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P steht für Palästina: Warum ein Kinderbuch die Zionisten den Kopf verlieren lässt

Von Steven Salaita, Mondoweiss, 1. Dezember 2017, deutsche Übersetzung von Karin Nebauer, TlaxcalaIn dieser Zeit der nuklearen Proliferation, der Polizeibrutalität, des wieder erstehenden Nazismus und einer sprachlos machenden Ungleichheit haben es die Zionisten geschafft, den wahren Feind zu entdecken: ein Kinderbuch. 





Der erzürnende Titel: P steht für Palästina, wurde kürzlich von Goldbarg Bashi und Golrokh Nafisi nach einer langen Crowfunding-Kampagne veröffentlicht. Die Zionisten haben reagiert als handle es sich um die Hamas-Charta.

Meine Frau und ich haben das Buch für unseren 5-jährigen Sohn gekauft. Es war eine logische Anschaffung. Zwei seiner Großeltern sind schließlich Palästinenser. Das Kind war nicht besonders begeistert von dem Buch, aber er liebt es. Ich fühle ebenso. Der Text ist eine Bestandsaufnahme kultureller und geografischer Objekte in alphabetischer Ordnung, eingebettet in (oft schöne) Illustrationen. Es ist voll mit einer romantisierten kulturellen Bildwelt, man braucht etwa 5 Minuten, um es zu lesen.
Mit anderen Worten, es ist ein typisches Kinderbuch. Der einzige Unterschied zu den zahlreichen Kinderbüchern auf dem Markt der “Vielfalt” ist, dass das fremde Land, das es verzaubert darstellt, Palästina ist. Daher ist es eo ipso für professionelle zionistische Organisationen nicht tolerierbar. Wir können das letzte Wiederauftauchen der zionistischen Angst nur einer erhöhten Unruhe wegen der deutlichen Verschlechterung des globalen Prestiges von Israel zuschreiben, die durch die wachsende BDS-Bewegung befördert wird. Es hilft die überreizte Reaktion auf ein politisches Dokument, das in Pastellfarben verfasst ist, zu erklären.
Aber da ist mehr dahinter. Etwas von P steht für Palästina hat einen Nerv getroffen. Wann wird über ein Kinderbuch in der New York Post (sogar auf “Seite sechs”), im Forward, in Haaretz, in den New York Daily News und bei Breitbart berichtet? Immer, wenn sich die Unterstützer Israels aufregen, sind eine Menge Publikationen glücklich ihre Klagen ausbreiten zu können. Dass die Empörung unmittelbar nach der Veröffentlichung des Buches begann, illustriert, wie schlagartig Palästina einen Nachrichtenzyklus in den Vereinigten Staaten schaffen oder verändern kann.
Aber etwas an diesem Schachzug scheint ein bisschen extremer, vor allem wenn ein Cartoon zu Palästina eine todernste Auswirkung hervorrufen kann. Das hat wahrscheinlich mit der Natur der Sache zu tun. Kinderbücher sind nicht nur wertvolle Unterhaltung; wir stellen uns vor, dass sie Kanäle für die Vermittlung bestimmter Werte sind. Seit der dramatisch irrigen Vorhersage von David Ben Gurion, dass künftige Generationen palästinensischer Kinder die Nakba vergessen würden, ist Unterrichten und Lernen über Palästina für Zionisten ein wunder Punkt geworden (man schaue nur, wie es dem Thema in höheren Schulen und Universitäten ergeht).
Mit einfachen Worten: nichts bedroht Israel mehr als das Überleben der palästinensischen Identität über Generationen, und das ist genau das, was P steht für Palästina erreichen möchte. Zionisten lehnen nicht den Inhalt ab; sie kämpfen gegen seine bloße Existenz als Dokument des historischen Gedächtnisses an. Zionisten drücken beständig ihre Verachtung für Palästinenser aus, die sich weigern Israel als rechtsgültig anzuerkennen. Sogar Kufiyeh und Falafel in Karikaturen werden zur existenziellen Bedrohung.
P steht für Palästina offenbart etwas, was Zionisten fürchten, aber nicht kontrollieren können: von Santiago bis Toronto, Athen bis Oslo, Abu Dhabi bis Aleppo fahren Palästinenser fort, den Anspruch auf ihr angestammtes Land zu behaupten und es zu ehren. Zionisten wissen, dass das geschieht, und können nichts tun, um das zu stoppen. Das Buch bietet augenscheinlich ein Angriffsziel für ihre existenziellen Bedrohungsängste.
Israel erfreut sich eines zerstörerischen Militärs, einer immer weiter wachsenden Land-Basis und einer hochentwickelten Wirtschaft, ist aber von einer erstaunlich fragilen Psyche geplagt. Es gibt keinen anderen Grund dafür, dass seine Anhänger wegen eines Kinderbuchs im Selbstverlag durchdrehen. Umfragen zeigen immer wieder, dass die Verbundenheit der US-amerikanischen Juden, besonders der jungen Leute, mit Israel im Abnehmen begriffen ist. Indessen sind die Palästinenser vereint in ihrem Wunsch ihr Heimatland zurückzugewinnen.
Auch sollten wir nicht die Zielgruppe übersehen, für die P steht für Palästina bestimmt ist. 70 Jahre lang hat sich Israel das unermessliche Elend der palästinensischen Kinder angesehen. Der Wunsch des Staates nach ethnischer Reinheit hat den Begriff der Kindheit in der Vorstellung der Mehrheit politisiert. Das Buch hat vermutlich palästinensische Kids zu einem Typ politischer Geschöpfe gemacht, die Zionisten verpflichtet sind zu hassen. Nationalstaaten sind dünnhäutig. Der Status von Indigenen nicht. Er meldet sich ständig selbst bei den Kräften, die seine Zerstörung suchen und verleiht sich selbst unaufhörlich die Macht zu zerstören – und zwar ohne Waffen und ohne Irreführung, sondern mit der einfachen Zeitlosigkeit des Daseins.
P steht auch für Paranoia. Insoweit der politische Fetisch von jemandem verlangt, dass die Palästinenser kapitulieren oder verschwinden, ist die Voraussetzung dafür perfekt begründet.

M steht für Miftah, Schlüssel (Symbol der Rückkehr in die Heimat)