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FIZ – für die Opfer des Menschenhandels in der Schweiz


Von Milena Rampoldi und Denise Nanni, ProMosaik. Deutsche
Übersetzung von Beyza Ünver. Von
ASTRA
Serbien
gehen wir nun in die Schweiz, um erneut
über die Frage des Frauenhandels zu sprechen. Wir haben uns mit Rebecca von der
FIZ (Fachstelle Frauenhandel
und Frauenmigration)
mit dem Fokus auf den Schutz von
Frauen  vor dem Menschenhandel
unterhalten.

Wie können Migrantinnen mit Ihrer Organisation in Kontakt treten?

Die FIZ betreibt zwei Outreach-Programme: die Beratungsstelle für
Migrantinnen und  Makasi – Beratungs- und
Unterstützungsdienste für Opfer des Frauenhandels. FIZ berät Migrantinnen, die seitens
ihrer Ehemänner, Partner, Arbeitsgeber oder anderer Menschen in ihrer Umgebung Ausbeutung
oder Gewalt erleiden. Wir unterstützen auch Migrantinnen im Milieu der
Prostitution, die bei der Beantragung einer Arbeitserlaubnis aufgrund der
komplexen Bürokratie in Schwierigkeiten geraten. Unsere Türen sind offen für
Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa, die Probleme mit ihren
Aufenthaltsgenehmigungen oder einem nicht dokumentierten Status haben. Unsere
Beratungsdienste können persönlich oder telefonisch erreicht werden. Sie sind
immer kostenlos und vertraulich. Wir sind unter der Rufnummer:+41 44 436 90 00
zu erreichen. FIZ Makasi bietet auch eine umfassende professionelle Hilfe für
Überlebende des Frauenhandels an: Krisenintervention, psychosoziale Beratung
mit konkreter Hilfe für Traumapatienten, sicheres Wohnen, Organisation der
Finanzhilfe, Information und Unterstützung gemäß dem Gesetz für Opfer von
Straftaten, Rechtsberatung und Intervention im Bereich von Aufenthaltsangelegenheiten
und auf dem Gebiet des schweizerischen Strafgesetzbuches, die Einschätzung der
Risiken in der Schweiz und die Rückkehr in das Herkunftsland, Unterstützung bei
Strafverfahren, Organisation des Tagesablaufs, Zusammenarbeit mit Fachanwälten,
Ärzten und Therapeuten, Unterstützung bei eventueller Rückkehr in das
Herkunftsland und Zusammenarbeit mit den Behörden im Herkunftsland. Überlebende
des Frauenhandels können uns telefonisch unter er Nummer (+41 44 436 90 00)
erreichen. Möglich ist auch eine Kontaktaufnahme über die Polizei, Klienten, Gesundheits-
und Opferzentren, Nachbarn und anderen Menschen, die die Information an uns
weitergeben.

Welche sind die Haupthindernisse der sozialen Eingliederung der
Opfer?
Die wichtigsten Hindernisse sind Diskriminierung, Stigmatisierung
und fehlende Sprachkenntnisse. Obwohl Migrantinnen, die keinen oder nur einen
präkeren Aufenthaltsstatus haben, theoretisch auch Zugang zu den öffentlichen
Dienstleistungen haben, profitieren sie selten davon. Einige Überlebende werden
nicht als Opfer identifiziert, weil die Behörden sich auf die Rechtsmäßigkeit
oder die Rechtswidrigkeit ihres Status konzentrieren. Sie riskieren, ausgewiesen
zu werden, bevor sie als Opfer identifiziert werden können. Andere
Hinterbliebene, die ohne einen legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben,
suchen keine Unterstützung der Behörden oder der Opfer-Hilfe aus Angst,
abgeschoben zu werden.  Stigmatisierung
und Diskriminierung machen es für Überlebende schwer, sich für ihre Rechte
einzusetzen. Sie haben somit wenig Möglichkeiten, sich in die Gesellschaft zu
integrieren.

Wie hat die Zivilgesellschaft vor Ort bisher auf ihre Sensibilisierungsarbeit
reagiert?
Die FIZ informiert die Öffentlichkeit über den Frauenhandel und
die präkeren Situationen von Migrantinnen. Über 1.000 Personen besuchen
jährlich unsere professionellen Schulungen und Veranstaltungen, die an die
Öffentlichkeit gerichtet sind. FIZ wird auch regelmäßig von den Medien
kontaktiert. Was in der Schweiz fehlt, sind landesweite Schulungen für
Polizei-, Justiz- und Migrationsbehörden. Die meisten Schulungen werden nur in
bestimmten Kantonen angeboten. Dies führt zu großen Unterschieden in der Zahl
der identifizierten Opfer und in der Professionalität der Beamten, die Fälle
bezüglich des Frauenhandels behandeln.

Wie sehen die aktuellen Daten zum Frauenhandel in Ihren Tätigkeitsbereichen
aus?
Es gibt keine zuverlässigen Daten darüber, wie viele Menschen in
der Schweiz jährlich Opfer von Menschenhandel sind. Die Schweizer
Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung spricht die
folgenden Daten an: Gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik wurden in den
Jahren 2009-2014  zwischen 45  und 78 Fälle des Menschenhandels (gemäß Art. 182
SCC) und zwischen 69 und 148 Fälle von Prostitution (gemäß Art.195 SCC)
registriert. Zwischen dem Jahre 2000 und dem Jahre 2014 wurden zwischen zwei
und fünfzehn Menschenrechtsurteile und zwischen sieben und sechsundzwanzig Urteile
wegen Verleitung zur Prostitution pro Jahr rechtskräftig. Natürlich sind diese
Daten keinesfalls ausreichend, wenn man sich die konkrete Zahl der Opfer
ansieht. Denn die Dunkelziffer ist sehr hoch. Im Jahre 2015 behandelten die
Berater von FIZ Makasis 229 Fälle.

Wie arbeiten Sie mit Behörden und Institutionen vor Ort zusammen?
Wir nehmen an mehreren kantonalen Diskussionen gegen den
Menschenhandel teil und kooperieren mit allen aktiven Teilnehmern.  FIZ Makasi wird von 11 Kantonen zur
Unterstützung der Opfer des Menschenhandels beauftragt und arbeitet regelmäßig
mit den Behörden vor Ort zusammen. Die meisten Überlebenden werden von
spezialisierten Menschenhandelseinheiten der Polizei an die FIZ Makasi verwiesen.
Opfer des Menschenhandels können Unterstützung von staatlichen und privaten
Zentren für Opfer-Hilfe anfordern. Die Opfer-Hilfe umfasst sowohl Beratung als
auch medizinische, psychologische, soziale, materielle und rechtliche Hilfe.
FIZ Makasi unterstützt die Überlebenden des Menschenhandels und auch andere
Migrantinnen, die im Umgang mit staatlichen Behörden Gewalt ausgesetzt sind. Wir
koordinieren gegebenenfalls auch verschiedene Dienste.