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Warum sprechen wir nicht von Plutokratie statt von Oligarchie?

Von Milena Rampoldi, ProMosaik, 18. Mai 2020. In
diesen Wochen kommen immer mehr Stimmen von Menschen auf, die Widerstand
leisten, die den Lockdown durchschauen, die verstehen, worum es eigentlich
geht. Dass wir uns schon lange nicht mehr auf dem Gebiet der Medizin und
Virologie befinden, ist fast allen Menschen klar, die darüber nachdenken,
hinter die Kulissen blicken und eine ausreichende Menge an Skepsis gegenüber
den Mainstreammedien haben.


„Die
Geschichte wiederholt sich: Die Raubritter des Mittelalters und die Raubritter
von heute“. Karikatur von Samuel Ehrhardt, USA, 1889

Immer mehr Menschen erkennen, dass sie von
den Mainstreammedien manipuliert werden, dass Angst in der Bevölkerung geschürt
wird, dass der Staat diese Maßnahmen ergreift, um eine widerstandslose Herde zu
gestalten und dass über den Staaten einige Superreiche stehen, die das Virus
nutzen, um noch mehr Kapitalkonzentration von Unten nach Oben zu erzielen.

Sehr oft stoße ich in den alternativen
Medien und in den Artikeln der Kritiker der Coronamaßnahmen, welche einen Bezug
zwischen Corona und neoliberaler Wirtschaftsgestaltung erkennen, auf den
Begriff der Oligarchie, wenn es um die Kritik der Einschränkungen der
bürgerlichen Freiheiten durch die sogenannten Notfallmaßnahmen geht, die trotz
aller rationalen Widersprüche weiterverfolgt werden.
Der Begriff Oligarchie ist sehr bekannt
und in Aller Munde. Er geht schon auf die platonische Staatslehre zurück. Er
meint eine Gruppe von Menschen, die den Staat regieren. Es sind die „Wenigen“,
die die gesamte Macht über den Staat in der Hand haben. Das war im Alten
Griechenland schon so und gilt bis heute in fast allen Regierungsformen, denn
wahre demokratische Regierungsformen, in denen alle die Gesellschaft und
Politik von Unten mitgestalten, bleiben eine Utopie.

Aber die Zustände, die wir 2020 sehen, gab
es noch nie. Ich finde, der Begriff Oligarchie ist einfach unzureichend, um die
Kapitalflucht von Unten nach Oben und die Konzentration des Vermögens von Unten
nach Oben oberhalb der Staatsgebilde zu erklären, die wie der Historiker Eric
Hobsbawm so schön sagte, von den Konzernen kontrolliert werden.
Die Tatsache, dass der Mensch heutzutage
immer weniger durch Arbeit Geld verdient und das „Geld-macht-Geld“-Prinzip im
Hintergrund immer mehr dazu führt, die Ungleichheit zwischen Menschen global zu
verschärfen, ist durch eine „Herrschaft der Wenigen“ nicht mehr zu erklären.
Denn es geht 2020 nicht mehr um Oligarchie und auch nicht mehr um Staaten, die
durch die „Wenigen“ gesteuert und regiert werden.

Es geht hingegen um Kapital, um Geld, um
Zinsen, um Gewinne, um Erlöse, um Vermögen – und das ist nicht mehr elitäres
„Herrschen“ der „Wenigen“ über die Masse der Benachteiligten, sondern die
Herrschaft des Kapitals an sich als Masse angehäuften Reichtums auf Kosten
anderer. Daher schlage ich vor, das Erklärungsmuster der Oligarchie mal durch
das der Plutokratie zu ersetzen, wobei aber anzuführen ist, dass der Begriff
vorab entnazifiziert werden muss. Denn Plutokratie ist ein Begriff, der
unbedingt wieder neutral sein muss, um das zu bezeichnen, was er auch
bezeichnet, und zwar eine besondere Form der Oligarchie, die aber nicht mit
sozialer Stellung, sondern mit Reichtum im Sinne von Kapital zu tun hat.

Auch dieser Begriff kommt aus dem
Griechischen und meint die Herrschaft des Reichtums, d.h. des Kapitals, wenn
man es in einem marxistischen Rahmen interpretiert. Hier regiert nicht eine
kleine Anzahl von Menschen über Andere, sondern es regiert das Kapital dieser
Menschen über die anderen.
Das macht den großen Unterschied zwischen
der Oligarchie und der Plutokratie.
Die Überwindung der Oligarchie scheint
eine politische Lösung erforderlich zu machen, während ich der Meinung bin,
dass die Lösung hier in der materiellen Gestaltung der Wirtschaftsform ansetzen
muss. Umverteilung, gerechte Verteilung des Kapitals, Abstieg des Kapitals von
Oben nach Unten, Aufwertung der Arbeit als Form der Kapitalanhäufung, Abwertung
der Renditen, die nicht durch Arbeit erwirtschaftet werden. Das macht das Ganze
viel weniger philosophisch. Es wird nur mehr auf die materiellen Zustände
fokussiert. Die Lösung erscheint dann auch viel klarer und gleichzeitig viel
radikaler, kompromissloser und nuancenfreier.

Plutokratie ermöglicht die umgehende,
sofortige und einleuchtende Kritik an der Herrschaft des Kapitals, ohne zuvor
an die Entelitisierung der Politik zu denken. Es geht nicht um die Erweiterung
der Herrschaft von den Wenigen auf das Volk, nein. Es geht um die Überwindung
der Herrschaft des Geldes- es geht somit nicht um Bill Gates, um das Ehepaar
Springer oder um Zuckerberg, sondern um das anonyme Kapital, das nach Unten
verteilt werden muss, und dies unabhängig davon, in welchen Händen es sich
befindet, d.h. Oligarchen-unabhängig.

Der Paradigmenwechsel gestaltet sich somit
nach dem Motto: Weg von der Plutokratie hin zum Sozialismus im
materialistischen Sinne des Wortes als Umlenkung des Kapitals von Oben nach
Unten. Ob das dann eine Demokratie werden kann, kann ich Ihnen nicht sagen, da
sich zu viel Demokratie nennt, ohne eine zu sein. Aber die gerechte Verteilung
des Vermögens auf globaler Ebene ist mit Sicherheit eine Vorstufe zur
Demokratie im politischen, kulturellen, medientechnischen und philosophischen
Sinne des Wortes.