Das Kreuz mit dem Kreuz und den gemeinsamen Werten
Es ist dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx zu danken, dass er nicht zu „Kreuze kriecht“ vor CSU-Politikern, die das Kreuz missbrauchen, um einen schäbigen Wahlkampf in Bayern zu gewinnen. Kardinal Marx kritisierte die Aktion des bayerischen Ministerpräsidenten Söder, eine „Kreuzpflicht“ für staatliche Behörden einzuführen: „Das Kreuz lässt sich nicht verordnen“. Diese Verordnung bringe nur „Spaltung, Unruhe sowie ein Gegeneinander“. Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen werde, dann werde es im Namen des Staates enteignet. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford Strohm, betonte, dass das Kreuz „ein religiöses Symbol“ sei. Wer das Christentum vereinnahme, nur um die eigenen Ziele zu legitimieren, der habe das Kreuz nicht verstanden, so Bedford-Strohm. (1)
Das hatten beide Kirchenvertreter verstanden, als sie 2016 das Kreuz während ihres Besuchs auf dem Haram-al-Sharif in der Al-Aksa Moschee und an der jüdischen Klagemauer ablegten. Schon damals war es Bedford-Strohm zu danken, dass er nach massiver Kritik in Deutschland darauf hinwies, sich nicht für einen Kulturkampf missbrauchen zu lassen und kritisierte die mediale Berichterstattung, in der nicht erwähnt wurde, dass er das Kreuz auch an der Klagemauer nicht getragen hatte. „Man inszeniert einen Kulturkampf mit dieser Sache, um zu zeigen, dass der Islam intolerant sei. Warum wurde in den Medien nicht darauf hingewiesen, dass beide Religionsvertreter darum gebeten hatten, das Kreuz nicht zu tragen, um nicht zu provozieren. (2)
Kulturkampf gegen Muslime und den Islam
Heute im Jahr 2018 erleben wir tatsächlich einen Kulturkampf, der sich speziell gegen Muslime und den Islam richtet. Die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit wird durch das Aufhängen der Kreuze in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Gerichten hintergangen. Schließlich handelt es sich hier um staatliche Institutionen, die als Bollwerk gegen eine Vereinnahmung durch die Religion „kreuzfrei“ bleiben sollten. (3)
Ist ein Gottesbezug wie in der Präambel des Grundgesetzes noch zeitgemäß? Entspricht er noch den Voraussetzungen, die ein heutiges friedliches Miteinander der Gesellschaft garantiert? Warum muss sich im Grundgesetz auf Gott bezogen werden? Ist der Satz „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“. Warum also dieser Gottesbezug im Grundgesetz, der zur Ausgrenzung von Nichtgläubigen beiträgt? Ich denke nur an die Ökumenischen Gottesdienste vor Parteitagen oder offiziellen staatlichen Veranstaltungen. Ausgegrenzte gibt es dann immer, und das kann bestimmt nicht im Sinn der Verfassungsväter sein. Reicht nicht der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, um alles abzudecken, was unsere Weltanschauung und unser Zusammenleben demokratisch gestaltet?
Allerdings finde ich es unerträglich, wenn sich Politiker oder Medien dazu verpflichtet fühlen, diesen einfachen und unteilbaren Satz für sich und das Christentum zu vereinnahmen. Was bedeutet ein „christlich“ oder „christlich-jüdisch“ (vor 1945 doch gar nicht existent) geprägtes Land? Was bedeutet „christliche Identität“ – oder wie es Kanzlerin Merkel einmal ausdrückte – das „christliche Menschenbild“, ohne das man nichts in der CDU verloren hat. Was haben solche Ausdrücke noch mit der friedlichen Koexistenz zu tun. Stehen sie nicht dem Neutralitätsgesetz entgegen? (4)
Es ist an der Zeit, sich gegen die Instrumentalisierung des Kreuzes, des Davidsterns und der Kippa zu wenden. Was sich am letzten Donnerstag in der vom Zentralrat der Juden und seinem Präsidenten Schuster entfachten Antisemitismus-Hysterie als konzertierte Ablenkungskampagne abspielte, war ein schlimmes Beispiel dafür, wie die Israel-Lobby es schafft, im Zusammenspiel mit führenden Medien die Öffentlichkeit in die Irre zu führen und zu manipulieren. Was für ein Schwachsinn, Kippa zu tragen, um gegen vermeintlichen Antisemitismus zu demonstrieren und sich mit der sich bedroht fühlenden jüdischen Gemeinschaft zu solidarisieren. Sofort waren führende Berliner Politiker – vom Regierenden Bürgermeister Müller bis hin zum grünen Erdogan- und Ditib-Dämonisierer Özdemir – dabei, um sich zu produzieren. (5)(6)
„Der jüdische Staat“ in seiner Rolle als „auserwählte“ Opfergruppe
Es war ein Paradebeispiel dafür, wie Kampagnen in kürzester Zeit inszeniert werden. Der neue Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Klein, der es meisterhaft versteht, schon vor Amtsantritt den Antisemitismus in den Vordergrund zu bringen, wo es doch weitaus brennendere Probleme wie Anschläge gegen Moscheen, Flüchtlingsheime und Islam-Hass gibt. Dafür hätte es aber einen Rassismusbeauftragten gebraucht, der sich allerdings mit dem gesamten Hass-Spektrum beschäftigen müsste. Natürlich ist das nicht gewollt von jüdischen Institutionen, die nur ein Anliegen haben: nämlich ihr „einzigartiges“ Leid als „auserwählte“ Opfergruppe zu betonen. (7)
Wenn die AfD eine Kampagne startet, wird sie vom Zentralrat der Juden beklatscht und die Forderung der Ausweisung „muslimischer Antisemiten“ unterstützt. Wenn dann auch noch FDP-Generalsekretärin Beer und der Junge-Union-Vorsitzende und CDU-Mitglied und MdB Paul Ziemiak in der „Springernden Bild“ eine Ausweisung von „muslimischen Antisemiten“ fordern, die „Antisemitismus“ als Abschiebungsgrund sehen, dann ist das Maß voll und erinnert mich sehr an braune Zeiten! Wehret den Anfängen! (8)(9)(10)
Eine positive Reaktion war die des Berliner Antisemitismusforschers Wolfgang Benz, der davor warnte, den Antisemitismus in Deutschland zu übertrieben darzustellen. „Die Wissenschaft sagt, dass es keinen Anstieg gibt“ und es gäbe auch keinen „neuen“ Antisemitismus in Deutschland. „Es ist der alte Bodensatz in der Gesellschaft“. In Hinsicht auf die muslimischen Flüchtlinge sagte Benz in dem BR-Interview: „Es ist schrecklich einfach, vom hausgemachten deutschen Antisemitismus abzulenken, indem man mit dem Finger auf andere zeigt“. (12)
Genau darauf verstehen sich die Israel-Lobby und ihre jüdischen Vertreter, Funktionäre. Wer spricht noch über die Massaker in Gaza oder israelische Luftangriffe auf souveräne Staaten, wo es doch den Antisemitismus gibt. (13)
Verdrehung von Tatsachen
Die F.A.Z. veröffentliche am 30. April ein Interview mit der rechtsextremen israelischen Justizministerin Ayeled Shaked, in dem sie – vom Interviewer fast ungestört – ihren Propagandaunwahrheiten freien Lauf lassen konnte. Auf die Frage, ob sie den Einsatz von Scharfschützen an der Grenze zu Gaza, in der Form, wie es bisher geschehen war, für gerechtfertigt findet, antwortete Shaked, es gebe keine Rechtfertigung für Terror, und lenkte auf die Hamas ab, die Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutze. Es war ein Beispiel für die Verdrehung von Tatsachen wie schon so oft zuvor. (14) Hierzu auch die aktuelle Stellungnahme zu Gaza von Amnesty International (15)
Da kann man sich vorstellen, warum Kriegsminister Lieberman eine unabhängige Untersuchung ablehnt. Wo Scharfschützen gezielt palästinensische Journalisten im Visier haben und es Verletzungen gibt, die mit denen vom Gaza-Völkermord von 2014 vergleichbar sind. Tatsächlich erleben wir jetzt, wie Stimmung gemacht wird, um von eigentlichen Problemen abzulenken. Es werden momentan im abgeriegelten Gaza unschuldige Palästinenser ermordet. Es sind schon mehr als 44 Ermordete und etwa 6500 schwer Verletzte zu beklagen, allerdings ist mit täglich steigenden Zahlen zu rechnen. (16)(17)(18)
Dessen ungeachtet hat der Deutsche Bundestag und Politiker nichts anderes zu tun, als über das „nicht verhandelbare Existenzrecht des Jüdischen Staates“ zu debattieren und die Staatsgründung vor 70 Jahren auf Kosten der Palästinenser zu feiern. Allerdings unterschlug man in dieser unglaublichen Bundestagsjubelveranstaltung für den „Jüdischen Staat“ jeglichen Hinweis auf die illegale Besatzung und Besiedlung, den Landraub sowie auf die Nakba, die Katastrophe der Palästinenser, durch deren Vertreibung der „Jüdische Staat“ entstand.
Allzeit bereit, andere souveräne Staaten zu überfallen
Es ist also erneut die Frage zu stellen: wie kann der Bundestag, quer durch alle Parteien, dieses „unverhandelbare“ Existenzrecht propagieren und die deutsche Staatsräson für die Sicherheit des „Jüdischen Staates“ anpreisen? Aber versäumen, sich den wirklichen Konsequenzen zu stellen, die auf uns zukommen könnten? Denn sollte es zum Ernstfall kommen, wie demnächst zu befürchten, könnten deutsche Soldaten auf die „moralischste“ aller „Verteidigungs“Armeen treffen. Schließlich ist dieser „Jüdische Staat“ ohne Verfassung und Grenzen allzeit bereit, andere souveräne Staaten zu überfallen. Auch deutet alles darauf hin, dass Israel einen Krieg mit Iran beginnen will und wird. Israel tut alles dafür, Iran zu dämonisieren und Trump zu überzeugen, grünes Licht für einen Feldzug zu geben. Es laufen schon die Vorbereitungen, wenn man auf die Signale hört, die nur allzu gut an die Fake-Propaganda erinnert, die zum Irakkrieg führte. Wir alle sind Zeugen dafür, wie Netanjahu schamlos den Colin Powell gibt! (19)(20)
Als ich die Fernsehübertragung dieser schändlichen Bundestagssitzung sah, war mir eigentlich klar, dass in Deutschland endgültig Hopfen und Malz verloren ist, wenn es um den „Jüdischen Staat“ geht. Schon 2010 veröffentlichte ich einen Kommentar mit dem Titel: „Die Schleimspur der Unterwürfigkeit zieht sich durch alle Parteien“. Inzwischen sind acht Jahre vergangen, und sie ist mittlerweile zu einem Tsunami von philosemitischem Schleim angeschwollen. (21)
Schon als ich bei einigen Abgeordneten die Schleife als „Zeichen der Freundschaft“ am Revers sah und einzelne Kippa-Träger, da konnte man die Tendenz schon erahnen. Wie sehr hätte ich mir ein Palästinensertuch im Bundestag gewünscht. Was mit dem Gerangel um den gemeinsamen Beschluss begann und mit breiter Mehrheit der Union, SPD, AFD(!), FDP und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken beschlossen wurde, war ein willfähriger „Liebesbeweis“ für den „Jüdischen Staat“: Darin wird die Bundesregierung – ungeachtet der illegalen Besatzung und Missachtung des Völkerrechts – aufgefordert, die „herausragenden Beziehungen und politischen Verbindungen zwischen Deutschland und Israel weiter zu erhalten, zu vertiefen, auszubauen und zu fördern“ und für die Existenz und die legitimen „Sicherheitsinteressen“ dieses Besatzerstaates Israel aktiv einzutreten. Das wiedererstandene jüdische Leben solle sie schützen und fördern, Antisemitismus mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats entgegentreten. (22)(23)
Schwarzer Tag für die Menschenrechte und das Völkerrecht
Es war ein philosemitisches Trauerspiel aller Parteien auf Kosten der seit Jahrzehnten unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser und der Muslime mit Darstellern wie SPD-Nahles, CDU-Kauder, FDP-Graf-Lambsdorff, dem Linken Bartsch bis zu AfD-Storch und -Gauland und der Fraktionslosen Frauke „Petri-Heil“, die sich ganz besonders ekelhaft und devot für das „auserwählte Volk“ ins Zeug legte, und ihnen zugestand, in Judäa und Samaria – also dem besetzten Westjordanland – zu siedeln. Es war ein schwarzer Tag für die Menschenrechte und das Völkerrecht. Wenn es um den „Jüdischen Staat“ geht, sind diese kein Thema im Bundestag. Immer ist es das „kleine, von Feinden umzingelte Land, das nichts will, als in Frieden leben und nur in Selbstverteidigung handelt.
So ist es das Kreuz mit dem Kreuz und den gemeinsamen Werten. Vergessen wir nie: die Würde des Menschen ist unantastbar. Und das gleiche gilt auch für unsere Werte, die nicht auf christlichen, jüdischen oder muslimischen beruhen sollten, sondern auf denen des Respekts und der Toleranz ohne jede Instrumentalisierung des Kreuzes, des Davidsterns und der Kippa!
Fussnoten: