General

Krieg und Frieden, eine Rezension von Rudolph Bauer

Von Rudolph
Bauer, Rezension zum Werk von ARMIN BERNHARD, HARALD BIERBAUM, EVA BORST, SIMON
KUNERT, MATTHIAS RIEßLAND, MANUEL RÜHLE (Hrsg.), Krieg und Frieden, Baltmannsweiler:
Schneider Verlag Hohengehren 2016 (= Kritische Pädagogik – Eingriffe und
Perspektiven, Heft 3). 204 Seiten, € 15,00


Krieg und
Frieden sind täglich auf grausame Weise präsent, trotzdem aber keine Topthemen
der Pädagogik. Umso verdienstvoller ist es, dass Verlag und Herausgebern der
Schriftenreihe „Kritische Pädagogik“ mit Heft 3 einen thematisch einschlägigen
Band herausgebracht haben. Die acht Autoren und eine Autorin setzen sich mit
der Frage auseinander, wie von Seiten der pädagogischen Profession und ihrer
Akteure mit all jenen Bedrohungen umzugehen sei, zu denen laut Editorial „nicht
‚nur’ verschärfte internationale Krisen und Konfliktlagen (gehören), sondern
auch innergesellschaftliche Konfliktpotenziale, die durch die gewaltförmige
Struktur unserer Welt- und Gesellschaftsordnung hervorgebracht werden“ (S. 7).
Einen informativen
Aufriss der weltweit herrschenden Verhältnisse skizziert Werner Ruf (Uni
Kassel), indem er – angereichert um zahlreiche Beispiele – unter dem Titel
„Kapitalismus, Neoliberalismus und neue Weltunordnung“ das Verhältnis von
Politischer Ökonomie und kollektiver Friedlosigkeit abhandelt. Daran anschließend
schreibt Klaus-Jürgen Bruder (FU Berlin) aus der Sicht eines Psychologen über
Feindbilder, ihre Bedeutung und die Bedingungen ihrer Entstehung.
Mit der Schule
als Ort der Militarisierung befassen sich die zwei folgenden Beiträge. Peter
Euler (TU Darmstadt) thematisiert in einem lesenswerten Rekurs auf den
Frankfurter Pädagogik-Professor Heinz-Joachim Heydorn (1916-1974) das
Verhältnis von institutionalisierter (Schul-)Bildung und systembedingter
Friedlosigkeit. Heydorn hat in der 1968er Umbruchzeit scharfsinnig die
Erkenntnis vertreten, „dass die Proklamation von Frieden als selbstverständliches
Ziel von Erziehung der ‚Verschleierung der Widersprüche’, nicht aber dem
Frieden dient“ (S. 92). Gegenwärtig ist es die Armee, die mit ihren
Werbefeldzügen an den Schulen um Rekruten wirbt für angebliche
„Friedensmissionen“, bei denen es sich in Wahrheit um Kriegseinsätze handelt. Lena
Sachs (PH Freiburg) berichtet anschaulich über diese Offensive der Bundeswehr
an den Schulen. Sie verweist darauf, dass es sich „im Kontext des Strebens nach
einer stärkeren Bindung zwischen Gesellschaft und Militär“ um „banale
Militarisierung“ handelt und um eine „Veralltäglichung des Militärischen im
Zivilen“ (vgl. S. 78).
Von Armin
Bernhard (Uni Duisburg-Essen) ist ein weiterer, sehr lesenwerter Aufsatz,
dessen Titel die Stoßrichtung des Beitrags umreißt: „Pädagogik gegen
gesellschaftliche Friedlosigkeit – Zur Bildungsaufgabe kritischer
Friedenspädagogik in einer ‚kannibalischen Weltordnung’“. Die Aufgabenfelder
pädagogischer Friedensarbeit beschreibt er zureffend als gesellschaftsgeschichtlich-politisch,
sozialpsychologisch und radikal-medienkritisch. Der nachfolgende Aufsatz von
Klaus Ahlheim (ebenfalls Uni Duisburg-Essen) lenkt den Blick zurück auf die bildungspolitischen
Diskurse, die mit den Namen Adorno und Hellmut Becker verknüpft waren.
Rhetorisch endet der Beitrag mit der Frage, „ob wir den pädagogischen Weg zur
Entbarbarisierung wirklich gefunden haben“ (S. 145).
Wie eine
ernüchternde Antwort hierauf liest sich der mit Nationalismus, Rassismus und Neofaschismus
befasste Beitrag von Wolfgang Veiglhuber. Der Autor der in der gewerkschaftlichen
Bildungsarbeit tätig und konzipiert mit seinem Aufsatz „Frontlinien
antirassistischer Bildungsarbeit“. Unzweideutig formuliert er am Ende seines
Beitrags die Erkenntnis: „Der entscheidende Ansatzpunkt im Kampf gegen Rechts
ist die grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer
staatlichen Verfasstheit.“ (S. 162).
Der Band „Krieg
und Frieden“ endet mit einer Aufzählung von Zivilklausel-Bemühungen an den
bundesrepublikanischen Hochschulen und Universitäten, verfasst von Reiner Braun
und Lucas Wirl (beide aktiv in der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative
Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit). Angefügt ist dem Band in
einem dokumentarischen Teil noch eine Pressemitteilung vom Bundesausschuss
Friedensratschlag und ein Text der Initiative Antikriegskonferenz.