Die Kriege der nächsten Jahre (V)
Spezialkräfte-Manöver
Wie die Bundeswehr mitteilt, hat sich das deutsche Heer erstmals mit einer Spezialeinheit an einem Manöver in der Türkei beteiligt. Demnach trainierten Angehörige des im niedersächsischen Seedorf stationierten Fallschirmjägerregiments 31 im Rahmen der Übung “Efes” nahe der türkischen Stadt Izmir unter anderem das Schießen mit Panzerabwehrraketen vom Typ “Milan”. Das Manöver fand in der Zeit vom 4. Mai bis zum 4. Juni statt; vertreten waren laut türkischem Generalstab Kampf- und Sondereinheiten aus Deutschland, Polen, Aserbaidschan, Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Großbritannien und den USA. Den deutschen Streitkräften zufolge bestand das primäre Ziel darin, die “multinationale militärische Zusammenarbeit unter den Bündnispartnern zu vertiefen”; insbesondere die Kooperation mit dem türkischen Militär sei “sehr respektvoll und von gegenseitiger Akzeptanz geprägt” gewesen, heißt es. “Höhepunkt” der Übung war nach Angaben der Bundeswehr eine “zweitägige Lehrvorführung”, an der die Seedorfer Fallschirmjäger aktiv mitwirkten. Präsentiert wurden dabei die “Feuervorbereitung durch Artillerie von Land, zur See und in der Luft”, die “amphibische Anlandung von gepanzerten Kräften”, mehrere “Luftlandeoperationen” sowie die “Infiltration” feindlichen Territoriums.[1]
“Einsatzbereit. Jederzeit. Weltweit”
Das an dem von der Türkei ausgerichteten Manöver beteiligte Fallschirmjägerregiment 31 zählt zur “Division Schnelle Kräfte” (DSK) der Bundeswehr. Die Einheit ist nach eigenem Bekunden spezialisiert auf Operationen gegen “Terroristen, Guerillas oder Partisanen”, auf Kommandoaktionen “hinter den feindlichen Linien” und auf Angriffe, die das Ziel haben, “rasch einsatzwichtige Infrastruktur wie Häfen oder Flugplätze in die eigene Hand zu bekommen” (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Man gehöre zu den “Kräfte(n) der ersten Stunde” in einem beliebigen “Einsatzland” und könne “tief im feindlichen Raum” operieren, heißt es [3]; das Motto der DSK lautet folgerichtig “Einsatzbereit. Jederzeit. Weltweit”.[4] Integraler Bestandteil der DSK ist das “Kommando Spezialkräfte” (KSK) der Bundeswehr, das unter anderem in Afghanistan in illegale Tötungen sogenannter Terrorverdächtiger involviert war. Laut einer Selbstdarstellung verfügt die Elitetruppe über “einzigartige Fähigkeiten” [5] und ist in der Lage, “unter allen klimatischen Bedingungen” zu agieren.[6] Zu den Aufgaben des KSK zählen demnach das “Festsetzen von Zielpersonen im Ausland auch gegen deren Widerstand”, das “Gewinnen von Schlüsselinformationen in Krisen- und Konfliktgebieten”, der präventive “Kampf gegen subversive Kräfte” durch die “Bekämpfung von Bedrohungspotenzialen vor dem Wirksamwerden” sowie die gezielte “Lähmung oder Zerstörung wichtiger Einrichtungen, Objekte und Führungssysteme”.[7]
“Hilfe zur Selbsthilfe”
Hinzu kommt laut KSK die “Ausbildungsunterstützung bei Sicherheitskräften in Partnerstaaten”.[8] Erst im Februar dieses Jahres hat die Truppe denn auch an einem entsprechenden Manöver (“Flintlock 2016”) im Senegal und in Mauretanien teilgenommen. Wie Oberst Frank Rapp, Referatsleiter der Abteilung Strategie und Einsatz im Bundesverteidigungsministerium, erklärte, ging es darum, “die Fähigkeiten der nationalen Spezialkräfte Nord- und Westafrikas zu verbessern, um regionalen Bedrohungen begegnen zu können und somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit des afrikanischen Raumes zu leisten”.[9] Das KSK war für die Schulung einer tunesischen Sondereinheit verantwortlich; gemeinsam bildete man der Truppe zufolge ein “Übungsteam”, das “per deutschem Lufttransport ein- und ausgeflogen” wurde und “weitestgehend autark agieren” musste. Die Instrukteure des KSK verfuhren dabei laut einer Selbstdarstellung nach dem Prinzip “Train the Trainer”; den “tunesischen Kameraden” sei “Hilfe zur Selbsthilfe” geleistet worden, hieß es.[10]
Vorbild: US-Spezialkräfte
Die Schulung kooperationswilliger Sondereinheiten fremder Staaten entspricht den Szenarien, die deutsche Militärexperten für künftige westliche Interventionskriege entworfen haben. So wird etwa in einer vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel erarbeiteten Studie zur weltweiten Aufstandsbekämpfung gefordert, “Aufbau, Ausbildung und Unterstützung von Sicherheitskräften anderer Nationen” zu “Kernkompetenzen der Bundeswehr” zu machen: “Investitionen in dieses Fähigkeitsprofil reduzieren die Notwendigkeit eines direkten Kampfeinsatzes deutscher Truppen in einem Stabilisierungseinsatz.” Gerade von den US-Streitkräften könne in dieser Hinsicht “viel gelernt” werden, heißt es: “Insbesondere die amerikanischen Green Berets haben sich als Spezialkräfte mit der Befähigung zum relativ autarken Einsatz bei der Ausbildung und Unterstützung fremder Sicherheitskräfte in Afghanistan und vielen anderen Fällen als äußerst wertvoll erwiesen.”[11]
Strategisches Instrument
Grundsätzlich gelten dem Autor der Studie Spezialkräfte als “strategisches Instrument”, das “angesichts der heutigen Einsatzrealität stetig an Bedeutung gewinnen wird und dementsprechend gefördert und ausgebaut werden muss”.[12] Dieser Auffassung haben sich jüngst auch führende Mitarbeiter deutscher Think-Tanks angeschlossen, die an der Erarbeitung des neuen “Weißbuchs” des Bundesverteidigungsministeriums beteiligt sind. Gefordert werden “kluge Investitionen” in “Spezialeinheiten und schnelle Eingreiftruppen”, um diese so “agil, flexibel und ausbaufähig” zu gestalten, dass sie in der Lage sind, “potenzielle Feinde auf der ganzen Welt” abzuschrecken und zu bekämpfen.[13] Darüber hinaus könnten “militärische Spezialkräfte” im Falle lokaler Aufstände Grenzschutz, Polizei und Justiz bei der “Aufrechterhaltung öffentlicher Ordnung” unterstützen, heißt es.[14]
“Aufklären und vernichten”
Die Forderung nach einer Aufwertung von Spezial- und Sondereinheiten korrespondiert mit der Ankündigung der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), bei der Bundesmarine eine weitere “Boardingkompanie” in Dienst zu stellen. Die für das Entern fremder Schiffe und die Bekämpfung von Piraten vorgesehene Einheit soll der Verstärkung des sogenannten Seebataillons dienen. Diese als “Multitool” der deutschen Kriegsmarine bezeichnete Einheit wurde 2014 eigens für die Kriegsführung in Küstennähe geschaffen und verfügt bereits über eine “Boarding-“, eine “Küsteneinsatz-“, eine “Aufklärungs-” und eine “Minentaucherkompanie”; hinzu kommt das Kommando Spezialkräfte Marine (KSM) (german-foreign-policy.com berichtete [15]). KSM und “Küsteneinsatzkompanie” trainieren regelmäßig den “Orts- und Häuserkampf”. Zur Begründung heißt es, die “meisten Städte und Ballungsräume der Welt” lägen “bekanntlich direkt am Meer”, weshalb man befähigt sein müsse, “maritime Liegenschaften oder Häfen zu bewachen und bei Bedarf auch freizukämpfen”.[16] Der zugehörige Auftrag ist klar definiert: “Aufklären und vernichten.”[17]
Stellvertreter trainieren
Analog zur “Division Schnelle Kräfte” des deutschen Heeres schult auch das “Seebataillon” Spezialeinheiten sogenannter Partnernationen. Anfang März letzten Jahres etwa trainierte ein angolanisches “Boardingteam” unter Anleitung eines deutschen Instrukteurs auf der Fregatte “Brandenburg” das Festsetzen einer feindlichen Schiffsbesatzung. Einer der Angolaner wurde im Anschluss von der Bundeswehr wie folgt zitiert: “Wir waren sehr froh, dass wir die Übung gemeinsam mit der Deutschen Marine durchführen durften, und hoffen auf weitere Gelegenheiten.”[18]