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Das Uganda-Feature (III)

von Claus Folger, September 2018
„Das bedeutet Bürgerkrieg!” Carl Hildingsson ist sich da sicher. Der Unternehmer aus Schweden betreibt heute Restaurants und Cafes in Jinja, einem netten Städtchen an den Quellen des Nils am Victoriasee, nachdem er vorher zehn Jahre lang CEO von Dale Carnegie Training in Stockholm war. Er verweist auf folgende Aussage, die Museveni etwa vor einem halben Jahr gemacht haben soll: „It took a hammer to nail me to be president of Uganda, and it will take a hammer to take that nail out.” 

Carl Hildingsson beschreibt die Menschen in Uganda als sehr freundlich. Im Gegensatz zu Stockholm beobachtete er hier fast keine Wirtshausschlägereien. Doch könne die Stimmung sehr schnell kippen, so „wie ein Buschfeuer, das plötzlich da ist“. Bei der letzten Wahl seien Tausende Anhänger Musevenis durch die Straßen marschiert, bereit, diejenigen zu töten, die sich ihnen in den Weg stellten.
Mich gruselt es schon wieder. Einen Tag vorher hatte mir ein Popkornverkäufer in Kampala erzählt, dass sie gleich da in der Straße meines Gästehauses vor einer Woche einen Dieb in Selbstjustiz gelyncht hätten. In der Straße ist es auch enorm dunkel. Kein Wunder, dass es abends und nachts vor Dieben nur so wimmelt.
Hildingsson sieht schwarz: „Vor den nächsten Präsidentschaftswahlen 2021 möchte keiner mehr investieren. Alle Weißen, die etwas besitzen, gehen raus. Alle Firmen sind for sale. Es gibt keine Investoren mehr. Sie haben Angst vor möglichen – von der Regierung provozierten – Unruhen.“
Der Unternehmer hat schon in 42 Ländern gelebt. Uganda ist für ihn das korrupteste: „Nobody is following the rules!“ – „Das glaube ich aufs Wort“, stimmt mein Gästehausvater in Kampala später ein. „In diesen Tagen kann man in Uganda wegen der ganzen Bürokratie und den Abgaben kein Geschäft mehr aufziehen, es sei denn, man kennt jemand aus der Regierung“, meint eine Bekannte, die für eine Zweigstelle einer japanischen Autofirma in Kampala arbeitet. Zuletzt äußerte sich auch Deborah Malac, die US-Botschafterin für Uganda, zur steigenden Korruption: „Wir erwarten Wettbewerbsgleichheit, aber wir hören zu viele Geschichten von Verträgen, die ignoriert werden und von US-Unternehmen, die betrogen werden.“ Für Jenerali Ulimwengu, den Vorstandsvorsitzenden von Raia Mwema newspaper, ist „Betrug die Tageslosung in Afrika“. In einem Meinungsbeitrag für The EastAfrican http://www.theeastafrican.co.ke/oped/comment/Human-agency-and-video-assisted-referee/434750-4645736-bbxvgbz/index.html fordert er daher die Einführung des Videobeweises wie bei der WM in Russland, da „auf diesem Kontinent fast jeder in Verantwortung alles tue, um illegal von seiner Position zu profitieren“.
Der Übergang zu den 456 Parlamentsmitgliedern von Uganda könnte nicht perfekter sein. Ewigkeitspräsident Museveni hat aus Sicherheitsgründen – in den letzten zwei Jahren hatte es einige Ermordungen, Entführungen und Verschleppungen von prominenten Persönlichkeiten gegeben, darunter auch von Politikern – jedes einzelne Mitglied mit einer bewaffneten Polizeieskorte in Form von gepanzerten Kleinlastwagen und Scharfschützen ausgestattet. – Muss man dieses Land haben? 
Und was machen eigentlich die 456 extravaganten Parlamentsmitglieder sonst so, außer um ihr Leben zu fürchten? Nach Medienberichten erhalten die 456 Extravaganten 54.720.000$ pro Jahr an Gesamtbezügen. Politiker mit dicken Taschen sind für Ugandas gierige Geldverleiher eine fette Beute. Und es gibt ja so viel zu kaufen, nicht nur dicke Luxusautos. Das bedeutet, dass schon nach einem Jahr die Hälfte ihrer Bezüge an diese Geldverleiher geht. Vielen Parlamentsmitgliedern bleibt nach Abzügen nicht mehr als 10$ oder 20$ im Monat übrig. Einige landen wegen Überschuldung im Gefängnis, wenn sie nach der Legislaturperiode von fünf Jahren nicht wiedergewählt werden, weil nämlich dann ihre Immunität aufgehoben würde. „Aber warum sollten Schuldner mit Scharfschützen und gepanzerten Wagen jetzt noch Angst vor Geldeintreibern haben?“, fragt abschließend The EastAfrican.
Googeln Sie einfach „MP, Uganda, moneylender“. Alles, was Sie aus einem europäischen Überlegenheitsgefühl heraus abschätzig über afrikanische Politiker denken, stimmt. Und wenn schon die meisten Parlamentsmitglieder zu unfähig sind, ihre privaten Finanzen zu kontrollieren, wie soll dieser marode und selbstsüchtige Haufen dann noch die Finanzen eines Staates konsolidieren? „So haben sich die Schulden Ugandas in den letzten drei Jahren fast verdreifacht, wobei zwei Drittel des Geldes zu hohen Zinsen aus dem Ausland geliehen wurde“, schreibt The East African Monitor.
Uganda hatte früher mehr Einsatzbereitschaft seiner Volksvertreter/Clanvertreter gesehen. Bis 2004 galt z.B. die ugandische AIDS-Politik als eine der fortschrittlichsten auf dem ganzen Kontinent. Waren zur Hochzeit der Aids- Epidemie 1992 in Uganda noch 18% der Bevölkerung mit dem HIV-Virus infiziert, sind es heute nur noch ca. 6,5%, allerdings mit einem stark überproportionalen Anstieg der Neuinfizierten nicht nur im weltweiten Vergleich, sondern auch im Verhältnis zu den Nachbarländern. Das liegt nicht zuletzt an der sehr repressiven Politik gegen Homosexuelle, die sich für eine HIV-Beratung kaum outen werden. Uganda steht im Human Development Index hinter seinen Nachbarn Kenia, Ruanda und Tansania und erreicht noch nicht einmal den Subsahara-Afrika Durchschnitt.
Als Yoweri Museveni 1987 als eines der ersten afrikanischen Staatsoberhäupter das Problem Aids offen ansprach, hatte er sogar ein geschicktes Händchen für Bildungsferne. Weil keine Therapie und kein Geld für Kondomkampagnen zur Verfügung standen, hielt er seine Männer zur Treue an. Zero-grazing nannte er das in Anspielung auf Rinder, die nur auf der eigenen Wiese grasen sollen. Die landwirtschaftliche Metapher wurde von der überwiegend ländlichen Bevölkerung verstanden. 
Heute stößt Museveni die ländliche Bevölkerung ins wirtschaftliche Abseits. Es ist die Besteuerung jeder einzelnen Mobile-Money-Geldtransaktion. Diese wurde parallel zur sogenannten Facebook-Steuer eingeführt, worunter die weltweit einmalige Besteuerung der mobilen Nutzung sozialer Medien zu verstehen ist. An der Bar meines neuen Gästehauses in Entebbe vertiefe ich mich in die ausgelegte Presse und frage nach. Barkeeper Justin erläutert die Auswirkungen auf die armen, nicht ausgebildeten Leute: „Sie haben den Banken nie vertraut und das Geld immer irgendwo zu Hause gebunkert. Mit Mobile Money hatten sie endlich das Gefühl, ihr Geld sicher in der Tasche dabeizuhaben. Wenn sie ihr Mobile Phone herausnahmen, dann war das für sie so, als ob sie ihre Brieftasche ziehen würden. Sie konnten dem schnellen und zuverlässigen Service immer vertrauen. Dieser ganze Entwicklungssprung wird jetzt kaputtgemacht.“ Man könnte auch formulieren, dass durch die Besteuerung von Mobile Money, das die Menschen den kommerziellen Banken klar vorgezogen haben, die finanzielle Inklusion der Armen aufs Spiel gesetzt wird. 
Hier eine Stimme von vielen in den Medien: „I used to send money to my mother every week through mobile money but I have decided that I will collect that money and board a taxi at the end of the month to take it myself because it appears cheaper than sending it.“ Meistens wird Mobile Money in Uganda für kleine Geldtransaktionen genutzt. Julius Mukunda, der executive direktor of the Civil Society Budget Advocacy Group berichtet dem Sunday Monitor: „In unserer Studie fanden wir heraus, dass zu 60% nur kleine Geldbeträge via Mobile Money transferiert werden. Das ist ein klarer Indikator dafür, das Mobile Money ganz gewöhnliche Leute nutzen. Es ist daher nicht richtig zu behaupten, dass diese Plattform für die Reichen ist, sie ist für die Armen.“
Julius Mukunda schätzt, dass mit Einführung der Steuer 50% der Bauern für Mobile Money verlorengehen.
Barkeeper Justin sagt offen: „Die Regierung sieht, dass die Leute ohne Mobile Money nicht klarkommen, also besteuert sie es.“ – „Das bedeutet aber, dass Uganda eine Diktatur ist“, hake ich nach. „Ja natürlich, eine Diktatur, die ihre eigenen Leute kaputtmacht!“ Sein Kollege Owen äußert sich ebenso ungezwungen: „Mindestens 40% der neuen Steuern gehen direkt in die Taschen der Politiker.“
Fast mit Wehmut liest man, was das vom Bundesministerium des Innern geförderte Kompetenzzentrum Öffentliche IT 2013 zu Mobile Money schrieb:
„Während immer wieder IKT-Unternehmen digitale Zahlungsverkehre als Geschäftsfeld entdecken und zu erschließen versuchen, ist Mobile Money in anderen Weltregionen bereits ein weithin akzeptierter Zahlungsweg. Insbesondere in Ostafrika hat sich der Transfer von elektronischem Geld mit dem Mobiltelefon als Ergänzung und Ersatz für Angebote klassischer Finanzinstitute etabliert. Die dort gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse gilt es, nutzbar zu machen und wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen abzuleiten. Was also lässt sich in Zeiten der Digitalisierung von Geschäftsmodellen bei den Finanzdienstleistungen von Ostafrika lernen?“
Von Uganda lernen, das war einmal (…)
Mein Urlaub endet nun. Ein letztes Mal an der Bar, wo ich den Chefgeologen Dean Besserer treffe. Er macht mir gleich seinen Kobaltexplorer M2 Cobalt schmackhaft. Die Geologie in Uganda ähnele der im Kongo, wo viele der hochgradigsten Kobaltminen der Welt liegen würden. Außerdem hätten sie zum Investieren acht Mio. Euro in der Kasse. Dean war beruflich schon in vielen Ländern Afrikas. Überall sei es gefährlich gewesen, von der Zentralafrikanischen Republik bis nach Kamerun. Immer habe es bedrohliche Situationen gegeben, nur in Uganda nicht, wo er sich jetzt seit einem Jahr aufhält. Hier seien die Menschen freundlich und weitgehend ohne Vorbehalte. Uganda ist daher für ihn Afrika für Einsteiger.
Das hätte jetzt ein schönes Schlusswort sein können. Ich packe aber lieber meine Koffer und mache mich zur Abreise bereit, denn am Horizont sehe ich schwarze Gewitterwolken für Uganda aufziehen. Was ich nach Hause mitnehme, sind Artikel aus Zeitungen und Magazinen. Obwohl Uganda auf der Rangliste für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nur auf Platz 117 von 180 Ländern geführt wird, drücken sich die Journalisten dort nach meiner Beobachtung viel freier und unangepasster als unsere Journalisten aus. Ein Beispiel ist der Umgang eines Printjournalisten mit Kritik aus dem Netz an der geplanten Freihandelszone zwischen 44 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union, darunter auch Uganda. 
Norbert Mao schreibt im Sunday Monitor: Als man den „Africa Continental Free Trade Area (AfCTA)“ im März in Kigali unterschrieb, wurde dies in den sozialen Medien zynisch aufgenommen. Afrikanische Führer seien ein Haufen ungeeigneter, kleinkarierter, heiße Luft produzierender, egoistischer und gieriger Blutegel, die Dinge unterschreiben, die sie niemals beabsichtigen umzusetzen und auch niemals umsetzen werden. Einiges, wenn nicht sogar das meiste an dem Zynismus ist gerechtfertigt (…)
Dass ein Printjournalist eine abfällige Kommentierung über Merkel aus dem Netz positiv aufgreift, wird in Deutschland – dem Land der allgegenwärtigen Sprachpolizei und der Netzzensur – nie passieren, könnte es auch – nach der Spur der Verwüstung, die ihre Politik durch das Land zieht – noch so gerechtfertigt sein. Trotzdem hat sich Deutschland auf der Rangliste für Pressefreiheit um einen Platz auf Position 15 verbessert.
Ende.