USA: Pazifisten und Atomwaffengegner kommen wegen eines gewaltfreien Protestes in ein Bundesgefängnis
Von Elise Swain, Intercept, 16. November 202o. Deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik. Die engagiertesten Friedensaktivisten, von denen Sie je gehört haben, werden während der tödlichen Pandemie ins Bundesgefängnis gebracht.
Carmen Trotta
Jedes Wochenende, während man in East Village in New York die Tische für den Brunch auf den Bürgersteig stellt, organisiert der Aktivist Carmen Trotta eine Mahnwache im Tompkins Square Park, um den Rückzug der USA aus dem Krieg gegen den Jemen zu fordern. Nach wenigen Samstagmorgen kommt Carmen zusammen mit anderen Aktivisten von Plowshares, der christlich-pazifistischen Bewegung der Atomwaffengegner, ins Bundesgefängnis. Trotz der tödlichen Pandemie, welche die Gefängnisbevölkerung heimgesucht hat, werden Trotta, Martha Hennessy, Clare Grady und Patrick O’Neill die nächsten Monate wegen Aktivismus gegen ein mutmaßliches Atomwaffenlager im Gefängnis verbringen.
Vor mehr als zwei Jahren brachen Trotta und Hennessy, zwei von sieben Aktivisten, die als Kings Bay Plowshares Seven bekannt sind, friedlich in den Marinestützpunkt in Brunswick, Georgia, ein und setzen ihr Leben auf Spiel, um gegen das mutmaßlich darin untergebrachte Atomarsenal zu protestieren. Die Aktivisten, die nur mit Blutfläschchen mit ihrem eigenen Blut, mit Hämmern, GoPro-Kameras, Sprühfarbe, Protestbannern und dem Buch des Whistleblowers Daniel Ellsberg bewaffnet waren, versuchten symbolisch, die Atomwaffen der Trident-U-Boote im Stützpunkt zu entwaffnen.
Der Aktivist von Plowshares Carmen Trotta (in der Mitte) leitet am 14. November 2020 eine Mahnwache zur Beendigung des Krieges und der humanitären Krise im Jemen im Tompkins Square Park in New York City. Foto: Elise Swain/The Intercept
Die gewaltfreie direkte Aktion fand am 50. Jahrestag der Ermordung von Martin Luther King Jr. statt. Weit entfernt von den wichtigsten Medienberichten wurden alle Aktivisten bis auf einen wegen ihres auf ihren Glauben gestützten Kampfes gegen die US-Regierung und ihren „unmoralischen“ Besitz von Atomwaffen stillschweigend verurteilt. Den Aktivisten wurden drei Vergehen – Verschwörung, Zerstörung von Staatseigentum und Plünderung – und Hausfriedensbruch vorgeworfen.
Die Verurteilung – die darin bestand, ältere Aktivisten inmitten der Coronavirus-Pandemie in die Bundesgefängnisse zu bringen – passt perfekt in die lange Geschichte der US-Regierung, die Keule des Strafrechts gegen Menschen mit Gewissen zu schwingen, die es wagen, eine andere Meinung zu vertreten. Die Beschleunigung der harten von Präsident Donald Trump befürworteten Verurteilungen gegen die Demonstranten hat eine kritische Medienaufmerksamkeit erregt.
Die Aktivistin von Plowshares und Mitglied der Katholischen Arbeiterbewegung Martha Hennessy wurde am 14. November 2020 im Mary House in New York City fotografiert. Foto: Elise Swain/ The Intercept
Aktivisten wie die der Gemeinschaft von Plowshares, deren Proteste weniger Beachtung finden, sind das Opfer eines überparteilichen Konsens über harte Razzien im Zusammenhang mit direkten Maßnahmen gegen die sogenannte Verteidigungspolitik. Unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Sicherheit werden die Verfolgungen von Persönlichkeiten wie Chelsea Manning, Daniel Everette Hale oder Reality Winner polarisiert oder erregen, falls man sie überhaupt wahrnimmt, keinen öffentlichen Zorn.
Dies war letzte Woche der Fall, als nur wenige die letzten Urteile gegen die Aktivisten von Plowshares wahrnahmen. Trotta, 58; Hennessy, 65; zusammen mit Grady, 62, wurden von Richterin Lisa Godbey Wood in einzelnen virtuellen Gerichtsverhandlungen verurteilt. Trotta wurde zu 14 Monaten, Grady zu 12 Monaten und einen Tag und Hennessy zu 10 Monaten verurteilt; alle wurden zu Schadenersatzzahlungen verurteilt und erhielten Jahre unter Bewährung. Als sich Fälle von Covid-19 in Georgia verbreiteten, stimmten die Angeklagten widerwillig zu, dass ein Urteil gegen sie erlassen werden sollte, ohne dass sie persönlich bei der Verhandlung erschienen. Nur das Urteil gegen Mark Colville, 59, steht noch aus. Colville weigert sich wegen des Coronavirus nach Georgia zu reisen und will nicht auf sein verfassungsmäßiges Recht auf eine Verurteilung in physischer Anwesenheit vor Gericht verzichten.
Aufzeigen der Notlagen Anderer
Das Gefängnis ist eine barbarische Strafe. Die Möglichkeit, hier zu sterben oder schwer an Covid-19 zu erkranken, hat die Inhaftierung nur noch brutaler gemacht. Die USA haben erst letzte Woche [Anfang November 2020] 11 Millionen Fälle von Coronavirus und die Behörden handhaben die Eindämmung der Pandemie in Gefängnissen sehr schlecht.
Diese Aktivisten akzeptierten jedoch die Länge der Strafen mit Anmut und Mitgefühl für die weniger Glücklichen. „Ich hoffe, dass ich mit der Zeit, die mir gegeben wurde, nur kurz dort sein werde und dann hoffentlich entweder in ein Rehabilitationszentrum oder unter Hausarrest komme“, sagte Hennessy zu The Intercept – obwohl auch die Rehabilitationszentren von tödlichen Coronavirus-Ausbrüchen betroffen sind. „Aber es gibt Millionen inhaftierte Menschen, die sich mit Covid-19 infizieren und im Strafvollzugssystem ableben“, fügte sie hinzu. „Neunzig Prozent der Gefangenen sind Menschen, die mit Gewalt, Trauma, Armut, Sucht, Vernachlässigung und Missbrauch in der Kindheit zu tun haben – und diese Menschen behandeln wir so?“
Die Urteilsverkündungen versetzten die Aktivisten in die Lage, das Gericht so anzusprechen, wie es bei ihrer Verhandlung im vergangenen Jahr nicht möglich gewesen war. „Ich sehe die Verurteilung in einem gewissen Sinne als einen Sieg“, meinte Hennessy. „Die Richterin und der Staatsanwalt mussten sich einige wesentliche Dinge anhören, die wir während der Verhandlung nicht unbedingt aussprechen durften.“
Am Donnerstag legte Trotta während einer feurigen Urteilsverkündungsrede dar, wie jede ihrer früheren Verhaftungen „eine Reaktion auf ein US-amerikanisches Kriegsverbrechen“ gewesen sei. In einer starken Ermahnung der von den USA im Ausland begangenen Gewalt äußerte sich Trotta dem Gericht gegenüber wie folgt: „[Ich] bin der festen Überzeugung, dass unser Land dringend viel mehr Widerstand gegen seine laufende Außenpolitik braucht. Denn diese stellt eine Bedrohung für den gesamten Planeten dar. Und dies hat nicht nur mit den Atomwaffen zu tun, sondern ganz einfach mit dem andauernden Krieg.“
„Der Trident von Kings Bay tötet und fügt in meinem Namen Schaden zu“, teilte Grady dem Richter mit. „Um es ganz klar zu sagen: Diese Waffen sind kein Privateigentum, sondern gehören dem Volk der Vereinigten Staaten. Sie gehören mir, dir, uns.“
Rechtsanwalt Matthew Daloisio, der Koordinator des Rechtsteams der Kings Bay Plowshares Seven, ist der Ansicht, dass die Angeklagten ausreichend bestraft wurden, und warnt, dass einige der Angeklagten unter Vorerkrankungen leiden, die sie anfälliger dafür machen, ernsthafte Schäden durch die Pandemie zu erleiden. Er stellt auch die Tatsache in Frage, dass gegen Aktivisten Haftstrafen verhängt werden.
„Es sollte nicht sein, dass das Gericht versucht, die Menschen davon abzuhalten, nach ihren aufrichtigen religiösen Überzeugungen zu handeln“, behauptete Daloisio gegenüber The Intercept. „In Bezug auf die angebliche Rehabilitierung durch das Gefängnis denke ich, dass sich alle darüber einig sind, dass es keine Rede von Rehabilitierung für Menschen geben kann, deren Einstellung es ist, dass Menschen das Recht haben, ohne die Gefahr der atomaren Zerstörung und der Zerstörung des gesamten Planeten zu leben.“