Meine Ehrung an Babikir Adham Abdo von Ana Camusso
von Ana Camusso, ProMosaik, 16. Januar 2016, deutsche Übersetzung von Beyza Ünver und Milena Rampoldi,
ProMosaik. Meine Ehrung an Babikir Adham Abdo, einem Flüchtling aus Darfur,
der im November 2016 in der Stadt Petaj Tikva in Israel von zwei Jugendlichen
ermordet wurde. Letztendlich erhob der Staatsanwalt Klage
gegen die beiden Jugendlichen, Dennis Bershivitz, 19 und ein 16-jähriges Kind, wegen
unvorsätzlichen Totschlags. Dem Staatsanwalt zufolge handelte es sich um einen
unvorsätzlichen Totschlag und nicht um Mord, da nämlich nicht bewiesen werden
kann, dass die beiden Jugendlichen beabsichtigt haben, Adham-Abdo das Leben zu nehmen.
Zudem behauptet er, man könne nicht beweisen, dass die Täter mit rassistischen
Beweggründen gehandelt hatten.
ProMosaik. Meine Ehrung an Babikir Adham Abdo, einem Flüchtling aus Darfur,
der im November 2016 in der Stadt Petaj Tikva in Israel von zwei Jugendlichen
ermordet wurde. Letztendlich erhob der Staatsanwalt Klage
gegen die beiden Jugendlichen, Dennis Bershivitz, 19 und ein 16-jähriges Kind, wegen
unvorsätzlichen Totschlags. Dem Staatsanwalt zufolge handelte es sich um einen
unvorsätzlichen Totschlag und nicht um Mord, da nämlich nicht bewiesen werden
kann, dass die beiden Jugendlichen beabsichtigt haben, Adham-Abdo das Leben zu nehmen.
Zudem behauptet er, man könne nicht beweisen, dass die Täter mit rassistischen
Beweggründen gehandelt hatten.
Babikir schrieb auf ein Blatt Papier.
Die
Nachricht verbreitete sich. Es wurde spät veröffentlicht und die Leute
trauerten nicht lange.
Nachricht verbreitete sich. Es wurde spät veröffentlicht und die Leute
trauerten nicht lange.
Wer
sich dessen bewusst war, vergaß es schnell. Aber nicht ich. Als ich heute das
Patio Viertel überquerte und einige junge Sudanesen traf, während sie zur
Arbeit gingen, kam mir das Bild Babikirs in den Sinn. Babikir Adham-Abdo, der
40-jährige Sudanese, der aus dem Bürgerkrieg in seinen heimischen Darfur
geflohen war, wurde von zwei israelischen Jugendlichen in Petah Tikva, einer
Stadt in der Nähe von Tel-Aviv, die er kaum kannte, auf offener Straße getötet.
Als bildnerische Künstlerin kommen in mir starke Gefühle in Form von
überlagerten Bildern hoch, die in Verbindung mit anderen Bildern mein
Gedächtnis durchqueren. Wenn dies geschieht, greife ich nach einem Blatt und
nach einem Bleistift oder was mir auch immer in die Hände gerät, und fange an
zu zeichnen. Diesmal passierte es auf dem Heimweg, sodass ich in einer
Cafeteria hielt, ein Blatt Papier zur Hand nahm und eine unvollständige
Silhouette eines Mannes skizzierte. Die Silhouette erinnerte mich an die wildesten
westlichen Kunstwerke, als wäre sie Teil des Werkes des spanischen Malers Goya „Duell
mit Knüppeln“, das zwischen 1820 und 1823 entstand. In diesem Gemälde sind zwei
mit Schlägern bewaffnete Männer abgebildet, die sich gegenseitig angreifen, wo sie scheinbar knietief in einem
Sumpf aus Schlamm oder Sand festsitzen. Es gibt keinen Ausweg: das Schicksal
der beiden Männer ist der Kampf bis zum Tode. Die Landschaft ist abgestreift,
grau und trocken. Die Einsamkeit und der Tod gehen Hand in Hand. Der Beobachter
ist der einzige Zeuge des Zusammenstoßes.
sich dessen bewusst war, vergaß es schnell. Aber nicht ich. Als ich heute das
Patio Viertel überquerte und einige junge Sudanesen traf, während sie zur
Arbeit gingen, kam mir das Bild Babikirs in den Sinn. Babikir Adham-Abdo, der
40-jährige Sudanese, der aus dem Bürgerkrieg in seinen heimischen Darfur
geflohen war, wurde von zwei israelischen Jugendlichen in Petah Tikva, einer
Stadt in der Nähe von Tel-Aviv, die er kaum kannte, auf offener Straße getötet.
Als bildnerische Künstlerin kommen in mir starke Gefühle in Form von
überlagerten Bildern hoch, die in Verbindung mit anderen Bildern mein
Gedächtnis durchqueren. Wenn dies geschieht, greife ich nach einem Blatt und
nach einem Bleistift oder was mir auch immer in die Hände gerät, und fange an
zu zeichnen. Diesmal passierte es auf dem Heimweg, sodass ich in einer
Cafeteria hielt, ein Blatt Papier zur Hand nahm und eine unvollständige
Silhouette eines Mannes skizzierte. Die Silhouette erinnerte mich an die wildesten
westlichen Kunstwerke, als wäre sie Teil des Werkes des spanischen Malers Goya „Duell
mit Knüppeln“, das zwischen 1820 und 1823 entstand. In diesem Gemälde sind zwei
mit Schlägern bewaffnete Männer abgebildet, die sich gegenseitig angreifen, wo sie scheinbar knietief in einem
Sumpf aus Schlamm oder Sand festsitzen. Es gibt keinen Ausweg: das Schicksal
der beiden Männer ist der Kampf bis zum Tode. Die Landschaft ist abgestreift,
grau und trocken. Die Einsamkeit und der Tod gehen Hand in Hand. Der Beobachter
ist der einzige Zeuge des Zusammenstoßes.
Im
Sekundentakt verlegt sich das Gemälde dieses Duells in die israelische Stadt
Petah Tikva, wo die Protagonisten – anders als in der Szene im Gemälde Goyas – das
Opfer und seine zwei Mörder sind. Dem Opfer Babikir fehlen einige Finger an
einer Hand. Diese hatte er in einem früheren, unglücklichen Kampf verloren.
Babikir ist unbewaffnet. Nachdem er bereits einen Völkermord überlebt hatte,
war dieser fremde schwarze Mann ein paar Monate zuvor aus einem Gefängnis für
Afrikaner in der israelischen Wüste entlassen worden und war mit seinem
Mitbewohner ausgegangen, um einen netten Abend zu verbringen. Einer der in dieser
Stadt geborenen Mörder – alt genug, um Babikirs Sohn zu sein – war weiß, wollte
keine Ausländer in seinem Land haben und war entschlossen, Babikir zu töten. Er
schlug Babikir gnadenlos eine Stunde lang oder vielleicht sogar noch länger,
bis er schließlich zusammenbrach. Als Babikir nach einigen Stunden von einem
Krankenwagen abgeholt wurde, war er fast leblos und starb einige Tage später ganz
allein in einem israelischen Krankenhaus.
Sekundentakt verlegt sich das Gemälde dieses Duells in die israelische Stadt
Petah Tikva, wo die Protagonisten – anders als in der Szene im Gemälde Goyas – das
Opfer und seine zwei Mörder sind. Dem Opfer Babikir fehlen einige Finger an
einer Hand. Diese hatte er in einem früheren, unglücklichen Kampf verloren.
Babikir ist unbewaffnet. Nachdem er bereits einen Völkermord überlebt hatte,
war dieser fremde schwarze Mann ein paar Monate zuvor aus einem Gefängnis für
Afrikaner in der israelischen Wüste entlassen worden und war mit seinem
Mitbewohner ausgegangen, um einen netten Abend zu verbringen. Einer der in dieser
Stadt geborenen Mörder – alt genug, um Babikirs Sohn zu sein – war weiß, wollte
keine Ausländer in seinem Land haben und war entschlossen, Babikir zu töten. Er
schlug Babikir gnadenlos eine Stunde lang oder vielleicht sogar noch länger,
bis er schließlich zusammenbrach. Als Babikir nach einigen Stunden von einem
Krankenwagen abgeholt wurde, war er fast leblos und starb einige Tage später ganz
allein in einem israelischen Krankenhaus.
Goyas
Gemälde „Duell mit Knüppeln“ war eine Allegorie des Bürgerkrieges mit den
Protagonisten, die die beiden gegnerischen Seiten des Krieges darstellten. Spanien
war über Jahrhunderte das rückständigste Land Europas. Es war von Vertreibungen,
Elend, Hungersnöten, ununterbrochenen Bürgerkriegen und dem Kolonialismus
gekennzeichnet. Schließlich kam es zu einem Zusammenbruch. Dann kam die Hoffnung
auf, der faschistische Sieg von General Franco und Jahrzehnte Krieg würden
Spanien aus seinem Sumpf befreien.
Gemälde „Duell mit Knüppeln“ war eine Allegorie des Bürgerkrieges mit den
Protagonisten, die die beiden gegnerischen Seiten des Krieges darstellten. Spanien
war über Jahrhunderte das rückständigste Land Europas. Es war von Vertreibungen,
Elend, Hungersnöten, ununterbrochenen Bürgerkriegen und dem Kolonialismus
gekennzeichnet. Schließlich kam es zu einem Zusammenbruch. Dann kam die Hoffnung
auf, der faschistische Sieg von General Franco und Jahrzehnte Krieg würden
Spanien aus seinem Sumpf befreien.
In
meiner Zeichnung auf diesem Blatt Papier, sehe ich mir Babikirs Silhouette, die
sich ganz allein in Richtung einem besseren Schicksal fortbewegt, in Ruhe an.
Er hatte gegen das Land rebelliert, das die Ausländer, die es als Eindringlinge
betrachtete, die die israelische Lebensqualität verderben; er hatte sich
aufgelehnt gegen das Land, das den Asylbewerbern grundlegende Menschenrechte
verweigerte und sie stattdessen, bis zu ihrer endgültigen Vertreibung aus dem
Land, zu einem höllischen Leben verurteilte; er hatte seine Stimme erhoben gegen
das Land, das Babikir jahrelang unrechtmäßig festgenommen und ihm jede Hoffnung
genommen hatte; und er hatte sich aufgelehnt gegen das Schicksal, das ihn in
die dunklen Straßen von Petah Tikva führte, aus denen er nie wieder zurückkehren
würde. Es wird Jahrzehnte dauern, bis Israel aus seinem eigenen Sumpf kommen
wird.
meiner Zeichnung auf diesem Blatt Papier, sehe ich mir Babikirs Silhouette, die
sich ganz allein in Richtung einem besseren Schicksal fortbewegt, in Ruhe an.
Er hatte gegen das Land rebelliert, das die Ausländer, die es als Eindringlinge
betrachtete, die die israelische Lebensqualität verderben; er hatte sich
aufgelehnt gegen das Land, das den Asylbewerbern grundlegende Menschenrechte
verweigerte und sie stattdessen, bis zu ihrer endgültigen Vertreibung aus dem
Land, zu einem höllischen Leben verurteilte; er hatte seine Stimme erhoben gegen
das Land, das Babikir jahrelang unrechtmäßig festgenommen und ihm jede Hoffnung
genommen hatte; und er hatte sich aufgelehnt gegen das Schicksal, das ihn in
die dunklen Straßen von Petah Tikva führte, aus denen er nie wieder zurückkehren
würde. Es wird Jahrzehnte dauern, bis Israel aus seinem eigenen Sumpf kommen
wird.
Vgl. hierzu auch unseren Artikel über David Sheen: