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Annette Groth – Krisenmanagement, Antisemitismuskeule und Palästinafrage

Von Milena Rampoldi, ProMosaik, 5. Dezember 2020.

Anbei mein Interview zu verschiedenen Fragen mit Annette Groth. Vor allem geht es
hierbei um Diskriminierung, Ausschaltung Andersdenkender und die
Palästinafrage, die wohl eher als Israelfrage zu gelten hat. Sehr interessant
ist auch die Initiative Unlearning Zionism, die nichts Neues ist, aber
irgendwie doch….



Wie stark ist die Antisemitismusvorwurfswaffe in
Deutschland heute immer noch?
 

Erschreckend stark! Schon kleine Kritische Äußerungen mit
Bezug auf Menschenrechtsverletzungen oder auch vorsichtiges Hinterfragen der israelischen
Positionen wird mit der Antisemitismuskeule bestraft. Aus lauter Angst vor dem
Antisemitismusvorwurf schweigt die Mehrheit der Deutschen, einschließlich der
meisten „Linken“, zu den gravierenden Menschenrechtsverletzungen durch
israelische SiedlerInnen und/oder SoldatInnen. In den letzten Monaten sind so
viele palästinensische Häuser und Olivenbäume zerstört worden wie nie zuvor.
Auch die Zahl der absichtlich verletzten PalästinenserInnen ist außergewöhnlich
hoch!

Anfang November haben die israelischen Behörden das Dorf
Khirbet Hamsa al-Foqa im besetzten Westjordanland abgerissen. Daphne Banai,
eine Aktivistin, die verschiedene NGOs im Westjordanland koordiniert,
berichtet: „Zehn Minuten! Zehn Minuten wurden den Bewohner*innen von Khirbet
Hamsa al-Foqa gegeben, um ihr Hab und Gut zu sammeln, bevor die israelische
Besatzungswalze alles zerstörte. Das wenige Hab und Gut der Bewohner wurde
zerstampft und zermalmt, denn es blieb nicht genügend Zeit, um es in Sicherheit
zu bringen. 75 Erwachsene und 43 Kinder standen am Dienstag bei Sonnenuntergang
mitten in der Wüste und wussten nicht mehr wohin. All ihre Utensilien – Zelte,
die Blechbaracke, der Schafstall, Solarpaneele und die elektrische Einrichtung,
Matratzen, Decken, Küchenzubehör – über alles fuhren die Besatzer grausam
hinweg. Ich bin seit vielen Jahren im westlichen Jordantal aktiv – doch
Zerstörung von solchem Ausmaß habe ich noch nicht gesehen.“ https://www.juedische-stimme.de/2020/11/12/stellungnahme-zur-zerstorung-des-dorfes-khirbet-hamsa-al-foqa/

„Dies war die größte Anzahl von Unterkünften, die seit 2016
von den israelischen Streitkräften in einer einzigen Abrissaktion zerstört
wurden, und die größte Anzahl von Menschen, die seit 2010 dabei obdachlos wurden“,
kommentierte das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern
in ihrer wöchentlichen Kolumne BIP Aktuell 146.
https://bibjetzt.wordpress.com/2020/11/14/bip-aktuell-146-khirbet-humsa-ein-dorf-wird-zerstort/

Die Jüdische Stimme klagt an: „Die Vorgänge in Khirbet Hamsa
al-Foqa kann man insbesondere mit Verweis auf die nicht betroffenen jüdischen
Siedlungen als ‚ethnische Säuberung‘ des Westjordantales bezeichnen. Dieses
Verbrechen ist nur aufgrund der mangelnden Rechenschafts-pflicht gegenüber
internationalen Akteuren wie z. B. Deutschland möglich. Erst im Oktober wurden
der israelische Außenminister Gabi Ashkenazi zusammen mit seinem emiratischen
Kollegen Scheich Abdullah bin Zayed nach Berlin eingeladen. Der Besuch in
Berlin fand nach der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Israel und den
Vereinigten Arabischen Emiraten im Weißem Haus statt, welches nach
Expertenmeinung jedoch weniger ein Zwischenschritt zu einem Frieden in Nahost
darstellt, sondern vor allem der Stärkung eines gemeinsamen Bündnisses gegen
den Iran dienen soll. …Wir fordern Maßnahmen von der deutschen Regierung: Wir
fordern, dass sie nicht länger Verstöße gegen das Völkerrecht legitimiert und
ihrer Verantwortung für den Schutz des palästinensischen Volkes unter der Besatzung
und für die Einhaltung des Völkerrechts nachkommt, indem sie gravierende
Sanktionen gegen den Staat Israel verhängt, bis die israelische Regierung die
Entscheidungen der UNO respektiert und bis die Verantwortlichen für die
grausame Zerstörung von Khirbet Hamsa al-Foqa vor Gericht gestellt
werden.“ 
https://www.juedische-stimme.de/2020/11/12/stellungnahme-zur-zerstorung-des-dorfes-khirbet-hamsa-al-foqa/

Aber statt eines großen Aufschreis und der Forderung, ab
sofort das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen bis die
israelische Regierung alle Verstöße gegen Internationales Recht und die
täglichen Menschenrechtsverletzungen einstellt, hat das Auswärtige Amt
lediglich „seine Sorge“ ausgedrückt. Darüber hinaus stellen „Beschlagnahmungen
und Abrissen palästinensischer Strukturen im Westjordanland … ein Hindernis für
die Umsetzung einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung dar“. Die
Zwei-Staaten-Lösung ist für die Bundesregierung nach wie vor eine Heilige Kuh,
deren Verwirklichung Priorität der deutschen Außenpolitik ist, egal, wie die
Bevölkerungen der beiden Staaten dazu stehen.

Immerhin wird in der Pressemitteilung des AA noch an das
humanitäre Völkerrecht erinnert, das „alle Staaten verpflichtet, Zivilisten in
Konflikten besonders zu schützen. Wir rufen Israel dazu auf, diese
Verpflichtungen, insbesondere aus dem 4. Genfer Abkommen zum Schutze von
Zivilpersonen, in den besetzten Gebieten zu beachten.“
https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/abriss-wohnunterkuenfte-westjordanland/2414174

Von der Linken im Bundestag war dazu nichts zu lesen!

Unlearning Zionism ist doch nichts Neues. Wie
kann das immer wieder so gut laufen für die zionistische Propaganda? Worauf
stützt sie sich immer wieder?

Es ist wie ein Pawlowscher Reflex. Sobald ein Journalist oder
sonst jemand aus Politik und Medien auf eine Veranstaltung, einen Artikel, ein
Projekt, ein Theater- oder Musikstück 
hinweist, das nicht dem Mainstream entspricht und irgendetwas Kritisches
zu Israel oder zum Judentum andeutet, wird die Antisemitismuskeule geschwungen.

Der letzte Coup war der Skandal um „Unlearning Zionism“, ein
Projekt jüdischer-israelischer Studierender, die sich an der Weißensee
Kunsthochschule mit der offiziellen Geschichtsschreibung ihres Herkunftslandes
auseinandersetzen und darüber diskutieren, was für eine Gesellschaft sie sich
in Israel wünschen und welchen veränderten Umgang mit der eigenen Geschichte
dies erfordert.

„Das Projekt wurde u.a. von Yehudit Yinhar ins Leben gerufen,
einer jüdisch-israelischen Studentin an der Weißensee Kunsthochschule Berlin
(KHB) und Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme. Zusammen mit anderen
jüdischen Israelis hat sie das „Oktoberprogramm“ mit Online-Vorträgen auf
Hebräisch und Englisch sowie eine Kunstausstellung organisiert, um einen Raum
zur Diskussion und Reflexion über verschiedene historische, kulturelle und
ökonomische Fragen zu schaffen, die sich auf die Geschichte des Zionismus
beziehen.  Das Programm und das Projekt
überhaupt gerieten Anfang Oktober unter Beschuss, als der Springer-Journalist
Frederik Schindler eine Presseanfrage an die KHB und die Kunsthalle am
Hamburger Platz (KHHP), den Veranstaltungsraum für das „Oktoberprogramm“,
schickte. Schindler behauptete, er würde einen Artikel über die School for
Unlearning Zionism schreiben, und erwähnte vier der Sprecher*innen im
„Oktoberprogramm“, denen er eine Unterstützung der BDS-Bewegung unterstellte
(obwohl weder das Projekt noch die Vorträge etwas mit der Bewegung zu tun
hatten). Seine Anfrage beruhte also auf dem McCarthy-Prinzip der Kontaktschuld,
oder vielmehr dem Verdacht auf Kontaktschuld. Obwohl nicht alle Vortragenden im
„Oktoberprogramm“ Jüd*innen sind, sind alle von Schindler erwähnten Personen
jüdische Israelis. Schindlers Unterstellungen über diese vier Personen sowie
seine Behauptung (mit Bezug auf zwei Tweets), das Programm würde bereits Kritik
auf sich ziehen, da die Kunsthalle vom Bildungsministerium (BMBF) finanziert
wird, haben scheinbar ausgereicht, um die KHB zu einem Boykott des Projekts zu
bewegen.  Die Website der Kunsthalle
(KHHP) wurde entfernt und die Fördermittel für das Projekt blockiert, obwohl es
bereits von den Referent*innen unterschriebene Verträge gab und die
Vortragsreihe schon begonnen hatte. Innerhalb eines Tages positionierte sich
die Zeitung Jüdische Allgemeine, die dem Zentralrat der Juden untersteht, gegen
die School for Unlearning Zionism und verwendete in einem Artikel den von der
israelischen Botschaft stammenden Ausdruck „Umarmung des Antisemitismus“, um
das Oktoberprogramm zu beschreiben. In diesem Artikel wurden die KHB sowie das
Bundesministerium für Bildung und Forschung zitiert, die nun selbst auf die
Anti-BDS-Resolution vom 17. Mai 2019 verwiesen; die KHB teilte mit, dass das
Programm nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werde und das BMBF sagte,
dass die Bundestagsresolution sehr ernst genommen würde. Es wäre anzumerken,
dass der Beschluss nicht rechtlich verbindlich ist, und dass der Bundestag
aufgrund dessen inzwischen verklagt wird. Es besteht der Versuch ein gesamten
Diskurs auf die Frage „BDS ja oder nein“ einzuschränken, dabei wissen wir, dass
es um vielmehr geht wenn wir unsere Geschichten erzählen wollen. Dieser neue
Trend zur Bekämpfung von Antisemitismus, dient vor allem einem, nämlich dem
antimuslimischen Rassismus, der Diskriminierung von Palästinenser*innen und dem
Ausschluss von kritischen jüdischen Stimmen aus dem Diskurs in Deutschland. Das
ist eine gefährliche Entwicklung, die wir in den letzten Jahren leider immer
stärker beobachten konnten“. https://www.juedische-stimme.de/2020/11/01/newsletter-oktober-2020/

Wie viele andere habe auch ich einen Protestbrief an die
Rektorin der Weißensee Kunsthochschule geschrieben und meine Kritik an dem
Verfahren deutlich geäußert:

„Als ehemalige menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken
im Bundestag (2009 -2017) und eine der wenigen PolitikerInnen, die sich für die
Menschenrechte der PalästinenserInnen einsetzen und die gravierenden
Menschenrechtsverletzungen israelischer Armeeangehörigen und  SiedlerInnen kritisieren, kenne ich den
Vorwurf des Antisemitismus sehr gut. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie
zielgerichtet dieser Vorwurf benutzt wird, um politisch unbequeme Menschen und
Positionen zu diffamieren.

Der Vorwurf des Antisemitismus ist in Deutschland das beste
Instrument, Kritiker, Störenfriede oder Leute, die man nicht mag, zu
stigmatisieren und sie zum Schweigen zu bringen. Das Denunziationssystem
arbeitet erschreckend effizient und nachhaltig und ich begreife nicht, dass es
immer noch Intellektuelle gibt, die dieses unwürdige Spiel nicht durchschauen
und darauf reinfallen. So wurden und werden unzählige Veranstaltungen verboten,
namhafte ProfessorInnen und KünstlerInnen aus dem In -und Ausland haben Rede-
und Auftrittsverbote, Universitäts-DozentInnen verloren ihren Job, die Liste
ist lang und wird immer länger.

Weil diese Verbote eine gravierende Verletzung unserer im
Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit darstellen, habe ich bereits vor 4
Jahren, also im Jahre 2016, eine Broschüre „Meinungsfreiheit bedroht? Die
Gefährdung der Meinungsfreiheit in Deutschland durch die sogenannten ´Freunde
Israels`“ herausgegeben.

Seitdem hat sich die Situation auch durch den unsäglichen
BDS-Beschluss des Bundestags vom Mai 2019 verschärft und beschäftigt etliche
Gerichte. Es gab auch laute Kritik aus Israel an dieser furchtbaren Resolution
und einen Aufruf „Setzen Sie „BDS“ nicht mit Antisemitismus gleich“, den 240
jüdische und israelische WissenschaftlerInnen unterzeichnet haben. …

Wir sollten alle Forschungen und Studien unterstützen, die
sich mit der offiziellen israelischen Geschichtsschreibung auseinandersetzen,
dies umso mehr, wenn es eine Gruppe jüdisch-israelischer Studierender und
Kunstschaffender ist. Es ist ihr Recht, über die Zukunft ihres Landes zu
diskutieren, darüber, was für eine Gesellschaft sie sich in Israel wünschen und
welchen veränderten Umgang mit der eigenen Geschichte dies erfordert. Dass dies
nicht im Interesse der israelischen Regierung ist, dürfte klar sein.

Ich kann nicht nachvollziehen, dass Ihre Einrichtung die auf
Unterstellung beruhende 
Argumentationsweise nicht kritisch unter die Lupe genommen und mit den
Projektverantwortlichen gesprochen hat, bevor sie eine Entscheidung getroffen
hat.

Der Antisemitismusvorwurf wird schon seit langem instrumentalisiert,
darum müssen gerade Universitäten und Hochschulen genau prüfen, ob es sich um
bloße Denunziation handelt. Ein Beschluss ohne eine entsprechende sorgfältige
Prüfung ist intellektuell höchst unredlich.

Zum Schluss möchte ich Amos Goldberg, jüdischer Historiker an
der Universität Jerusalem, zitieren: „Es steht noch mehr Ärger bevor, falls Sie
die Grundsätze der Demokratie, die Meinungsfreiheit und eine prinzipientreue
Außenpolitik nicht energisch verteidigen. Wenn Sie nicht für diese Werte kämpfen,
gerade auch im Kontext sensibler Themen, könnte sich Deutschland in fünf oder
zehn Jahren in ein weiteres illiberales Bollwerk verwandeln. Seine Politik
könnte dann der Israels, Ungarns und Polens ähneln.“

Goldberg spricht das aus, was mir schon lange große Sorge
macht. Darum muss die Meinungsfreiheit verteidigt und der Rechtsextremismus
bekämpft werden.

Was lernt man aus diesem vollkommen destruktiven
“COVID-19-KRISENMANAGEMENT” über die Krise der linken Parteien und
über die Unfähigkeit der Lösung der Palästina- oder besser gesagt Israelfrage.

Es alarmiert und macht mich schon sehr stutzig, wenn die sog.
„Corona-Leugner“ auch mit Antisemiten gleichgesetzt werden. Schon das Wort
„Corona-Leugner“ assoziieren viele Leute mit „Holocaust-Leugnern“ und dann muss
man nicht weiter reden und nichts erklären.

Am 16. Mai war ich in Hamburg, kurz vorher waren die Museen
wieder eröffnet worden, und an dem Tag waren einige Demos zu den
Corona-Maßnahmen, u.a. eine Eltern-Kind-Kundgebung und eine gegen die Maßnahmen
und für unsere Grundrechte. In der Nähe hatte sich die sog. Antifa versammelt.
Ich sah dort ein Schild „Egal, was sie reden, sie sind alle antisemitisch“. Das
fand ich sehr merkwürdig, weil mir diese Analogie nun gar nicht einleuchtete.
Aber sehr schnell wurden die Corona-KritikerInnen als Antisemiten diffamiert,
warum? 

Klarheit bringt die Auffassung von Anette Kahane, Vorsitzende
der Amadeu Antonio Stiftung, die am 23.11. 2020 auf einer Pressekonferenz
betonte, dass „Verschwörungstheorien immer ein antisemitisches Betriebssystem
haben. Zusammen mit Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der
Bundesregierung  und Kevin Kühnert,
stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, gab Kahane eine Pressekonferenz
zum Thema “Die wachsende Radikalisierung und Gefahr durch Antisemitismus
und die Corona-Leugner-Szene”. Die gemeinsame Botschaft: Antisemitismus
und Corona-Kritik habe denselben Kern. Da „Corona-Leugner“ häufig mit
Verschwörungstheoretikern gleichgesetzt werden, sind diese auch Antisemiten,
weil „der Antisemitismus selbst die älteste Verschwörungstheorie überhaupt ist.
(…) Das heißt, der Antisemitismus selbst ist die Idee vom bösen Juden, den man
beschuldigen kann für alles, was schiefläuft. Und deswegen sind
Verschwörungsideologien immer auch antisemitisch. Selbst, wenn sie sich mit
Leuten wie Bill Gates beschäftigen, sind sie in ihrer Form und ihrer Struktur
genuin antisemitisch. Und das muss man wissen, wenn man sich mit den
Corona-Protesten beschäftigt.”   Es
mutet schon sehr verschwörungstheoretisch an, wenn Felix Klein ausführt, dass
“Judenhass (…) bei den Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen
politische Milieus verbindet, die vorher wenig oder gar keine Berührungspunkte
hatten.  … Das Spektrum reicht von
Esoterikbegeisterten über Heilpraktiker und Friedensbewegte bis zu
Reichsbürgern und offen Rechtsextremen, die diese Demonstrationen als
Mobilisierungsforum nutzen.” Gefährlich wird es, wenn Klein einen
Zusammenhang mit rechtsextremistisch motivierten Attentaten herstellt. Er sagte:
“Worte werden schnell zu Taten. Das haben die Attentate in Halle, Hanau
und Dresden und die jüngsten Ausschreitungen im Zuge der sogenannten
Corona-Proteste deutlich gezeigt.” Nun sei jeder gefragt, “in der
Pandemie Verantwortung zu übernehmen, um sich und andere zu schützen – vor dem
Coronavirus genauso wie vor ansteckenden falschen Überzeugungen”.
https://deutsch.rt.com/inland/109635-anetta-kahane-verschworungsideologien-haben-immer/

Ich habe mir auch das Video über diese Pressekonferenz
angeschaut und muss sagen, dass ich entsetzt war. Die Aussagen der drei
Personen sind eher dazu angetan, Antisemitismus zu befördern.
https://www.youtube.com/watch?v=fCUVSvKvDl0 [1]

Es macht mir Mut, dass jetzt auch einige kritische Stimmen
zum Thema Corona, PRC-Tests und Impfstoffe zu hören bzw. zu lesen sind und
hoffe, dass die Menschen aus der Panik herauskommen, die sie vereinsamen läßt
und häufig auch krank macht.

Ich habe Deutschland 2014 verlassen, weil ich den
Rechtsruck und die Diskriminierung muslimischer Bürger im öffentlichen Leben
nicht mehr aushielt… wie sehr hat sich die Situation in den letzten 6 Jahren
verschlechtert und wie sieht es heute aus?

Es sieht schlimm aus: die Überwachung hat sich perfektioniert
und wird immer ausgefeilter, die Polizei hat durch diverse
Gesetzesverschärfungen eine Riesenmachtfülle, mittels der  Corona-Maßnahmen sind zahlreiche Grundgesetze
außer Kraft, fake news und hate-speech haben ungeheure Ausmaße angenommen, dazu
gehören krasse Diffamierungen Andersdenkender bis zu Morddrohungen; die Zensur
durch Google/Facebook wird immer schlimmer, Youtube-Filme mit kritischem Inhalt
zu Corona werden abgestellt.

Passend dazu hat Bundesinnenminister Horst Seehofer kürzlich
angekündigt, die Demonstrationen von Corona-Gegnern genauer zu beobachten.
Seehofer beunruhigt, dass Rechtsextremisten und Reichsbürger gemeinsam mit
Impfgegnern und Corona-Kritikern demonstrieren, und warnte davor, dass die
Verbreitung von Desinformation und Verschwörungstheorien „radikalen Kräften“
Vorschub leistet und dazu geeignet ist, „die demokratische Willensbildung zu
manipulieren“.

Seehofer fordert auch, dass Ermittler leichteren Zugang zu
Kommunikationsdiensten wie WhatsApp erhalten.
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundesinnenminister-im-interview-seehofer-warnt-corona-leugner-die-sicherheitsbehoerden-haben-einen-genauen-blick-darauf/26672790.html

Alle Protestierer und Demonstranten werden in einen Topf
geworfen, es wird nicht differenziert, aus welchen Gründen Menschen auf die
Straße gehen; das halte ich für gefährlich.

Ich beobachte, dass viele Menschen in die innere Emigration
gehen, weil Freunde und Familien sich wegen kritischer Nachfragen und/oder
Äußerungen zu Corona-Einschneidungen zurückziehen.

Darüberhinaus habe ich große Bedenken vor einem indirekten
Impfzwang und verstehe nicht, dass es kaum kritische Artikel in den
Mainstreammedien zu dem mRNA Impfstoff gibt, den es noch nie gegeben hat.

Mit machen auch die zahlreichen Insolvenzen, die wie ab 2021
erleben werden, begleitet von einer hohen Arbeitslosigkeit und zunehmenden
Armut, große Sorgen. Gewinner sind Amazon, Google, Facebook und BigData
Pharmakonzerne, die den Einzelhandel und die Gastronomie übernehmen, so dass
wir nur noch Ketten wie McDonalds haben. Dazu kommt ein Sterben der Kulturszene,
die uns desorientiert und arm zurück läßt – keine schönen Aussichten.

Auch die Antideutschen sind im Vormarsch und haben große
Teile progressiver Organisationen wie auch die Partei Die Linke unterwandert.
Das macht es für uns schwerer, Kritik zu äußern.

Wie kann man in dieser Zeit noch konstruktiv für
Palästina arbeiten?

a) Als Kind bin ich in Namibia für Rassismus und Apartheid
sensibilisiert und politisiert worden und 
setze mich seit Jahrzehnten für Völkerrecht, Gerechtigkeit und
Menschenrechte ein. Palästina ist ein Synonym für Kolonialismus, Apartheid,
Rassismus, Versagen des Völkerrechts und für gravierende
Menschenrechtsverletzungen. Dagegen kämpfe ich. Leider war ich noch nie in
Palästina, aber habe viele beeindruckende Leute von dort kennengelernt und
bewundere deren Mut und Ausdauer. Von ihnen können wir etwas lernen.

Auch hier in Deutschland und in Europa habe ich viele eindrucksvolle
Menschen kennengelernt, die sich teilweise zu guten Freundschaften entwickelt
haben. Dafür bin ich sehr dankbar, und das ist ja auch nicht
selbstverständlich. Wenn ich mich für Palästina einsetze, kämpfe ich gegen
Rassismus, gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen die krasse
Ungerechtigkeit hier bei uns. Denn das gehört für mich zusammen. Ich kann mich nicht
für Palästina einsetzen, und hier die Augen vor der sozialen Misere
verschließen, die durch Corona jetzt wesentlich verschärft wird.  Wenn die Reichen und Superreichen nicht
massiv an den Kosten beteiligt und der Rüstungsetat nicht drastisch gekürzt wird,
sehe ich schwarz.

b) Mir machen Initiativen Mut, wie die Gruppe »Bundestag 3
für Palästina« (BT3P), die am 18. Mai dieses Jahres beim Verwaltungsgericht
Berlin Klage gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages vom 17. Mai 2019
eingereicht haben. Das finde ich toll und hoffe, dass sie Erfolg haben!

BT3P sind die drei »jüdisch-palästinensisch-deutschen
Aktivist*innen« Judith Bernstein, Amir Ali und Christoph Glanz. Für ihre Klage
mandatierten sie den Berliner Rechtsanwalt Ahmed Abed, der bereits mehrfach
erfolgreich gegen Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit im
Zusammenhang mit der BDS-Kampagne geklagt hatte. Dem Präzedenzfall in Oldenburg
folgten erfolgreiche Klagen etwa in München und Köln. Den Vorwurf, BDS sei im
Kern antisemitisch und weise gar Parallelen zu Praktiken der Nazizeit auf,
weist BT3P vehement zurück. Die Mitbegründerin der Gruppe, die deutsche Jüdin
Judith Bernstein, die selbst Angehörige in Auschwitz verloren hat, stellt
gegenüber junge Welt den historischen Kategorienfehler dieses Vergleichs
heraus: »Der Rassenhass der Nazis kannte als Schlusspunkt nur die ›Endlösung‹.
BDS beruht hingegen auf den Menschenrechten und hat ein klares politisches
Ziel: Diese gewaltfreien Maßnahmen sollen angewendet werden, bis Israel endlich
nach internationalem Völkerrecht handelt.«

Ein vom European Legal Support Centre (ELSC) in Auftrag
gegebenes Gutachten unterstützt die Rechtsauslegung der Gruppe, wie Amir Ali
von BT3P erklärt. ELSC bietet Gruppen und Individuen, die sich für die Rechte der
Palästinenser einsetzen, juristische Unterstützung. Im Oktober 2019 rügte auch
das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte die
Bundesregierung bezüglich des Anti-BDS-Beschlusses. Laut Spiegel kritisierten
fünf UN-Sonderberichterstatter in einem Brief an Außenminister Heiko Maas,
»dass der Beschluss einen besorgniserregenden Trend setzt, die Meinungs-,
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unverhältnismäßig einzuschränken«.
Weiter heißt es im Brief, der »Beschluss greift unverhältnismäßig in das Recht
der Menschen auf politische Meinungsäußerung in Deutschland ein«.

Mit dem pauschalen Antisemitismusvorwurf gegen die
BDS-Kampagne wird der dringend gebotene Kampf gegen Antisemitismus zur
Abschirmung der israelischen Regierung vor Kritik instrumentalisiert. »Wer
diese Bewegung als antisemitisch abstempelt, hat primär ein politisches
Interesse – und kein Interesse an Aufklärung und Frieden«, erklärte der
renommierte Antisemitismusforscher Wolfgang Benz im März 2019 im Interview mit
der Südwestpresse.

https://www.jungewelt.de/artikel/391591.bds-kampagne-methode-mundtotmachen.html

c) Auch das kürzlich ergangene Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs ist für uns alle ermutigend. Damit ist die Stadt
München dazu verpflichtet, Münchner BürgerInnen einen Veranstaltungsraum für
eine Diskussion über die BDS-Bewegung zur Verfügung zu stellen. Das war durch
einen Beschluss der Stadt vom 13. Dezember 2017 verboten. Auf dieser Grundlage
wurde eine Reihe von Veranstaltungen untersagt.

Ausgelöst wurde das Verfahren durch einen Antrag des Klägers
an das Stadtmuseum München, ihm für eine Diskussionsveranstaltung zu dem Thema
„Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein“?-  Der Stadtratsbeschluss vom und seine Folgen“
einen Saal zur Verfügung zu stellen. Dieser Beschluss sieht vor, dass
„Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtungen
durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS
Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben,
(…) von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen“
werden.

Der Antrag des Klägers wurde mit der Begründung abgelehnt,
dass die geplante Veranstaltung „nicht ohne eine Thematisierung von BDS sowie
deren Inhalten, Themen und Zielen auskomme“. Dies hielt er für eine unzulässige
Beschränkung seiner Meinungsfreiheit bei der Benutzung gemeindlicher
Einrichtungen, zu der er als Bürger der Stadt München nach § 21 der Bayerischen
Gemeindeordnung berechtigt ist. Nachdem seine Klage in 1. Instanz abgelehnt
worden war, bekam er vor dem Verwaltungsgerichtshof Recht.

Das VGH hat dabei festgestellt, dass es für die
Grundrechtsprüfung unerheblich ist, ob die BDS-Bewegung als antisemitisch zu
qualifizieren ist oder nicht. „Denn selbst wenn sich dies anhand objektiver
Kriterien eindeutig nachweisen ließe, ergäbe sich allein daraus noch keine
Rechtfertigung für eine Beschränkung der Meinungsfreiheit“. Die Qualifizierung
als antisemitisch reicht „für sich genommen nicht aus, um entsprechende
Meinungsäußerungen auch im Rahmen politischer Informations– oder
Diskussionsveranstaltungen behördlicherseits von vornherein zu untersagen oder
darauf einen Nutzungsausschluss zu stützen“. Dies sei erst dann möglich, wenn
antisemitische Meinungsäußerungen „den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit
der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zur
Aggression oder Rechtsbruch markieren. Von einer solchen sich abzeichnenden
konkreten Rechtsgutgefährdung, die eine staatliche Schutzpflicht auslösen
würde, kann aber im Zusammenhang mit der BDS–Kampagne nach den gegenwärtig
erkennbaren Umständen nicht gesprochen werden“.

Lothar Zechlin:
https://verfassungsblog.de/auf-antisemitismus-oder-das-was-manche-dafur-halten-kommt-es-bei-der-meinungsfreiheit-nicht-an/

Die Stadt München hat angekündigt, in die Revision zu gehen.
Dadurch wird sich auch das Bundesverwaltungsgericht mit der Thematik der
Raumüberlassung für Veranstaltungen mit BDS–Bezug befassen. Die bisherige
Rechtsprechung ist durch eine klare Tendenz gekennzeichnet, die sich gegen die
Verweigerung der Raumüberlassungen durch staatliche oder kommunale Träger
richtet. Dazu gehört auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte vom 11.6.2020. Es wäre deshalb überraschend, wenn das
Bundesverwaltungsgericht zu einer grundlegend anderen Auffassung als der VGH
kommen sollte. Für die zahlreichen Kommunen, die ähnliche Beschlüsse wie der
Münchner Stadtrat verabschiedet haben, wird es also Zeit, ihre Praxis zu
überdenken..
https://www.nachdenkseiten.de/?p=67206

Und wir haben die Hoffnung, dass wir demnächst hoffentlich
Räume für unsere Palästina-Veranstaltungen erhalten!

Die Erfolge zeigen, dass man um seine Rechte kämpfen muss!
Aber es lohnt sich und darum möchte ich auch alle LeserInnen ermutigen, nicht
den Kopf in den Sand zu stecken, sondern mit anderen gegen Unrecht und
Rassismus zu kämpfen. Dann wird das Leben lebenswert!

 

Hier noch einige biographische Daten zu Annette Groth:

Annette Groth, geb. 16.Mai 1954 in Gadderbaum/Bielefeld,
Soziologin, Autorin

2009 – 2017 Abgeordnete des deutschen Bundestags,
menschenrechtspolitische Sprecherin, Vorsitzende der deutsch-griechischen Parlamentariergruppe,
Mitglied im Europarat

2017 Mitherausgeberin „Palästina – Vertreibung, Krieg und
Besatzung, Wie der Konflikt die Demokratie untergräbt“, PapyRossa

2007 und 2008            Referentin
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bundestagsfraktion „Die
Linke“

2004 bis 2007 freiberuflich im Bereich europäische und
internationale Politik

2001- 2004   
Referentin beim Ökumenischen Stipendienreferat des Diakonischen Werks
der EKD, Stipendien- und Ausbildungsprogramme in Afrika

1999 – 2001     Freiberufliche
Tätigkeit im Bereich der entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit, Schwerpunkt 3.
Welt-Tourismus

1997 – 1999     Direktorin
der Ecumenical Coalition on Third World Tourism (ECTWT) und Herausgeberin der
Vierteljahreszeitschrift CONTOURS,            Barbados,
Karibik

1992 – 1997     Education
Officer, United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR, Genf,

1988 – 1989     Referentin
für West-Afrika und Latein Amerika, Dienste in Übersee, Stuttgart

1984 – 1987     Referentin
in der Geschäftsstelle der Evangelischen Studentengemeinde, Stuttgart

1981- 1984      Wissenschaftliche
Mitarbeiterin beim europäischem Forschungsinstitut (Ecumenical Research
Exchange, ERE),  Rotterdam, Niederlande,
Projekt: „Wanderarbeiter in der EG“

            Vergleichende
Analyse in sechs europäischen Ländern über: 

            a) die
legale Situation ausländischer Arbeitnehmer

            b) ihre
Selbstorganisationen

            c) die
Probleme der 2. Generation