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Der Name Bührle belastet den Neubau des Zürcher Kunsthauses

Erich Schmid / 30. Aug 2020
Stadt und Kanton Zürich üben Druck auf ein Gutachten aus, um die Begriffe Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps zu streichen.

Die Bührle-Stiftung suchte für ihre wertvolle Kunstsammlung eine neue Bleibe, eine sicherere, nachdem versuchte und gelungene Diebstähle am angestammten Ort das Schutzbedürfnis erhöht hatten. Also schlug sie der Stadtregierung vor, die Sammlung in einem gut bewachten Neubau des Kunsthauses Zürich unterzubringen, der allerdings erst noch erstellt werden müsse. Ein solcher koste 150 Millionen, und die Stadt müsse nur die Hälfte davon übernehmen, die andere Hälfte bezahlten Private. Der Stadtrat, allen voran die für Kultur zuständige Präsidentin Corine Mauch, fing Feuer und witterte das grosse Geschäft mit dem Tourismus. Ein neues Kunsthaus mit einer alten Sammlung würde ein grosses Publikum anziehen, das aus allen Grossstädten Europas einfliegen und die Millioneninvestition mit Übernachtungen und Einkaufstouren um ein Vielfaches kompensieren würde: Kunst als Motor für die Wirtschaft.
Aber der Name Bührle ist belastet von unleugbaren Waffengeschäften mit Nazideutschland und wirft nun seine alten Schatten auf den fertiggestellten Neubau des Kunsthauses. Und diese werden länger und länger und verdunkeln die Fantasien von einer Weltstadt, die mit Kunst den Tourismus ankurbeln will.
Ob die Rechnung je aufgehen wird? Für die UBS war eine ähnliche einst nicht aufgegangen. Sie hat ihre Abteilung Art Banking aufgeben müssen, weil sie von Kunst nichts verstand. Auch Zürich als Weltstadt droht daran zu scheitern. Erstens weil die Welt sich ändern muss, wenn sie nicht zugrunde gehen will. Also aufhören mit Billigfliegen in der Luft und Tempobolzen auf den Strassen von Grossstadt zu Grossstadt, um in Zürich alte Klassiker zu sehen. Und zweitens weil man auf Dauer nicht wegsehen kann, weshalb und wie die wertvolle Sammlung Bührle den Weg nach Zürich gefunden hat, denn dieser Weg führte durch Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps.
Einflussnahme auf Gutachten
Zwar unternehmen die SP-Politikerinnen Corine Mauch und ihre Regierungskollegin vom Kanton, Jacqueline Fehr, vor der Eröffnung des Kunsthaus-Erweiterungsbaus alles, um dieses Wegsehen zu ermöglichen, und versuchen Passagen in einem Universitätsgutachten zu Bührles problematischen Verwicklungen zu streichen; es geht um die Begriffe «Antisemitismus», «Zwangsarbeit» und «Freikorps» (wo Emil Georg Bührle einst mitmarschiert war). Einer der Autoren des Uni-Gutachtens, Erich Keller, den das Gewissen plagte, hat deswegen seinen Namen zurückgezogen, und der andere, Mathieu Leimgruber, will noch abwarten. Denn die Uni Zürich hat wegen der Druckversuche nun noch ein neues, zweites Gutachten in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob die Politik Zensur ausüben wollte oder ob die beantragten Streichungen berechtigt sind. Dazu berufen wurden der bekannte Historiker Jakob Tanner und seine Kollegin Esther Tisa Francini.
Es steht einiges auf dem Spiel. Denn sollten Tanner und Francini zum Schluss kommen, dass die Begriffe Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps im Gutachten zur Aufarbeitung der Bührle-Sammlungsgeschichte ihre Richtigkeit haben, dann dürften sie jedes einzelne Wort der schönen Reden bei der Eröffnung des neuen Kunsthauses Ende 2021 nicht nur überschatten, weil zuviel Entsetzen, Leid und Zerstörung daran hängen, sondern sie werden auch die Peinlichkeit in Erinnerung rufen, dass die SP-Politikerinnen offensichtlich über wenig Sensibilität gegenüber unbequemen historischen Fakten verfügen.
Noch ist es eine Affäre auf lokaler Ebene. In der Vergangenheit ist diese Art von Verdrängung auch schon zum Skandal ausgewachsen und hat die Schweizer Banken Milliarden gekostet und einen hohen Banker, der die veruntreuten nachrichtenlosen Vermögen «Peanuts» nannte, den Job.
Schon vor Jahren interveniert
Die Zensurversuche beim Geschäft mit der Kunst sind übrigens nicht neu und haben schon früh begonnen. Der Schreibende hatte sie kurz vor der Abstimmung über den Baukredit für das neue Zürcher Kunsthaus am eigenen Leib erfahren. Ich forderte in einer Zeitungskolumne die Verwalter der Bührle-Sammlung auf, «den geplanten Erweiterungsbau des Kunsthauses selber zu bezahlen, damit es den Steuerzahler nicht 150 Millionen koste». Es handle sich bloss um 75 Millionen, wetterte der Sprecher des Kunsthauses, Björn Quellenberg, auf meinem Telefonbeantworter und fügte hinzu: «Das wird noch auf Sie zurückfallen!» (Mittlerweile kostet der Bau von David Chipperfield über 200 Millionen.) Jedenfalls schrieb ich in der nachfolgenden Kolumne: «Aber gut, wenn man schon so genau sein will, dann hoffen wir doch, dass man auch ein paar präzisierende Fragen zum 150-Millionenprojekt stellen darf; zum Beispiel erstens, ob die im erweiterten Kunsthaus garagierte Bührle-Sammlung eine Leihgabe oder eine Schenkung wäre, zweitens, ob sich in der Bührle-Sammlung auch Raubkunst aus dem 2. Weltkrieg befindet, und drittens, ob dann alle durch Bührle-Waffen Kriegsgeschädigten, welche die Kunstsammlung anschauen wollen, wenigstens freien Zutritt hätten.»
Niemals hätte ich gedacht, dass meine damaligen Kolumnen noch einmal Aktualität bekommen. Auch wusste ich damals noch nichts von Antisemitismus, Zwangsarbeit und Freikorps. Davon erfuhr die Öffentlichkeit erst durch die Druckversuche der Politik.