhei shalom
(für Zwecke des friedlichen Zusammenlebens) und hillul
hashem (Entweihung des Heiligen Namens) und seiner logische Konsequenz kidush
hashem
(Heiligung des Heiligen Namens)
[xxxi]. Das erste Prinzip verfolgt das Ziel der
Gewährleistung der Nachbarschaftsbeziehungen mit Nichtjuden und des Aufbaus des
Friedens durch seine entsprechende, rechtliche Berücksichtigung.
[xxxii] Dieser Ansatz ist vor allem wichtig, wo die Juden
in der Minderheit sind. Das zweite Prinzip dient zur gesetzlichen Abhilfe und
findet ausschließlich gegenüber den Nichtjuden Anwendung: “Es ist
tadelnswerter, von einem Nichtjuden als von einem Juden zu stehlen, und dies
wegen der Entweihung des Heiligen Namens.”
[xxxiii]

Das rabbinische Gesetz, dass die Beziehungen zum nichtjüdischen Anderen
regelt und einen anderen Standard als den für die Regelung der Beziehungen zu
den Juden vorsieht, erzeugte Ambivalenzen.
[xxxiv] Viele, „sogar gelehrte Juden vertreten aufrichtig
die Anschauung, dass das Judentum nur universale ethische Prinzipien lehrt.”
[xxxv] Einige versuchen, alte rabbinische Texte mit
modernen liberalen Befindlichkeiten in Einklang zu bringen. Aber diese Bemühung
führte oft zu reduktiven Antworten und apologetischem Denken.
[xxxvi] Im zeitgenössischen Judentum wurde die Debatte
bezüglich der diskriminierenden Behandlung der Nichtjuden erneut eröffnet.
Verschiedene religiöse Nationalisten in Israel bekräftigen ihre Überzeugung,
nach der Nichtjuden anders behandelt werden, um so derzeitige politische
Realitäten zu rechtfertigen. Gleichzeitig wehren sich zahlreiche Juden gegen den
Missbrauch der jüdischen Grundsätze zu zionistischen Zwecken.
[xxxvii]


[i]  Katz, supra Anmerkung 1, S. xi.
[ii]  Ibid., S. xii.
[iii] Für die rabbinische Lehre
bezüglich der Einheit von
Halacha und Aggadah und der strengen Warnung, auf
keine der beiden zu verzichten, vgl. Sifre Deut. 48, 306, 316; Abot de
Rabbi Natan 8.
[iv]  Katz, supra Anmerkung 1, S. xii.
[v] Jacob Katz, Et lahkor ve-‘et le-hitbonen,
Jerusalem: Merkaz Zalman Shazar, 1998, S. 1-5; vgl. auch  Haym Soloveitchik “Religious Law and Change”
12 AJS Review, 1987, S. 205-206.  
[vi] Der Rabbiner Aryeh de Modena erklärt seinen Begriff im
Detail wie folgt: „Wir sind dem Wort des Herrn und Seiner schriftlichen und
mündlichen Thora ergeben … die Worte der Weisen müssen gemäß dem Ort, dem
Zeitpunkt und dem Menschen verstanden werden, an den sie gerichtet sind. Falls
dies nicht so ist, wäre unsere Reaktion auf ihre Worte als häretisch angesehen,
wie die Haltung der Karaiten gegenüber dem geschriebenen Gesetz.“ Isaac
Rivkind, “Teshuvat ha-Rav Yehudah Aryeh Modena al Gilui ha-Rosh” in Sefer
ha-Yovel le-Levi Ginzburg
, New York, 1946, S. 401-423.
[vii]   Louis H. Feldman,
Jew and Gentile in the Ancient World:
Attitudes and Interactions from Alexander
to Justinian
, Princeton NJ: Princeton University Press, 1993, S. 427.
[viii]   Vgl. weitere
Ausführungen zu Aher, in Encyclopaedia Judaica, Band 6, Jerusalem: Keter
Publishing House, 1972, S. 667.
[ix]   BT, Haggiga 15a
und 15b.
[x]  Maimonides, Hilkhot Rotseah 4, 10, gemäß der Übersetzung von H. Klein, The Book of Torts, New
Haven: Yale University Press, 1954, S. 208 (zitiert in Blidstein, infra Anmerkung 22).
[xi]  Maimonides, Hilkhot Mamrim 3, 2, in der Übersetzung von M. Hershman, The Book of Judges, New
Haven: Yale University Press, 1949, S. 143 (zitiert in Blidstein, infra Anmerkung 22).
[xii]   Gerald Blidstein,
“The ‘Other’ in Maimonidean Law” 18
Jewish History, 2004, S. 173-195.
[xiii]  Gerald Blidstein
“Who is Not a Jew?” 11 Israel Law Review 1976, S. 365.
Beispielsweise analysiert das Gesetz im Falle von Eheschließung und Scheidung,
ob das Kind als Jude geboren wurde (d.h. von einer jüdischen Mutter), aber
hinsichtlich der anderen Gebote wie der Segnungen und allgemeinen Gerichte,
betrachtet man seine Einhaltung des Sabbats, vgl. Saadia Gaon, Responsa of Rav Saadia Gaaon, zitiert in
Blidstein, S. 382. Es sei darauf hingewiesen, dass während des Zeitalters der
Massenkonvertierungen zum Islam, in diesen Bereichen die kompromisslosesten
Versuche unternommen wurden, um den Juden aus der jüdischen Gemeinschaft zu
verbannen, S. 388.
[xiv]   Silberstein supra Anmerkung 2, S. 13.
[xv]  Blidstein, supra Anmerkung 23, S. 191.
[xvi]   BT, Sanhedrin
38a.
[xvii] Jacob J. Schacter, “Introduction” in Jacob J. Schacter
ed., Judaism’s Encounter with Other Cultures: Rejection or Integration?
Northvale, NJ: Jason Aronson, 1997, S. ix.
[xviii] Eliezer Berkowitz, Not in Heaven: The Nature and
Function of Halakha
, New York: Ktav Publishing House, 1983, S. 86.
[xix]  Vgl. Katz, supra Anmerkung 1, S. 162 ff.
[xx] “The authority of the Oral Law supersedes the
text” BT, Sota 17b.
[xxi] David Novak, The Image of the Non-Jew in Judaism: An
Historical and Constructive Study of the Noahide Laws
, New York: Edwin Mellen Press, 1983
[hier Image].
[xxii] David Novak, “The
Treatment of Islam and Muslims in the Legal Writings of Maimonides
” in
William Brinner & Stephen Ricks eds., Studies
in Islamic and Judaic Traditions,
Atlanta: Scholars Press, S. 236.
[xxiii] Interessanterweise schloss der Rabbiner Adin Steinsaltz aus Jerusalem sogar
die kommunistische Ideologie, eine säkulare Version des messianischen Glaubens,
in die Palette der spirituellen Werkzeuge, 
die verwendet werden, um das Verständnis des bevorstehenden Kommens des
Messiah zu fördern, ein.
[xxiv]   Novak, Image, supra Anmerkung 31, S. 39.
[xxv]   Online: http://www.noahide.org/
[xxvi]   Dieser Begriff
wird auch in einigen zivilen Rechtsprechungen verwendet. Vgl. hierzu zum
Beispiel, ein Urteil des Canadian Supreme Court Bruker gegen Markovitz, 2007 3
S.C.R. 607 hinsichtlich der Rolle und Anwendbarkeit des jüdischen Gesetzes im
Zivilgesetz von Quebec.
[xxvii]   Steven Fraade “Navigating
the Anomalous: Non-Jews at the Intersection of Early Rabbinic Law and
Narrative” in Silberberg, supra Anmerkung
2, S. 158
[xxviii]   BT, Baba Kama
79b.
[xxix]   Katz, supra Anmerkung 1, S. 56.
[xxx]   Fraade, supra Anmerkung 37, S. 145  
[xxxi]   Katz, supra Anmerkung 1, S. 60.
[xxxii]   Vgl. ein Beispiel
der Anwendung des Prinzips mipnei darkhei shalom in BT Gittin, 61a.
[xxxiii]   Sefer Hasidism
1414 : Semag S. 58 b.
[xxxiv]   Fraade, supra Anmerkung 37, S. 146.
[xxxv]   Katz, supra Anmerkung 1, S. 196.
[xxxvi]   Ibid.
[xxxvii] Yakov M Rabkin, A Threat from Within: A Century of
Jewish Opposition to Zionism
, London: Zedbooks, 2006.