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Das neue Buchprojekt von ProMosaik e.V. – Prinzip 2

Liebe Leserinnen und Leser,

es geht weiter mit unserem Manifesto… Prinzip 2.

Wie immer freuen wir uns sehr auf Ihr Feedback, um das Buch gemeinsam mit Ihnen zu gestalten.

dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi

Redaktion von ProMosaik e.V.

Prinzip 2
ProMosaik bedeutet für uns Toleranz und Dialog.
Der
zweite Schritt nach der Wahrnehmung und dem Verständnis der Unterschiede
besteht für mich aus einer toleranten Haltung und einem konstruktiven und friedlichen
Dialog, der aber nicht grenzenlos sein muss, da es grenzenlose Toleranz kaum
gibt und diese einen absoluten Ausnahmefall darstellt. Auch an dieser Stelle  möchte ich erneut von den Unterschieden und
nicht von den Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen und Religionen ausgehen, da ich
der Meinung bin, dass unsere Gesellschaft gerade den Respekt vor dieser
Diversität und nicht die Verwischung der Unterschiede braucht.
Wenn
ich mich selbst, d.h. meine Stärken und Schwächen kenne, die anderen in ihrer Diversität
wahrnehme und diese Diversität auch als existentielle Dimension meines Seins
und Lebens anerkenne, dann schaffe ich den Schritt hin zur Überwindung
jeglicher pseudotoleranten Haltung. Eine allgemein tolerante Haltung des
Einzelnen in der Gesellschaft, die sich von jeder falschen Toleranz distanziert
und dem Respekt der Würde des Anderen höchste Bedeutung beimisst, ist etwas,
was es zu erlernen gilt. Der Lernprozess dauert aber ein Leben lang. Uns als
tolerant anzusehen und diesen Lernprozess zu unterbrechen, wäre ein großer
Fehler und eine Involution der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Wer von sich
sagt, er bzw. sie sei tolerant und empathisch und würde jeglichen kulturellen
und religiösen Unterschied grenzenlos im Namen der gemeinsamen Menschlichkeit
aller respektieren, hat sich noch nicht der Herausforderung gestellt, die
Grenzen seiner bzw. ihrer sogenannten Toleranz mal konkret zu testen. Es gibt
immer Grenzen der eigenen Toleranz, wenn man ehrlich auf seine innere Stimme
hört und sich nicht als tolerant bezeichnet, weil es sich so gehört, weil die
Guten tolerant sind und die schlechten Schafe hingegen intolerante Haltungen an
den Tag legen.
Wahre
Toleranz bedeutet für mich persönlich auch, die Grenzen der eigenen Toleranz
und der Toleranz der anderen auch (mit) zu tolerieren. Dies bedeutet wiederum,
dass ich als der bzw. die ANDERE nicht verlangen kann, überall und von allen
toleriert zu werden. Ich kann den anderen Menschen in der Gesellschaft auch
keine Toleranz aufdrängen, denn ansonsten schaffe ich eine nivellierte Kultur
der Pseudotoleranz wie wir sie oft erfahren. Menschen, denen tolerante
Haltungen im Namen des guten Willens aufgezwungen werden, weil wir uns alle
lieb haben und alle gleich sind, entwickeln ein aggressives Potential, das
irgendwann dann zu Tage tritt.
Irgendwann
wird aus diesem pseudotoleranten Menschen einer, der dem Spruch dieser
EUROPAWAHL-Kampagne von ProNRW folgt, welcher besagt: „Wut im Bauch, lass es
raus.“ Was für ein Gewaltpotential die pseudotolerante Gesellschaft in sich
birgt liegt wohl auf der Hand. Denn laut diesem Spruch soll ja nicht DIE WUT,
also SIE herausgelassen werden, sondern ETWAS UNBESTIMMTES, ein ES, von dem
keiner die Konsequenzen ahnt.
Toleranz
ist eine Errungenschaft. Toleranz muss ich mir auch verdienen. Toleranz ist ein
Geschenk. Toleranz ist ein Recht, das mich aber als Mensch in der Gesellschaft,
und vor allem als MINDERHEIT in einer Gesellschaft moralisch und ethisch
verpflichtet. Toleranz ist eine Haltung, die nur gegenüber Menschen entstehen
kann, die ich kennenlerne, mit denen ich mich beschäftige und  kulturell, religiös auseinandersetze. Toleranz
ist somit das Produkt eines Prozesses des interkulturellen und interreligiösen
Dialogs und der konstruktiven Kommunikation mit dem ANDEREN.
Ich
kann nicht tolerant gegenüber dem Hinduismus sein, wenn ich gar keine Ahnung
davon habe und einfach nur denke, dass Hindus freundlich lächeln oder dass ihre
Götterstatuen schön bunt sind und deren Kleider immer wieder neu angezogen
werden. Ich kann auch nicht tolerant gegenüber einem Türken sein, weil ich den
Spruch „Döner macht schöner“ toll finde… mit diesen Beispielen möchte ich
einfach zum Ausdruck bringen, wie Toleranz nichts Oberflächliches sein darf…
kein reines Bauchgefühl oder Sich-Anpassen an die Schafe der Pseudotoleranz.
Toleranz
ist ein Gefühl, eine Haltung, eine Weltanschauung, ein Ziel und ein Weg. Es
gibt keine Toleranz ohne einen wahren Dialog, ohne eine Kultur des
Kennenlernens des Anderen, für den ich selbst auch ein ANDERER bin und der mich
auch erst wahrnehmen und kennenlernen muss. Er ist kein Objekt meiner Neugierde,
und ich bin auch kein Objekt seiner Wissensgier. Ich bin nicht derjenige, der
sich anmaßen darf, das SUBJEKT in einer Welt von Objekten zu sein. Ich bin
nicht der, von dem alles ausgeht, der, in den alles mündet, sondern nur EINER
von VIELEN ANDEREN… Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt. Mein Mosaik
befindet sich nicht im Mittelpunkt der 
Welt. Wenn ich mich als peripherisch wahrnehme, verstehe ich auch
endlich, dass jegliche Art von Kulturkolonialismus völlig verdreht und sinnlos
ist.
Der Dialog
ist eine Relation zwischen SUBJEKTEN, zwischen gleichwertigen Menschen, die
anders denken, anders sind… und die Steine des großen Mosaiks unserer Welt
sind. In diesem Sinne sehen wir von ProMosaik den Ausgangspunkt der Toleranz in
der Anerkennung der Diversität (Prinzip 1, Ausgangspunkt) im Weg zum Dialog
(Prinzip 2, dynamischer Prozess der Bewegung hin zum ANDEREN).
Die
Brücke, die uns von der Welt der Unterschiede zur Welt des Respekts vor den Unterschieden
führt, ohne sie zu verwischen, ist gerade die BRÜCKE des Dialogs zwischen den
verschiedenen Mosaiksteinen.