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Nakbaproteste 2015 – Ni’lin, ein Artikel von Martina Lauer


Aus dem Dorf Ni’lin in der
Westbank berichtet Saeed Amireh vom Nakbaprotest am vergangenen Freitag:
Am Freitag, den 15. Mai 2015, wurde der siebenundsechzigste Jahrestag der
pal
ӓstinensischen Nakba begangen und
deshalb hatten sich mehr als tausend Demonstranten in Ni
lin versammelt, trotz der israelischen Checkpunkte, die an den Eingӓngen zum Dorf errichtet wurden. Die Militӓrkontrollstellen stoppten allerdings mehrere Busse aus
anderen D
ӧrfern, Stӓdten und Flüchtlingslagern aus der
Westbank, die Teilnehmer zur Demonstration in Ni
lin transportieren sollten.
In diesem Jahr war Ni
lin zum Ort der Hauptdemonstration zum
Nakbatag gew
ӓhlt worden.
Neben hunderten von Palӓstinensern nahmen auch
israelische und international Aktivisten am Protest teil.

Die Demonstration begann mit einem stillen Gedenken, 67 Sekunden für die 67
Jahre seit der Katastrophe der Nakba im Jahr 1948, als hunderttausende von Pal
ӓstinensern von zionistischen Soldaten aus ihren Hӓusern vertrieben und hunderte von palӓstinensischen Dӧrfern zerstӧrt wurden, um den Weg für Israels Gründung und Expansion zu bereiten. Dem
Gedenken folgte das Freitagsgebet, das seit Beginn der Proteste in Ni’lin vor
sieben Jahren in den Olivenfeldern des Dorfes abgehalten wird. Das Gebet in den
Feldern ist ein Ausdruck der Verbindung der Menschen zu ihrem Land, das ihnen
weggenommen wurde und von der israelischen Besatzungsbeh
ӧrde als geschlossene Militӓrzonen angesehen wird.

Am Morgen dieses Freitages hatten israelische Soldaten Schilder auf
mehreren Feldern um das Dorf aufgestellt, die das Gel
ӓnde zur geschlossenen militӓrischen Zone erklӓrten. Offensichtlich traf
die israelische Armee Vorbereitungen f
ür eine grӧssere Veranstaltung als die regelmӓssigen wӧchentlichen Freitagsproteste
im Dorf gegen den Landraub und die Annexionsmauer.
Mehrere Überlebende der Nakba, einige ӓltere Mӓnner, die jetzt in Nilin leben, beteiligten sich trotz ihres hohen Alters am Protest, um das
Recht auf Rückkehr für die Nakbaflüchtlinge zu best
ӓtigen. Andere Bauern hatten sich in traditioneller palӓstinensischer Kleidung angezogen, um an das Leben vor der
Nakba zu erinnern. F
ür diese Bauern setzt sich die Nakba bis
heute fort, weil ihr Land durch die israelische Apartheidmauer annektiert
wurde. Diese Tatsache ist aufgrund des Schweigens der Aussenwelt und dem
fehlenden internationalem Druck auf Israel zur Aufgabe der Besetzung von Pal
ӓstina umso schmerzlicher.

 “Die Nakba geschah nicht nur vor 67
Jahren, sie geschieht bis heute! Jeden Tag leben wir mit der Nakba und der
Unterdrückung durch die israelische Besatzung hier in Ni’lin und in ganz Pal
ӓstina. Das Tӧten wird fortgesetzt, zusammen mit den Inhaftierungen, der Folter und der
Vertreibung unseres Volkes aus der Negev und aus Susya bei Hebron,
sagte Ibrahim Amireh vom Bürgerkomitee Nilin. [Er wurde vor einigen Jahren für seine Rolle als Organisator der
Proteste zusammen mit zwei weiteren Ortsbewohnern von einem israelischen Milit
ӓrgericht mit Gefӓngnis bestraft.]
Wӓhrend der Demonstration erinnerten die
Teilnehmer die Welt an die fortgesetzten zivilen Proteste von Ni
lin trotz der Isolierung und der brutalen Unterdrückungsmassnahmen der
israelischen Armee gegen das Dorf. In den vergangenen Monaten wurden mehrere
junge Demonstranten durch Gewehrschüsse verletzt. Seit der Landraub 1982
begann, schrumpfte die Bev
ӧlkerungszahl des Ortes von
12 000 auf lediglich 5500.
Bevor die Demonstranten die südlich von Ni’lin gelegene Apartheidmauer
erreichen konnten, begannen die israelischen Soldaten mit dem massiven Abfeuern
von hunderten von Tr
ӓnengaskanistern. Zusӓtzlich waren mehrere Armeejeeps aufgefahren, um den
Demonstranten den Weg zu versperren. Zahlreiche Demonstranten wurden durch
diesen ersten Gaskanisterhagel und die Folgen der Tr
ӓnengasinhalierung ausgeschaltet.

Nach dem Trӓnengas kamen die
gummi-ummantelten Stahlkugeln der Scharfsch
ützen, die 18
Protestteilnehmer und den Kameramann von Al Jazeera verletzten. Das Feuer der
israelischen Armee hielt an und die heissen Tr
ӓnengaskanister setzten mehrere Quadratkilometer Land und dutzende von
Olivenb
ӓumen in Brand.
Der Protest zum Nakbatag war nicht wie vorhergehende Freitagsproteste, weil
zum ersten Mal seit zwei Jahren mehrere Nachrichtenorganisationen ins Dorf
gekommen waren, um über die Freitagsdemonstration in Ni’lin zu berichten. Die
israelische Armee ging brutal gegen die Demonstranten vor, setzte aber dieses
Mal keine scharfe Munition ein, vielleicht aufgrund der Presse und der
zahlreichen internationalen und israelischen Teilnehmer.
Wӓhrend der Demonstration wurde nur die
pal
ӓstinensische Fahne getragen, als Aufruf
zur Einheit und f
ür ein Ende der Trennung in der palӓstinensischen Gesellschaft.
 “Wir hoffen, dass unsere Einheit
hier in Ni’lin der Beginn der Einheit aller politischen Parteien und Pal
ӓstinenser sein kann. Diese Einheit wird der erste
Grundstein auf dem Weg zu Freiheit, Befreiung und Gerechtigkeit sein,
sagte Ibrahim Amireh nach dem Protest.
Mindestens 22 Menschen wurden bei den vom Hohen Komitee zur Erinnerung der
Nakba in der Westbank organisierten Nakbademonstrationen schwer verletzt. 67
Jahre nach dem Beginn der Nakba, als 700 000 Pal
ӓstinenser in ethnischen Sӓberungsaktionen von ihrem
Land vertrieben wurden, geht die Katastrophe für die Pal
ӓstinenser weiter. Die Vertreibung ganzer Gemeinden,
Repressionsmaßnahmen, Massaker und die israelische Kolonisierung werden
fortgesetzt, w
ӓhrend die Palӓstinenser ihren Kamf um das Recht auf Rückkehr für die palӓstinensischen Flüchtlinge aufrechterhalten, schrieb Stop the Wall am 21.
Mai 2015.
Demonstrationen zum Nakbatag fanden auch in Bil’in, Nabi Saleh und Kufr
Qaddoum state. In Betunia, Ramallah versammelten sich die Teilnehmer zu einem
Marsch zum israelischen Gef
ӓngnis Ofer, wo hunderte von
pal
ӓstinensischen politischen Gefangenen
festgehalten werden. Drei junge Pal
ӓstinenser wurden mit scharfer Munition am Unterkörper verletzt, als die israelische Armee die Demonstration
angriff. Vor einem Jahr wurden an der gleichen Stelle zwei junge Pal
ästinenser erschossen.
In Jerusalem kam es zu Zusammenstӧßen in der Nähe der Al Aqsa Mosche in der Altstadt, wo die Demonstranten palästinensische Fahnen und schwarze Flahnen zur Erinnerung
an die Nakba trugen. Die Demonstranten verurteilten israelische Maßnahmen, die
das Fundament der Al Aqsa Moschee gef
ährden und forderten, dass Jerusalem die palästinensische Hauptstadt werden soll.
Im Gazastreifen wurden drei Palästinenser wӓhrend eines Nakbaprotestes
nach dem Freitagsgebet verletzt, als die israelische Armee mit scharfer Munition
auf die Teilnehmer feuerte. Der Journalist Mohammad Yaseeer vom Palestinian
Network for Media and Journalism wurde am Bein verletzt.
Weitere Proteste fanden am Freitag im al-Jalazoun Flüchtlingslager  und im Dorf Silwad statt.
Bei diesen Protesten, wie bei der Demonstration vor dem Gefängnis Ofer, setzte die israelische Armee scharfe Munition
ein und verletzte mehrere Demonstranten durch Gewehrschüsse in die Beine,
berichtete das PCHR in dem w
öchentlichen Bericht vom 14.
bis zum 20. Mai 2015.
http://www.nilin-village.org/
www.pchrgaza.org
(Übersetzt und zusammengestellt von Martina
Lauer)