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Gaza a Philosophical Dictionary by Michael Buergermeister (eingeleitet von Dr. phil. Milena Rampoldi)


Liebe Leserinnen und Leser,
Heute möchten wir Ihnen auch die
deutsche Version des Interviews mit dem Autor Michael Buergermeister, mit dem
wir vor kurzem das Buch „Gaza, A Philosophical Dictionary“ veröffentlicht haben,
vorstellen. Das Interview gibt Einblick in das Werk des Autors und wirft
sehr herausfordernde Fragen auf, denen wir uns als Menschen stellen müssen.
Auf seiner Webseite finden Sie
detaillierte Informationen über seine Person und sein Werk.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche
Zielsetzungen verfolgen Sie mit Ihrem Buch? 
Michael Buergermeister: Mit diesem
Buch verfolge ich eine dreifache Zielsetzung: zum ersten will das Buch die
gegen die Palästinenser verübten Verbrechen gegen die Menschheit bezeugen. Die
Leugnung der Nakba sollte illegal sein wie die Leugnung des Holocaust, und dies
aus demselben Grund: Die Leugnung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit vereinfachen
den Tätern das Leben. Zweitens möchte das Buch Mythen abbauen und entpuppen. Jahrzehnte
lang haben sich Schichten von Lügen, Mythen und beabsichtigte Fehlinformationen
angehäuft und verdunkeln bis heute die Realität. Das Buch möchte hervorheben,
welch eine Katastrophe dies für jeden Beteiligten ist und wie sehr sie eine
realistische Analyse, Debatte und Lösung vereitelt. Drittens versucht das Buch,
den Menschen die komplexen Hergänge des Konfliktes zu erläutern.
Was den Konflikt so komplex
gestaltet, ist die große Anzahl von Aspekten, die ihn ausmacht: Imperialismus,
Zionismus, Antisemitismus, Rassismus und die Gier der Konzerne. Um zu
verstehen, was geschieht, muss man sich der Beschaffenheit dieser Aspekte und
der involvierten Dynamiken bewusst werden.
Mein Hauptargument besagt, dass man
gleichzeitig Antisemitismus und Rassismus in Israel bekämpfen muss. Mit
Rassismus in Israel meine ich den Rassismus der Ashkenazy gegen die Mizrahi und
auch den Apartheid- Rassismus gegen die Palästinenser. Man kann sich nicht um eine
Sache kümmern, ohne auch für die andere Sorge zu tragen. In anderen Worten: Der
Zionismus ist das Produkt des Antisemitismus. Er profitiert auch vom
Antisemitismus. Um die extremsten Ausschreitungen des Zionismus zu bekämpfen,
muss man vorab den Antisemitismus in Angriff nehmen.
In meinem Buch betone ich die Rolle
der imperialistischen und kommerziellen Interessen im Rahmen des Konfliktes.
Israel ist die Kreation der Briten und Amerikaner einerseits und von
Nazideutschland andererseits. Die Briten förderten die Kolonisierung der
Palästinenser in den 20er Jahren, die Nazis verstärkten den Prozess in den 30er
Jahren in Zusammenarbeit mit den Zionisten, und die USA erschufen in den 40er
Jahren den Staat Israel.
Zudem sollte man begreifen, dass
Israel und die USA beide über massive militärische, industrielle und politische
Komplexe verfügen, welche die Weiterführung des Konfliktes direkt fördern. Die
vollständige Kontrolle der Mainstreammedien bedeutet, dass die durchschnittlichen
westlichen Bürger nicht die leiseste Ahnung haben, worum es überhaupt geht.
Gleichzeitig sind sie aber ganz nach Orwells Roman 1984 gehirngewaschen.
Was aber wenige begreifen, ist, dass
die Ashkenazy, die Haupturheber und Begünstigten des Zionismus, die
Mizrahi-Juden in Israel aktiv diskriminieren. Und genau darin liegt der Kern  des Problems. Um ihre Vorherrschaft zu
erhalten, behalten die Ashkenazy das Land auf Kriegstrab, während die Mizrahi
ihre untergeordnete Stellung im Namen der ewig währenden „terroristischen
Bedrohung“ akzeptieren.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie kam
es zu diesem Buch?
Michael Buergermeister: Der Prozess,
der zu diesem Buch geführt hat, grenzt an ein Wunder, da es auf das
Zusammenspiel einer Reihe positiver Gegebenheiten zurückzuführen ist. Ich
recherchierte über den Holocaust, unternahm eine Reise nach Amsterdam und kam
auch in Kontakt mit Freunden, die mir damals lebenswichtige Informationen
bereitstellten, als ich mit meiner Recherche begann.
Ich erlebte das Buch als eine Reihe
von Erschütterungen und Entdeckungen. Es dauerte lange, bis ich auch wirklich
akzeptierte, dass das, was ich entdeckt hatte, auch wirklich wahr war.
Ich bin ein geübter Historiker und
bin seit langer Zeit vom Skeptizismus beeinflusst. So näherte ich mich allen
Informationen, die dann zum Teil auch ins Buch einflossen, mit einer
unglaublichen Vorsicht. Ich habe versucht, das Ganze so genau und
vertrauenswürdig wie menschlich möglich darzustellen. Aber ich muss darauf
hinweisen, dass ich das Buch selbst finanziert habe und es in nur 5 Monaten
fertiggestellt habe. Mit Sicherheit enthält es Fehler, für die ich mich im
Voraus entschuldigen möchte.
Schließlich sehe ich mich mehr als
die Hebamme als der Verfasser des Buches. Je mehr ich meinen Text kürzte, desto
besser wurde das Buch, das im Wesentlichen eine Sammlung von Zitaten ist.
Das Buch ist kein akademischer Text,
aber eine Reihe von Essays nach der Tradition von Montaigne und muss auch so
gelesen werden. Es ist ein humanistisches Traktat, das durch das Philosophische
Wörterbuch von Voltaire inspiriert wird und versucht auf die individuellen mehr
als auf die abstrakten historischen, sozialen und politischen Entwicklungen zu
fokussieren. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche
Botschaft möchten Sie den Juden überbringen?
Michael Buergermeister: Ich wurde
von einer katholischen, irischen Mutter aufgezogen (ich fühle mich Ire) und
habe das Judentum studiert. Daher bin ich der Meinung, dass jeder Christ, auch
wenn er sich dessen nicht bewusst ist, am Ende ein Jude ist. Das Christentum
ist für mich nicht mehr und nicht weniger als eine jüdische Häresie. Ich war
fast dabei, mich zum Judentum zu konvertieren (da ich damals eine israelische
Frau liebte). Daher glaube ich nicht, Antisemit zu sein.
Wie Gideon Levy aufzeigte: Israel ist
hier, um zu bleiben. Die Frage, die man sich nun stellen sollte, ist folgende:
Wie soll dieses Land Israel aussehen und vor allem: Soll es ein brutaler
Apartheidstaat sein? Ist dies wirklich das, was die Diaspora- und die
israelischen Juden wollen? 

Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche
Botschaft möchten Sie den Zionisten überbringen?
Michael Buergermeister: Meine
wichtigste Botschaft an die Zionisten ist, dass sie Machiavelli lesen sollten.
In seiner Analyse über die Art  und
Weise, auf die ein Staat am besten einen anderen kontrollieren kann,
argumentiert Machiavelli, vereinfacht gesagt, wie folgt: es gibt im
Wesentlichen zwei Optionen. Eine ist die unzuverlässige Gewalt und die andere
der Aufbau von Allianzen. Die zweite ist die intelligentere Alternative
zwischen den beiden. Somit sollen die Juden eine Allianz mit den Palästinensern
eingehen.
Wie die Apartheid in Südafrika
überwunden wurde, so muss sie auch in Israel überwunden werden. Das Argument,
das genutzt wird, um die Apartheid beizubehalten und die israelischen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechtfertigen, besteht darin, dass
Israel existentiell bedroht wird. Die Wahrheit ist, dass dies wohl nie der Fall
war.
Es wird Menschen geben, die mir
vorwerfen werden, ich wäre ein Nazi. Im Gegenteil! Einige fragten mich, was
mein österreichischer Großvater während des Krieges machte. Über ihn weiß ich,
dass er ein überzeugter Feind der NS-Diktatur war (er war nämlich ein
Monarchist). Der Grund, wofür er die Nazis hasste, hatte mit seinen so
verhassten Erfahrungen im Ersten Weltkrieg zu tun.
Das Einzige, was ihn vom KZ rettete,
waren die Hochachtung und Wertschätzung, die seine Familie in Wien genoss,
hauptsächlich weil sie in den 30er Jahren so viele Bürger gerettet hatte. Mein
Großvater, dessen Familie Land besessen hatte, lebte nach dem Motto „Noblesse
oblige“. Die Folge seiner Großzügigkeit war, dass die Familie fast pleite war,
aber gerade dadurch entkam sie dem Konzentrationslager.
Andere wiederum werden sagen, dass
dieses Buch den Terrorismus und den Antisemitismus fördert. Aber das ist
Unsinn. Dieses Buch bekämpft beide Phänomene menschlicher Dummheit. Es
kritisiert zwar  die israelische Politik,
aber verfolgt nicht das Ziel, Israel zu zerstören. Am Ende ist es nur ein Buch,
und Israel hat die mächtigsten Waffen der Welt.
Die Zionisten sollten über die
Vergangenheit und die Gegenwart nachdenken und sich fragen, ob der Zionismus,
als Dogma, wirklich einen militärischen, industriellen und politischen Komplex
braucht oder ob dieser Komplex nicht zu einer Art Krebs geworden ist.
Einstein glaubte an die
„organisatorische Kooperation“ mit den Arabern. Er meinte wortwörtlich: „Wir
Juden müssen vor allem zeigen, dass unsere eigene Geschichte des Leidens uns
genug Verständnis und psychologisches Bewusstsein gegeben hat, um zu verstehen,
wie man mit diesem Problem der Psychologie und Organisation umgeht: umso mehr gibt
es keine unversöhnliche Unterschiede im Weg zum Frieden zwischen Juden und
Arabern in Palästina. Lasst uns daher vor allem vor jeglicher Art blinden
Chauvinismus hüten und lasst uns nicht daran glauben, dass Vernunft und
Hausverstand durch die britischen Bajonetten ersetzt werden können“. Was in den
1920er wahr war, ist es bis heute. Einstein verstand, dass das friedliche und
dauerhafte Zusammenleben der Juden in Palästina nur möglich sein kann, wenn sie,
unter den Bedingungen sozialer und politischer Gleichheit, eng mit den Arabern
zusammenarbeiten.
Viele vergessen, dass sich die
wirtschaftliche Entwicklung, die zwischen 1967 und 1973 durch die Besatzung
erreicht wurde, in eine Last verwandelt hat, die Israel nach unten zieht und
das Leben in Israel teurer macht.
Einige Freunde von mir wollten nach
Israel ziehen, konnten sich aber das Leben dort nicht leisten. Andere Juden,
die nach Israel gezogen sind, zogen dann wieder in andere Länder, weil sie den
Rassismus und die Xenophobie einfach nicht aushielten. Ein Zionist sollte sich
fragen: ist das wirklich das Israel, dass er will?
Was ich in diesem Buch schreibe mag
ihnen gefallen oder nicht, aber sie dürfen es nicht ignorieren. Was ich hier
versucht habe, ist, der Realität den Spiegel vorzuhalten. Einige werden diese
Wahrheit akzeptieren, andere wiederum werden sie verneinen und sich darüber
aufregen. Das ist vollkommen natürlich. Sie liegen aber falsch, wenn sie
denken, dass ich das aus Hass gegen den Zionismus und Israel oder aus
Antisemitismus tue. Ich wollte sogar mal zum Judentum konvertieren und nach
Israel ziehen. Ich halte mich für einen, wenn auch sehr kritischen Freund
Israels. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche
Botschaft möchten Sie an die Welt richten?
Michael Buergermeister: Meine
Botschaft an die Welt ist, dass die Christen und vor allem die christlichen
Kirchen deren Verantwortung für den Antisemitismus anerkennen müssen. Die
christlichen Kirchen müssen ihre Herden über das wahre Wesen des „Judentums“
aufklären. Der abstoßende Rassismus, die Apartheid und Brutalität der Zionisten
nicht nur gegen die Palästinenser, sondern auch gegen ihre jüdischen Mitbürger
müssen im Kontext der Angst gesehen werden, die durch den Antisemitismus
erzeugt wird. Erst wenn diese furchtbare Plage ausgemerzt sein wird, wird es
Hoffnung für einen Frieden im Nahen Osten geben.
Gleichzeitig muss die Welt einsehen,
dass sie direkt verantwortlich ist. Vor allem Großbritannien, Deutschland und
die USA haben das Problem verursacht. Diese Länder haben alle drei eine
fürchterliche Ungerechtigkeit gegen die Palästinenser verewigt. Alle drei sind
moralisch dazu verpflichtet, Reparationszahlungen an sie zu leisten. Nur wenn
es Gerechtigkeit für die Palästinenser gibt, kann es auch Frieden im Nahen
Osten geben.
 

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