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Reinhard Pohl von Gegenwind – Ausländerfeindlichkeit entsteht dort, wo es zu wenige Informationen gibt

Von
Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei mein Interview mit Reinhard Pohl von Gegenwind
zu den Hauptzielen seiner Initiative und von der Bedeutung, sich durch
Information für Flüchtlinge einzusetzen.



Welche
sind die Hauptziele von Gegenwind?
Der
»Gegenwind« ist eine Zeitschrift für Schleswig-Holstein von und für
Initiativen. Mit der Herausgabe ermöglichen wir es Initiativen, ihre Positionen
und Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen. Das betrifft Initiativen
auf unterschiedlichsten Gebieten: Wohnungsnot, Globalisierung, Flüchtlingen,
Frauenrechte, Umweltschutz, Verkehrsplanung, Klimapolitik und vieles andere.
Sie senden uns Beiträge, die namentlich unterschrieben sein müssen, wir
veröffentlichen einmal im Monat die Zeitschrift. Finanziert wird alles durch
die Abonnements, die auch die Verbreitung der Zeitschrift sichern.

Was machen
Sie für Asylanten und Flüchtlinge?
Für Flüchtlinge
setzen wir uns ein, indem wir auch aus diesem Bereich Beiträge von Initiativen
veröffentlichen. Darüber hinaus machen wir regelmäßig Interviews mit
Flüchtlingen, so dass diese sich selbst zu ihren Fluchtgründen und den
Bedingungen ihrer Aufnahme hier äußern können.
Darüber hinaus
geben wir parallel zur Zeitschrift eine Broschürenreihe heraus. In ihrer werden
einerseits Herkunftsländer und Fluchtursachen thematisiert, andererseits Fragen
der Aufnahme hier, zum Beispiel der Ablauf des Asylverfahrens, die Aneignung
interkultureller Kompetenz, der Umgang mit Rassismus. Diese Broschüren werden
online und im Buchhandel angeboten und bundesweit verkauft. Oft werden auch
Päckchen für Seminare bestellt, weil sich die Broschüren gut als Unterlagen für
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildung eignen.
Als drittes
beteiligen wir uns mit Veranstaltungen, indem wir zum Beispiel Referate zu
diesen Themen anbieten. Das sind Veranstaltungen zu einzelnen Herkunftsländern,
auf Wunsch auch mit Dolmetscherin oder Dolmetscher, also zweisprachig. Wenn sie
– nur – auf Deutsch sind, ist es auch möglich, auf mehrere Länder und die
Zusammenhänge einzugehen. So haben wir schon Veranstaltungen zu Syrien, Irak
und dem Islamischen Staat angeboten. Oder zu Äthiopien, Eritrea und Somalia.
Oder zu Afghanistan und Iran. Die Konflikte, die letztlich dazu führen, dass
die Flüchtlinge das Land verlassen müssen, entstehen ja nicht isoliert, sondern
stehen im Zusammenhang miteinander. Wenn sich die Situation in Äthiopien
verändert, wie es seit April diesen Jahres der Fall ist, hat das natürlich auch
Auswirkungen auf die vergleichsweise kleinen Nachbarländer Somalia und Eritrea.
Und es hat damit Auswirkungen auf die Asylanträge und das Bleiberecht von
Flüchtlingen hier.
Andere
Veranstaltungen informieren über das Asylrecht oder das Aufenthaltsrecht hier
in Deutschland, auch über humanitäre Lösungen für diejenigen, deren Asylantrag
abgelehnt wurde. Dabei geht es oft auch um die örtlichen Aspekte, weil die
einzelnen Ausländerbehörde eine leicht unterschiedliche Praxis haben,
humanitäre Lösungen anzuwenden. In den verschiedenen Regionen
Schleswig-Holstein oder in Hamburg gibt es auch verschiedene
Beratungsmöglichkeiten und Hilfeangebote – Flüchtlinge haben oft so wenig
Mittel zur Verfügung, dass sie Angebote nur regional nutzen können.
„Asylant“ ist ein
Schimpfwort, das nach der Vereinigung von BRD und DDR von Nazis geprägt wurde,
um die Opfer ihrer Anschläge zu entmenschlichen. Wir weisen bei Veranstaltungen
darauf hin, dass solche Ausdrücke von uns nicht verwendet werden.

Auf wie viel
Widerstand stoßen Sie in Ihren Regionen, wenn es um Unterstützung von
Ausländern und Flüchtlingen geht?
Wir stoßen auf
keine Widerstände. Das liegt sicherlich auch daran, dass Schleswig-Holstein
nach dem Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung durch Flüchtlinge mehr als
verdoppelte. Daher ist es hier bekannt, dass das Zusammenleben organisiert
werden muss, damit alle von der Aufnahme von Flüchtlingen profitieren können.
Da zu Zeit (Herbst 2018) nur noch wenige Flüchtlinge die Grenzsicherung
überwinden können, plant die Landesregierung ein zusätzliches Aufnahmeprogramm
für Flüchtlinge, über das verschiedene Beiträge in der Zeitschrift erschienen
sind. Auch diese Aufnahme stößt natürlich auf keine Widerstände.
Außerdem sind
Zeitschrift und Broschüren der rechten Szene nicht so zugänglich wie
Online-Veröffentlichungen. Zu Veranstaltungen tauchen erfahrungsgemäß
diejenigen, die Flüchtlinge oder Ausländerinnen und Ausländer allgemein ablehnen,
nicht auf. Kritische Fragen dagegen gibt es durchaus, zum Beispiel nach der
Rate der Kursabbrecher im Deutschunterricht oder nach Gewalt innerhalb von
Familien – aber Veranstaltungen sind ja genau dazu da, solche Probleme zu
besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.





Warum sind
Ihre Hefte zu den Herkunftsländern so wichtig?
Man kann mit den
aufgenommenen Flüchtlingen besser zusammenleben, sich besser auf ihre
Bedürfnisse einstellen und ihre Fragen besser verstehen, wenn man ihre Herkunft
und die Bedingungen in den Herkunftsländern kennt. Außerdem zeigen alle
Erfahrungen: Vorurteile oder Widerstände gegen die Aufnahme von Flüchtlingen
entstehen vor allem dort, wo Informationen fehlen.
Die Flüchtlinge,
die kommen, werden ja zentral aufgenommen, aber dann in Schleswig-Holstein in
die Kreise, in Hamburg in die Bezirke verteilt. Wer sich dort anbietet, als
Freiwillige oder Freiwilliger Flüchtlinge mit Nachhilfe für Schulkinder,
Begleitung bei Behördengängen oder auch der Vorbereitung von Familienfesten zu
unterstützen, weiß vorher nicht, aus welchem Herkunftsland diejenigen kommen,
die in ihrer oder seiner Nachbarschaft landen. Insofern hilft es, dass man sich
durch die Broschüren schnell über ein Herkunftsland informieren kann, wenn die
Frage auftaucht.
Die Broschüren
werden regelmäßig überarbeitet, wenn sie ausverkauft sind und nachgedruckt
werden. Jedes Mal können wir auch die Fragen und Einwände aus Veranstaltungen
verwenden, damit die Überarbeitung sie noch lebensnaher und
benutzerfreundlicher macht. Soweit wir hören, merkt man das den Broschüren auch
an. Sie sind weder am Schreibtisch noch bei Länderreisen entstanden, sondern
viele Informationen kommen durch Beiträge von hier lebenden Flüchtlingen in
Veranstaltungen zusammen.

Wie können
wir Ausländerfeindlichkeit am besten bekämpfen?
Ausländerfeindlichkeit
entsteht dort, wo es zu wenige Informationen gibt und „Ausländer“ als Gruppe
verstanden werden, deren Mitglieder identische Eigenschaften haben. Sobald es
Informationen gibt, ist es möglich, zwischen einer Studentin aus Schweden und
einem Bauarbeiter aus Nigeria zu unterscheiden, der Begriff „Ausländer“ als
gemeinsamer Begriff für beide wird unsinnig.
Außerdem ist es
wichtig, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus beim ersten Aufkommen kompromisslos
abzulehnen.

Was haben
Sie bisher mit Gegenwind erreicht und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wir haben ein
stabiles Unterstützer-Feld geschaffen, das in allen Kreisen und Orten in
Schleswig-Holstein existiert. Wir wünschen uns, dass es später auch in Hamburg
ein ähnlich hilfreiches und stabiles Umfeld als Leserinnen und Lesern sowie
Autorinnen und Autoren gibt.
Fotos:
zweisprachige Veranstaltung zu Albanien und Kosovo am 26. März 2016 in Kiel.