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Der Elefant im Raum: die merkwürdigen offiziellen Daten zur Coronavirus-Pandemie in Deutschland

Von Pierluigi Fagan, Facebook, 23. März 2020. Ein Gespenst geht um in den internationalen Statistiken über das Pandemiephänomen. Aber nur ein Land auf der ganzen Welt zeigt vollkommen unlogische Statistiken bezüglich des Verhältnisses zwischen Infizierten und Toten: Deutschland.


Inzwischen ist die Zahl er Infizierten in Deutschland auf 54.212 und der Toten auf 397 gestiegen (Stand am 28. März)  [Anm. d. Hrsgb.]
Kein Zweifel: Deutschland ist das größte europäische Land (demographisch betrachtet ist es ungefähr ein Drittel größer als Italien, Frankreich und das Vereinigte Königreich). Der Anteil der alten Bevölkerung ist vergleichbar mit dem von Italien. Außerdem ist Deutschland das erste europäische Land, in dem das Virus früh festgestellt wurde. Dies ist auch selbstverständlich, wenn man berücksichtigt, dass Deutschland auch das Land mit den meisten Kontakten und mit dem höchsten wirtschaftlichen Austausch mit den Chinesen ist.
Das Virus ist hier länger vor Ort als woanders. Deutschland ist ein Land voller Senioren, ein Drittel mehr als in Italien, aber die Deutschen sterben nicht. Die „Verbreitung der Toten“ in allen Ländern der Welt und selbst in Deutschland ist sehr hoch, aber man weiß, dass die Deutschen gerne gut dastehen, wenn es um Verbreitung geht.
Das Geheimnis hat angelsächsische Journalisten in seinen Bann gezogen. Diese haben verschiedene Artikel zum Thema auf Financial TimesThe GuardianThe IndependentWall Street Journal veröffentlicht. Viel weniger wurde aber von der europäischen Presse veröffentlicht. Die italienische Wochenzeitung L’Espresso hat vor kurzem, wenn auch mit ein wenig Verspätung, eine Zusammenfassung der besten Gründe angeführt. Diese Liste der „the best of“ stammte aus den angelsächsischen Artikeln, die – wie es sich gehört – die deutschen Antworten auf die gestellten Fragen wiedergaben:
1) Das Robert-Koch-Institute (RKI), das dem italienischen ISS entspricht, behauptet, dass die Toten in Deutschland jünger sind und die ältere Bevölkerung geheimnisvollerweise dem Virus noch entkommen konnte (eine Ausnahme ist hier aber Merkels Arzt). Einige behaupten, dass die deutschen Senioren „isolierter“ von der jungen Bevölkerung leben als in Italien oder China. Aber mir kommt dies wirklich ein haltloser Blödsinn vor, auch weil die alten Senioren wohl auch einkaufen gehen wie alle anderen, oder etwa nicht? Aber es gibt auch andere Varianten dieser spitzfindigen Erklärungen;
2) Die Deutschen behaupten, dass sich die Epidemie bei ihnen später entwickelt hätte. Aber wie denn das? Es gibt Studien, die auf The Lancet veröffentlicht wurden und den vorzeitigen Auftritt des „Patienten 0“ in Deutschland bestätigen, was auch logisch ist. Die Infektion gelangt in die Lombardei, aber nicht nach Deutschland? Ganz Europa hat höhere Prozentsätze der Todesfälle als Deutschland, nur weil hier die Verbreitung der Ansteckung „verspätet“ auftrat? Unglaublich…
Die deutsche Presse sprach zwischen Ende Januar und Anfang Februar von einer unglaublich ansteckenden, viralen Epidemie einer Lungengrippe, die rigoros als solche und nicht als Coronavirus diagnostiziert wurde, obwohl sie es eigentlich war. Die Frage, ob das Robert-Koch-Institut über einen Post-Mortem-Covid-19-Test verfügt, bejahten die Betroffenen zwar, aber die englischen Journalisten haben geprüft, dass die Struktur des deutschen Gesundheitswesen auf der Ebene oberhalb der Bundesländer liegt. Dies erzeugt bemerkenswerte Asymmetrien zwischen Zentrum und Peripherie. Und jeder macht das, was ihm so in den Kram passt.
Warum sollte man ex post und ex ante Puffer schaffen, wenn sie sowie behaupten, dies überall zu tun? Diese sonderbare Struktur des deutschen Gesundheitswesen würde auch erklären, warum die Deutschen die Zahlen verspätet liefern, während die Johns Hopkins University, welche die Pandemie von Anfang an verfolgt, verschiedene Zahlen liefert, weil sie direkt auf Lander zurückgreift. Wenn man sich mal erlauben darf, schlecht zu denken: Es sieht aus, als gäbe es eine gewisse Nebelwand, die bewusst errichtet wurde, um das tatsächliche Verständnis der Ereignisse zu erschweren und sich somit die Freiheit zu nehmen, beliebige Zahlen zu verbreiten.
3) Dann gibt es noch die Version, nach der die Deutschen mehr Puffer errichteten als alle anderen. Auch diese Erklärung des RKI wird von der englischen Presse wiedergegeben (Denn das RKI erklärt in der Tat, man „könne“ Puffer errichten, ohne aber zu sagen, dass dies auch der Fall ist). Ich weiß nicht, aber mir kommt das, wenn ich andere Daten ansehe, nicht vor. Oder meine Daten sind falsch oder die englische Presse führt deutsche Erklärungen auf, ohne sie zu überprüfen oder wer weiß warum tun alle so, als würden sie daran glauben;
4) Man gelangt so zu den bekannten großartigen Krankenhauskapazitäten und zur riesigen Menge an Intensivstationsbetten, über die Deutschland verfügt. Wenn man sich aber die Daten ansieht, stimmt es tatsächlich, dass es Deutschland besser geht als Italien, aber Italien ginge es aber besser als (der Reihe nach) Frankreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Holland, neben vielen anderen. Aber diese Erklärung ist – obwohl sie auf ersten Blick logisch erscheint – nicht mehr so logisch, wenn man sie vertieft.
In Italien hat der nationale Sanitätsbetrieb eine Zeit lang durchgehalten. Er war dann ein wenig überfordert, wenn es um den am schwersten betroffenen Bereich ging. Die Menschen, die zu Hause sterben, weil die Krankenhäuser überfüllt sind, tauchen in den Statistiken nicht auf. Aber auch die in der Statistik erfassten italienischen Toten gelangen von den Intensivstationsbetten sowieso in den Sarg, wie überall auf der Welt, da es keine effektive Pflege gibt, sondern nur eine therapeutische Unterstützung angeboten wird, die in der ganzen Welt ein und dieselbe ist.
Was unterscheidet dann die Deutschen? Bequemere Betten? Atemgeräte, die von Mercedes hergestellt werden? Doktor House in jedem Zimmer? Keine Ahnung …
Aber eine Rasierklinge von Occam scheint auch hie und da mal halbherzig zugegeben zu werden. Ein Sprecher der Geschäftsführung des ISS, der jeden Abend bei der Pressekonferenz neben Borrelli steht, hat vor einigen Tagen, als er direkt danach gefragt wurde, Folgendes geantwortet: „Ich weiß, dass wir sowohl die „Toten an“ als auch die „Toten mit“ zählen; wie die anderen zählen, kann ich Ihnen nicht sagen“.
Seit einigen Tagen wird aber immer wieder darauf beharrt, dass wir – alle – Toten zählen. Diese Aussage wurde von Borrelli, Brusaferro und anderen Mitgliedern des ISS wiederholt, die sich jeden Tag auch außerhalb des Kontextes der „deutschen Frage“ abwechseln. Gestern haben sie Zweifel bezüglich dieser Unterscheidung aufgeworfen, die aber logisch betrachtet die einzige ist, die auch in statistischer Hinsicht die offensichtlichste ist, wie ein Biologe in La Stampa und einer im Corriere so schön bestätigen.
Natürlich kann keiner den Deutschen offiziell vorwerfen, die deutschen Toten falsch zu zählen. Es wäre ein diplomatischer Krieg, der auch ganz fehl am Platz wäre, denn man kann ihnen natürlich ja nichts beweisen. Und außerdem ist es wohl eher eine politische als eine virologische oder biologische Frage. Es fällt nämlich nicht in den Aufgabenbereich der Wissenschaftler, solche Hypothesen aufzustellen, auch wenn jeder Biologe, Virologe oder Statistikexperte sehr wohl weiß, dass sich eine solche übertriebene Abweichung nicht anders erklären lässt.
So erklärt sich auch das Schweigen der Scham in ganz Europa. Denn wer wagt es denn, einen so schweren und noch dazu nicht nachweisbaren und unsympathischen Vorwurf in den Raum zu stellen, da es ja wirklich unschön ist, Tote zu politisieren?
Wir haben alle beobachtet, wie jede Regierung von Anfang an das Vorhandensein des Virusproblems, das allen bekannt war, abgestritten hat, wie nun aus den Berichten hervorgeht, die frühzeitig sowohl in den USA als auch in Frankreich und im Vereinigten Königreich veröffentlicht wurden. Warum sollte es denn in Deutschland anders sein?
Und wir haben alle gesehen, wie die Länder, die den „Markt als gesellschaftlichen Ordnungsmechanismus“ am stursten verteidigen, die Interventionen verzögert und lieber auf Lügen zurückgegriffen haben. Sie haben idiotische Thesen wie die der „Immunität der Herde“ erfunden und Eingriffe moduliert, indem sie den wirtschaftlichen Betrieb geschützt haben, wie es auch zahlreiche unverdächtigte Verfechter des „Market First“ bei uns taten, ohne sich dessen wahrscheinlich nicht mal bewusst zu sein.
Vielleicht, indem sie auf das Vorsichtsprinzip der Verfassung zurückgreifen oder sich auf biopolitische oder freiheitliche Richtlinien beziehen oder indem sie vor den Wundern des „koreanischen Modells“ schwach werden oder nur weil inzwischen die Streiterei über alles als existentieller Facebook-Reflex losschießt.
Wir bemerken ja alle die verfluchte, vollkommen natürliche Reaktion auf die Verordnung der Regierung, die wenn auch verzögert und schlecht rübergebracht und voller Mängel, Funken auslöst, wenn man die Produktion und das Geld anrührt.
Die deutsche Regierung zählt nicht die tatsächlichen Toten, um die eigene Bevölkerung nicht in Angst und Schrecken zu versetzen. Denn dies würde sie dazu zwingen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die sie gerne so lange wie möglich verzögern möchte. Dies haben auch alle anderen schon versucht. Und dies findet im Herzen Europas statt, in einem demokratischen und transparenten Westen, der sich immer über die chinesischen Verzögerungen und die russischen Nebelwände empört.
Das Virus trifft in Deutschland nur die jungen, großen, blonden und kerngesunden Menschen. Daher befindet sich Merkel ja in Quarantäne und es werden Milliarden Hilfspakete erlassen, um das Problem der 90 erklärten Toten (d.h. dieselbe Anzahl der Toten wie in der Schweiz, wo die Bevölkerung acht Mal kleiner ist!) in 1,5 Monaten auf 82 Millionen Menschen zu lösen.
Es geht um „Buying time“: Es wird mit der Zeit gespielt. Und diese Zeit zahlen die nicht statistisch erfassten Toten. Berlin manipuliert die eigene öffentliche Meinung. Gleichzeitig gibt der Staat der Wirtschaft Finanzspritzen. Denn man möchte ja gewährleisten, dass Deutschland auch in der „Nachviruszeit“ im Zentrum des europäischen Systems bleibt, denn darin besteht ja seine „Machstellung“. Und für die Macht opfert man ja alles.
[Dieser Post gehört zu einer Reihe von Posts über freie Ansichten. Natürlich verfolge ich die Sache seit Tagen und habe so viel wie möglich darüber gelesen und mich im Rahmen des Möglichen informiert. Wenn jemand Daten posten möchte, die mehr Licht aufs Thema werfen, ist er/sie willkommen (bitte keine Artikel mit Hirngespinsten senden). Mal sehen, wer mich dazu bewegt, meine Meinung zu ändern …]
ERL, 14. März 2020
http://tlaxcala-int.org/upload/gal_22103.jpg
ERL, 22. Mârz 2020