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ProMosaik e.V. interviewt Herrn Schwarz, Koordinator für das Zertifikat DaF an der Universität Münster

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns sehr darüber, dass sich Herr Christian Schwarz, der Koordinator für das Zertifikat DaF an der Universität Münster, bereit erklärt hat, mit unserer Redaktion über die Bedeutung des DaF-Unterrichts für die interkulturelle Kommunikation und die Integration in unserer Gesellschaft zu sprechen.

Da wir im Moment eine ziemliche Verschiebung nach Rechts und ins populistische Vakuum erleben, bin ich sehr erfreut, Ihnen dieses Interview zu präsentieren, das sehr wichtige Einblicke in die Bereicherung des interkulturellen Austauschs verschafft.

Die Jugendlichen in den Hochschulen können einen wesentlichen Beitrag zum interkulturellen und interreligiösen Dialog in Deutschland leisten. Ich finde diese die Kernaussage des Interviews. Sie ermöglicht uns auch, trotz PEGIDA und Widerstand gegen Asylanten optimistisch in die Zukunft zu sehen. 

Quelle: meta.tageschau.de

Sprachkenntnisse können am Aufbau einer toleranteren und auch “Mosaik-farbenerer” Welt beitragen.

Quelle: dains.de

Es öffnet sich, wie Herr Schwarz im Folgenden sagt, ein Fenster in eine neue Kultur. Denn Sprache ist Kultur.  Und Kultur bedeutet auch Wissen, die beste Prävention gegen Rechtsradikalismus.

Dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.
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Dr.
phil. Milena Rampoldi:
Wie kann
der interkulturelle Sprachunterricht dazu beitragen, die Gesellschaft
toleranter und bunter zu gestalten?
Christian
Schwarz:
Im
Sprachunterricht, ganz egal, ob es sich dabei um einen Deutsch- oder
Türkischkurs handelt, wird ein Fenster in einen komplett neuen kulturellen
Komplex geöffnet, was Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Sprachkurses nicht
nur zeigt, dass man seine Gedanken in einer anderen Sprache mit ganz anderen
sprachlichen Mitteln ausdrücken kann. Vielmehr werden hier neben
landeskundlichen Informationen zu Kultur und Geschichte auch kulturspezifische
kommunikative Praktiken vermittelt. So kann es für einen arabischen
Deutschlerner z. B. außerordentlich unhöflich erscheinen, das Wort „nein“ als
Antwort zu bekommen, während es im deutschsprachigen Raum leichtfertiger
verwendet wird und – das ist der wichtige Unterschied –  auch tatsächlich „nein“ bedeutet. Dieses
Umschalten-Können auf die Denkweise anderer Kulturen, wird durch das
Sprachenlernen enorm gefördert und sorgt somit für einen toleranteren Umgang
mit dem Anderen, der nicht wertend oder von oben herab geschieht. Ich fände es
toll, wenn jeder Mensch zumindest eine andere Sprache im Laufe seines Lebens
erlernen würde.  
Dr. phil. Milena Rampoldi:
ProMosaik e.V. setzt sich für
den interkulturellen Dialog ein und setzt auf interkulturelle Empathie zwecks
Gestaltung einer friedlichen und kulturell vielfältigen Gesellschaft. Wie
können DaF-Lehrerinnen und Lehrer dazu beitragen?
Christian Schwarz:
Das Klientel von DaF-Lehrerinnen
und Lehrern sind natürlich nicht die deutschen Muttersprachlerinnen und
Muttersprachler, sondern diejenigen, die noch nicht so gut Deutsch sprechen.
Belassen es DaF-Lehrerinnen und Lehrer bei der bloßen Sprachvermittlung während
der Unterrichtszeiten, werden wird das Ziel einer wirklichen multikulturellen
Gesellschaft nicht erreichen. Hierzu ist zusätzliches Engagement notwendig, wie
z. B. die Einrichtung und Betreuung von Sprachtandems, durch die ein wirklicher
Kontakt zwischen Sprachträgerinnen und Trägern des Deutschen einerseits und
Lernerinnen und Lernern andererseits herbeiführt wird. Somit bekommt die
Sprache ein Gesicht und emotionalen Gehalt, was wiederum die Motivation des
Lernens weiter fördert. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Flüchtlingsmisere
sind auch Initiativen notwendig, die Flüchtlingen das Erlernen des Deutschen
ermöglichen, am bestem zusammen mit Tandempartnerinnen und -partnern aus der
deutschen Bevölkerung.
              
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Wie kann durch interkulturelle
Sprachkompetenz die Diskriminierung von Minderheiten in Deutschland bekämpft
werden?
Christian Schwarz:
Minderheiten haben es leider
selten leicht. Wir stehen in Deutschland mit der Anerkennung der Sinti und
Roma, der Sorben, Dänen und Friesen als ethnische Minderheiten im Vergleich zur
Sprachpolitik anderer europäischer Länder aber noch ganz gut da. Neben diesen
historisch verwurzelten Minderheiten gibt es noch die große Masse der nicht
offiziell anerkannten und erst in jüngster Vergangenheit zugewanderten
Minderheiten, die nicht selten mittellos und/oder als Flüchtlinge nach
Deutschland kommen. Wollen diese Flüchtlinge in Deutschland bleiben, wird von
Ihnen das Erlernen der deutschen Sprache erwartet. Dies ist sicherlich richtig,
doch wäre es toll, wenn ihnen deutsche Muttersprachlerinnen und Muttersprachler
entgegenkämen und die Sprachen dieser Minderheitengruppen zumindest ansatzweise
erlernen würden. Ein solches Entgegenkommen würde Minderheiten ein Gefühl des
Willkommen-Seins vermitteln. Ich denke, dass man hierbei bereits früh in der
Schule ansetzen müsste und den deutschsprachigen Schülern mehr Möglichkeiten
bieten sollte, ihren sprachlichen Horizont zu erweitern. Als Kind wollte ich
zum Beispiel immer Türkisch lernen, da ich viele türkische Mitschüler hatte und
sie verstehen wollte. Entsprechende Angebote existierten aber leider überhaupt
nicht.    
 Quelle: runnersworld.de
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Welchen Zusammenhang sehen Sie
zwischen interkultureller und interreligiöser Empathie?
Christian Schwarz:
Ich denke, dass beides miteinander
korreliert. Ist man erst einmal in die Gefühls- und Gedankenwelt einer anderen
Kultur eingedrungen, so kann dies nicht abgekoppelt von den religiösen Aspekten
dieser Kultur geschehen. Viele Verhaltensnormen in einer Kultur gründen sich ja
auf religiösen Auffassungen und Überzeugungen. Jemand der über interkulturelle
Empathie verfügt, wird sich in religiöser Hinsicht also kaum wie der Elefant im
Porzellanladen aufführen.
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Welche positiven Erfahrungen
haben Sie im multikulturellen Deutschland gemacht?
Christian Schwarz:
Meine eigenen multikulturellen
Erfahrungen habe ich besonders während des Studiums und während meiner
darauffolgenden Arbeit an der Universität gesammelt. Ich halte auf der
Grundlage meiner eigenen Erfahrungen den Hochschulbereich für den Vorreiter in
Bezug auf interkulturelle Zusammenarbeit und Toleranz. Oft sind es ja gerade
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die selbst während kältester
politischer Eiszeiten das multikulturelle und internationale Netzwerk aufrecht
erhalten.
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Wie kann die Jugend heute in den
Universitäten dazu beitragen, eine multikulturelle Gesellschaft zu gestalten?
Christian Schwarz:
Wie bereits erwähnt, halte ich den
Beitrag der Studierenden und der Hochschulen zur Gestaltung einer
multikulturellen Gesellschaft für außerordentlich hoch. Allerdings findet sich
dieser multikulturelle Charakter besonders innerhalb der Hochschulstrukturen.
Es gilt nun, diesen aus der Hochschule hinauszutragen und auch in andere
Institutionen und bis in die Verästelungen der Gesellschaft zu befördern.
Meiner Meinung nach muss hier besonders im Schulbereich in Form von
zusätzlichen Austausch- und Sprachprogrammen angesetzt werden. Eine großzügige
finanzielle Förderung ist dabei unabdingbar, damit die Mitgestaltung einer
multikulturellen Gesellschaft nicht das Vorrecht der privilegierten
Gesellschaftsschichten bleibt. So sollten z. B. Schüler unabhängig vom
Einkommen ihrer Eltern gleichermaßen die Möglichkeit haben, an Austauschprogrammen
oder Sprachferien, etc. teilzunehmen. 
  
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Wie wichtig sind Wissen und
Sprachkenntnisse, um sich gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit zu
widersetzen?
Christian Schwarz:
Beides sind die Grundpfeiler zur
Prävention gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit; sie können in
ihrer Bedeutung gar nicht deutlich genug hervorgehoben werden. Sachliches und
vorurteilsfreies Wissen um andere Kulturen und die auch nur teilweise
Beherrschung einer anderen Sprache öffnet Horizonte, schafft echte Freunde, und
vermeidet somit das stumpfsinnige Abdriften in vorgefertigte, von Hass
geleitete Ideologien. 
  
Dr. phil. Milena Rampoldi:
Sehen Sie geschlechtliche
Unterschiede zwischen Mann und Frau im Bereich der interkulturellen Kompetenz?
Christian Schwarz:
Im
Hinblick auf interkulturelle Kompetenz kann ich diese Frage leider nicht
beantworten. Was das sprachliche Verhalten angeht, deuten soziolinguistische
Studien allerdings darauf hin, dass Frauen offensichtlich besser auf die
Bedürfnisse und Erfordernisse einer sprachlichen Interaktion eingehen können
als Männer. Dies weist auf eine tendenziell höhere sprachliche Empathie bei
Frauen hin, die allerdings nicht naturgegeben ist, sondern eher ein soziales
Konstrukt darstellt. Ob sich die höhere sprachliche Empathie von Frauen auf die
Fähigkeiten im Hinblick auf interkulturelle Kompetenzen übertragen lässt,
vermag ich nicht zu beurteilen.