Schub für Sorgfaltspflicht der Konzerne
von Markus Mugglin, Infosperber, 3. März 2019. Unternehmen erfüllen längst nicht die UNO-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Das zeigen neue Studien. Menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen sind bei Unternehmen noch immer längst nicht selbstverständlich. Untersuchungen über deutsche, finnische und irische Unternehmen belegen es wie auch die neuste Ausgabe des Berichts „Corporate Human Rights Benchmark“ über Konzerne aus allen Weltregionen, der kurz vor Ende 2019 erschienen ist.
Der neue Benchmark-Bericht, der 200 statt wie bisher nur 100 international tätige Unternehmen der Branchen Lebensmittel, Textilien, Mineralien und neu der Informations- und Kommunikationstechnologie nach ihrem Umgang mit Menschenrechten analysiert, stellt zwar gewisse Fortschritte fest. Adidas, Unilever und die Mark&Spencer Group erhalten mit mehr als 70 von maximal 100 Punkten die besten Noten. Doch ein Viertel der untersuchten Unternehmen bringt es nicht einmal auf zehn Punkte.
Schweizer Konzerne bestenfalls mittelmässig
Unter den 200 geprüften Unternehmen sind mit Nestlé, Glencore, Lafarge Holcim, Lindt&Sprüngli und TE Connectivity fünf mit Hauptsitz in der Schweiz. Die beste Bewertung erhält Nestlé mit 55.2 Punkten. Es folgt Glencore mit 46.1 Punkten, womit der Rohstoffkonzern noch über dem Durchschnitt aller Unternehmen liegt. Die anderen drei schneiden deutlich schlechter ab. Der Zementmulti LafargeHolcim bringt es auf 24.5, der Schokoladeproduzent Lindt&Sprüngli auf nur gerade 5.9 und TE Connectivity, ein Anbieter von Konnektivität und Sensoren mit finanziellem Hauptsitz in Schaffhausen, sogar auf nur 4.8 Punkte.
Der „Benchmark“-Report weist für alle Schweizer Unternehmen den grössten Handlungsbedarf beim Thema Wiedergutmachung für erlittene Menschenrechtsverletzungen aus. Das überrascht nicht, setzt sich doch die Wirtschaft in der Debatte um ihre menschenrechtliche Verantwortung ganz besonders gegen griffige Haftungsbestimmungen zur Wehr. Alle fünf Konzerne erhalten dafür weniger als die Hälfte der möglichen Punktzahl. In der alles entscheidenden parlamentarischen Debatte über die Konzernverantwortungsinitiative von morgen Mittwoch wird sich erneut zeigen, dass hier die Gegensätze am grössten sind.
Die bescheiden ausgefallenen Menschenrechts-Zeugnisse der Unternehmen geben den Stimmen für verbindliche Regeln neuen Schub. In der EU scheinen sich selbst Unternehmen vermehrt dafür auszusprechen. Das hat jedenfalls eine von der EU-Kommission soeben publizierte Studie ergeben. Ein einheitlicher Standard in der EU zu Wirtschaft und Menschenrechten würde die Rechtssicherheit erhöhen. Noch sind die Industrieverbände mehrheitlich dagegen. Doch die EU-Kommission scheint eine Regelung für die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erarbeiten zu wollen. Offen ist, ob die Schweiz gewillt ist, mitzuhalten.