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Gefährliche Wege in die Sicherheit : Die Odyssee der syrischen Flüchtlingsfrauen auf der Flucht von Syrien

Von Stefania Arru, ProMosaik
Italia, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik.
Persönliche Sicherheit und
Schutz:
Was bedeuten
diese für die Frauen? Und vor allem für die Flüchtlingsfrauen und die
Asylantinnen?
Sexuelle und
gender-spezifische Gewalt sind Probleme, die Frauen in aller Welt belasten. Und
auf Bürgerkriegsschauplätzen werden die Probleme noch komplexer.
Seit 2011
hat der syrische Bürgerkrieg Millionen Menschen zur Flucht aus dem Land
gezwungen, um in der Türkei, im Libanon, in Jordanien und in Ägypten Schutz zu
suchen.
Die
verletzlichsten Kriegsopfer sind fast immer Frauen und Kinder. In dieser Krise
stellen sie auch den Großteil der Flüchtlinge dar.
Dem UN-Menschenrechtsrat zufolge sind zwei Drittel der
syrischen Flüchtlinge Frauen und Kinder.
In ihrer
Reise vom Herkunftsland bis zum ausländischen Staat haben die Frauen nicht nur
als Frauen, sondern auch als Flüchtlinge mit Schwierigkeiten zu kämpfen: ihre
Situation als Flüchtlingsfrauen setzt die Frauen während der Flucht und im Ort,
in dem sie Schutz und Unterschlupf finden, extremen Gefahren aus.  
Vor der Flucht werden die familiären und
gemeinschaftlichen Strukturen infolge des Ausbruchs des Konflikts untereinander
gebracht, und die Rollen, die von Männern und Frauen gespielt werden, verändern
sich. Die Frauen sind öfters Opfer von Gewaltakten infolge der Frustration und
Sorgen unter den Familienmitgliedern. Dies führt zu mehr Fällen häuslicher
Gewalt. Des Weiteren kann es vorkommen, dass die Frauen während eines
Bürgerkrieges vollkommen alleine gelassen werden oder die gesamte Verantwortung
für den Rest der Familie übernehmen und Aufgaben auf sich nehmen müssen, auf
sie selten vorbereitet sind. In der patriarchalischen Gesellschaft kommt es oft
vor, dass Frauen ohne männlichen Schutz Ziel von Gewaltakten werden.
Diese Aspekte
gefährden die Flüchtlingsfrauen auch vor der Flucht, direkt in ihrem Heimatort.
Die Polizei, die militärischen Streitkräfte und die Menschen vor Ort könnten
den Frauen nur gegen sexuelle „Gefallen“ die Flucht ermöglichen. Für die
Glücklichen, denen die Flucht gelingt, bleibt die Gefahr, während der Reise
Opfer dauernder Gewalt zu werden. Denn die Überquerung von Grenzen zwischen
Staaten und die Eindringung in ausländische Staaten setzen die Frauen höheren
Risiken aus.
Während der Flucht könnten Piraten, Banditen, Menschenhändler, Grenzwächter, Bewohner oder
andere Flüchtlinge sexuelle „Gefallen“ verlangen, die Frauen und Kinder sexuell
belästigen oder vergewaltigen, vor allem wenn sie sich alleine überlassen sind.
Auf dem Fluchtweg ist den Frauen und Mädchen oft nicht bewusst, welche Rechte
sie haben und welche Dienste ihnen bereitgestellt werden. Viele dieser Frauen
wissen nicht, wo sie sich befinden oder welche Stadt sie durchqueren müssen.
Das Fehlen von Informationen setzt diese Frauen noch mehr der Gewalt aus.
 
Probleme ereignen sich auch in den Flüchtlingslagern, in denen die örtliche Bevölkerung und die vor
Ort anwesenden Behörden, wie militärische und polizeiliche Streitkräfte und
Freiwillige, die unvorteilhafte Lage der Flüchtlingsfrauen ausnutzen könnten,
um aus den schwierigen Situationen, die sie durchleben, ihren eigenen Vorteil
zu ziehen. Die registrierten Daten der zunehmenden Anzahl der Zwangsehen unter
Minderjährigen in den Flüchtlingslagern sind allarmierend. Eine Umfrage des
UN-Menschenrechtsrates in den syrischen Flüchtlingslagern in der Türkei hat gezeigt,
dass die heiratenden Mädchen ein Durchschnittsalter zwischen 13 und 20 Jahren
aufweisen. Die meisten Mädchen heiraten noch vor dem Erwachsenenalter. NROs wie
CARE sprechen von einer Zunahme der
Kinderehen und stellen die unvermeidbare Verbindung zwischen diesen und der
Schwierigkeit, nach der Eheschließung die schulische Bildung weiterzuführen,
fest. Dazu kommt das Problem der frühzeitigen Schwangerschaften.
Viele Flüchtlingslager sind überfüllt und gewährleisten
keine Privatsphäre. Die Sicherheit ist gefärdet, vor allem wenn die Flüchtlinge
in verlassenen Gebäuden untergebracht werden. Es fehlen nicht nur Vorbeugung
und Dienstleistungen zwecks Schutz vor sexueller und gender-spezifischer
Gewalt, sondern auch die grundlegenden Anforderungen: manchmal gibt es keine
getrennten Räumlichkeiten für die Verteilung der Speisen oder getrennte
sanitäre Anlagen für Männer und Frauen, getrennte Schlafräume für
alleinstehende, schwangere Frauen und alleinerziehende Mütter und für Familien.
All diese Faktoren schaffen die Bedingungen für die Ausübung von Handlungen
körperlicher und psychischer Gewalt.
Die genaue
Zahl der Opfer von gender-spezifischer Gewalt zu ermitteln ist immer schwierig,
da viele Frauen keine Anzeige bei den Behörden erstatten. Das Netzwerk Euro
Mediterranean Human Rights Network
geht
davon aus, dass Beginn des syrischen Bürgerkrieges mehr als 6000 syrische
Frauen
sexueller Belästigung und Vergewaltigung zum Opfer fielen.
Wie können die Staaten einen besseren Schutz gewährleisten?
Im Mai dieses Jahres fand in Istanbul der humanitäre Weltgipfel statt,
der den Vertretern der verschiedenen Regierungen, internationalen
Organisationen und zivilen und Handelsorganisation eine Plattform bot, um
gemeinsam zu sprechen und sich mit aktuellen humanitären Themen
auseinanderzusetzen. Eines der Ergebnisse des Weltgipfels war die gemeinsame
Vereinbarung, sich für die Wiederherstellung der Sicherheit, Würde und Rechte
der Menschen in Krisenregionen einzusetzen und eine Art und Weise zu finden, um
Flüchtlingsmädchen und –frauen und MigrantInnnen Wert und Sicherheit zu geben.
  • Die Regierungen müssen
    mindeste Sicherheitsstandards, geschützte medizinische Strukturen und Experten
    bereitstellen, um Frauen, die psychische und körperliche Gewalt erfahren haben,
    angemessen zu unterstützen.
  • Es ist notwendig,
    vertrauliche und sichere Mechanismen umzusetzen, um die Episoden der sexuellen
    Belästigung und Ausbeutung während der Migration zurückzuverfolgen und zu
    melden. Außerdem müssen die Frauen auf der Flucht über diese Hilfsinstrumente in
    Kenntnis setzen.
  • Den zivilen Organisationen
    muss erlaubt werden, die Flüchtlinge in den Transitbereichen zu betreuen und
    mit ihnen zu arbeiten.
  • In den Flüchtlingslagern
    muss den Frauen die Möglichkeiten geboten werden, sich anzumelden und über ihre
    Rechte und die ihnen bereitgestellten Dienstleistungen informiert zu werden.
  •  Besondere Programme müssen
    ins Leben gerufen werden, um die Gefahren un Bedürfnisse junger Frauen
    aufzuarbeiten: multidisziplinäre Programme, die sichere Bereiche gewährleisten,
    die ihr Alter berücksichtigen und ihr persönliches Wachstum ermöglichen.
  • Die Staaten sollten
    Rückverfolgungssysteme und familiäre Zusammenführungen anbieten, vor allem um
    Frauen und Mädchen ohne Begleitung zu unterstützen.
  • Es ist ein Monitoring der
    in den Flüchtlingslagern ausgeführten Arbeit erforderlich, um
    Machtmissbrauchsfälle von Seiten der Mitarbeiter der Aufnahmestrukturen zu
    vermeiden.