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Wenn die Stunde der Führer schlägt!

Von Evelyn Hecht-Galinski, Sicht vom Hochblauen, 4. Januar 2017. Die traurige Realität meiner vielen Artikel seit
Jahren scheint nun endgültige, traurige Gewissheit zu werden. Das Mantra der
Zweistaatenlösung und die Phrase von „zwei Staaten für zwei Völker“ scheint
sich endgültig erledigt zu haben. Nach der letzten Nahost-Rede von
US-Außenminister Kerry tönt es aus dem fernen Jerusalem von Netanjahu: „Israel
braucht keine Belehrungen von außen für den Frieden“ und vom rechtsradikalen
Erziehungsminister Bennet von der Siedler-Partei: „am 20.Januar nehmen wir
Palästina von der Tagesordnung“.



Trump lässt grüßen, der schon sehnsüchtig von
jüdischen Führern erwartet wird. So wurde Netanjahu auch persönlich gebeten,
der Vereidigung von Trump zum US-Präsidenten in Washington beizuwohnen.
Netanjahu könnte nach der Trump Einsetzung die Endphase des zionistischen
Landraubs vollenden, aber wird er dann Bennetts Vorschlag folgen und die
Annexion des gesamten besetzten Westjordanlandes in Angriff nehmen?
Dabei ist Palästina doch schon lange von der
Tagesordnung der internationalen Staatengemeinschaft, die doch so viel Wert auf
die Einhaltung des Völkerrechts besteht, verschwunden! Was hat Kerry letztlich
mit seiner verbitterten Rede erreicht? Die Obama-Administration steht wie alle
seine Vorgänger-Regierungen vor dem Scherbenhaufen einer verfehlten Politik
gegenüber seinem teuren Lieblingsverbündeten Israel.
Kerry ist in seiner Rede leidenschaftlich für die
Zweistaatenlösung eingetreten und hat Israel heftig kritisiert, aber dieser
letzte Appell, nach Jahren misslungener Versuche, die illegale jüdische
Besatzung Palästinas zu stoppen, scheint mehr als hilflos. Weder seine Aussage,
dass „Israel von extremsten Elementen angetrieben wird“, noch dass diese keinen
Frieden, sondern nur Land wollen, ist neu, vielmehr ist diese zionistische
Staatsräson des Landraubs für ein „Groß-Israel“ seit der Staatsgründung
bekannt. Und wer hat das alles ermöglicht? Es waren unter anderem die
Milliarden von US$ Hilfen, die den „Jüdischen Staat“ zu dem gemacht haben, was
er heute ist. Kerrys Vorschläge einer Grenzziehung und Teilung Jerusalems sind
doch ein alter Hut, wurden aber niemals von israelischen Regierungen
akzeptiert. So kam diese „Kerry Ketchup“-Rede Jahrzehnte zu spät und wird
letztendlich ohne Konsequenzen bleiben.
Der „Jüdische Staat“ wurde hochgepäppelt zu einem
rechtsradikalen faschistischen Regime, das sich selber zur „einzigen Demokratie
im Nahen Osten“ fantasiert und als westliches Bollwerk gegen die muslimischen
Terroristen (sprich: arabische Welt) hausieren geht, darf ungestraft
weitermachen mit der gegen das Völkerrecht gerichteten illegalen Besatzung
Palästinas.
Immer wieder haben wir es mit dieser Irreführung zu
tun, nämlich dass der „Jüdische Staat“ jüdisch und demokratisch sei. Ein
„Jüdischer Staat“, der sich auf judaistischen Thora-Gesetzen bezieht, ein
„Groß-Israel“ der „Auserwählten“, das in einem unverbrüchlichen Pakt mit Gott
bis in alle Ewigkeit nur dem „Jüdischen Volk“ gehört. Mit diesem „göttlichen“
Argument wähnt man sich konkurrenzlos, gefeit gegen alle politischen Argumente.
Schon schlug die berüchtigte Likud (Un-)Kulturministerin Miri Regev Kerry vor,
er solle doch lieber Washington anstatt Jerusalem zu teilen und gipfelte in der
Behauptung, „Jerusalem sei die Hauptstadt von Israel und das seit 3000 Jahren
und das wird es für die nächsten 3000 Jahre auch bleiben“. Diese Ministerin,
die israelische Künstler, die sich weigerten, in illegalen Siedlungen
aufzutreten, mit quasi Arbeitsverbot zur Räson zu bringen versuchte, und damit
eine Kultur-Zensur betreibt, die man sonst nur aus Diktaturen kennt. Regev
zeigt genau den Weg dieser unheilvollen Politik, die ins Verderben für ein
freies Palästina führt. Währenddessen wollen Justizministerin Ayelet Shaked und
der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, ein neues Gesetz auf den
Weg bringen, um „hetzerische“ Posts bei Facebook, youtube und Co. löschen zu
können, um so unliebsame Gegner auszuschalten. Denn nicht die illegale Besatzung
Palästinas, die es laut israelischer Politiker gar nicht gibt, die
Hoffnungslosigkeit und Demütigung der palästinensischen Jugend, sei schuld am
Widerstand leistender Palästinenser, sondern die „mörderische Aufhetzung“ des
Internets, so einfach ist das zionistische Besatzungs-Weltbild. Schließlich ist
Shaked ja Fachfrau für hetzerische Postings auf Facebook, denn vor nicht allzu
langer Zeit forderte sie dort, nicht nur palästinensische „Terroristen“,
sondern auch deren Mütter sollten getötet werden, damit sie keine kleinen
Schlangen mehr gebären können!
Unbeschadet dieser ungeheuerlichen Äußerung veranstaltete der deutsche
Justizminister Maas (SPD) in trauter Einigkeit mit Shaked eine Konferenz,
ausgerechnet zum Thema „Demokratie und Rechtsstaat“!
Neben vielen rassistischen Sprüchen, in die sich
die Shaked-Äußerung nahtlos einfügt, bezeichneten Siedler-Rabbiner und Sprecher
Kerry als „schlechtesten“ US-Außenminister aller Zeiten und warfen der
Obama-Regierung vor, Israel als engstem Verbündeten „ein Messer in den Rücken
gerammt zu haben“. Allerdings kann davon gar keine Rede sein, denn vielmehr
beißt der „jüdische Hund“ in die Hand des US-Herrchens, nachdem von der
Obama-Regierung Rüstungsgüter und finanzielle Hilfen nochmals aufgestockt
wurden!
Durch seinen ultra-religiösen Nationalismus hat
sich der „Jüdische Staat“ zu einem „Gottes-Staat“ entwickelt, der allen
„Feinden“ auf Erden trotzt, immer das Recht auf seiner Seite wähnt,
Menschenrechte und die illegale Besatzung Palästinas als nicht existent bezeichnet,
sich in seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit als gerechtfertigt
eingerichtet hat, und im Bewusstsein als auserwähltes Volk und nach dem
Holocaust glaubt, alle göttlichen und damit weltlichen Werte auf seiner Seite
zu haben.
Mit der jahrzehntelangen illegalen Besatzung
Palästinas haben diese jüdischen Fundamentalisten Fakten geschaffen, die eine
Zweistaatenlösung niemals gewollt und schon längst beerdigt haben. Der Faktor
Zeit hat dem Netanjahu-Regime, wie so vielen anderen israelischen Regimes zuvor,
geholfen, und die mehr als zurückhaltende Kritik von Seiten der
„Wertegemeinschaft“ ließ sich gut verkraften, wussten sie doch immer, dass
diese Kritik nicht mehr als ein Pfeifen im Walde ist, darüber hinaus, sich
Deutschland mit seinem „besonderen“ Verhältnis immer wieder mit den
israelischen Regimes solidarisiert hat. Wenn also Außenminister Steinmeier in
Absprache mit Kanzlerin Merkel die Kerry-Rede positiv bewertete und die
Siedlungspolitik kritisierte, kann man nur den Kopf schütteln angesichts dieser
Heuchelei. Wie lange noch kann sich Netanjahu trotz aller Differenzen sich
brüsten, sich auf Merkel und Berlin als wichtigsten europäischen Partner
verlassen zu können? Tatsächlich erleben wir in Deutschland eine
philosemitische Welle, die den Antisemitismus nahtlos ablöst hat, angeführt von
Merkel und Politikern nahezu aller Parteien. Vereint im Kampf gegen
„islamistischen Terror“, der zu einer nie geahnten rassistischen Stimmung
führt, wie sich auch in der Silvester-Nacht in Köln gezeigt hat. Diese neue Art
des vorsorglichen Versuchs der Verhinderung von Straftaten sollte uns alle mehr
als besorgt machen. Heute sind es „Nafris“, denen eine „Grundaggressivität
bescheinigt wird, morgen sind es andere Missliebige der Staatsgewalt, wie z.B.
Israel-Kritiker oder wer auch immer. Wenn also Merkel in ihrer Neujahrsrede von
neuer Führung spricht, die Deutschland in Europa übernehmen wird, so fragt man
sich, wohin soll das führen? Die immer stärker werdende mit einer rassistischen
Grundaggressivität gespickte Redelust rechter Politiker von CDU/CSU bis AfD
sollte uns mit großer Sorge erfüllen.
Wollen wir wirklich wieder die Führung in
Kriegseinsätzen und sogenannter Anti-Terror Bekämpfung, auf Kosten der Freiheit
für unsere vermeintliche Sicherheit übernehmen? Soll das unsere
„christlich-jüdische Leitkultur“ werden? Nein danke! Genug der deutschen
Staatsräson für die Sicherheit von Israel, genug der politischen Predigten, von
Gauck bis Merkel und vielen anderen. Ja, wir lassen uns unsere Freiheit nicht
nehmen, dafür lohnt es sich einzutreten 2017, sollte die Stunde der Führer
schlagen.