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Der israelische Verteidigungsminister enthüllt die israelische Teile-und-Herrsche-Strategie für die Nahostregion

von Richard Silverstein, MintPress, 19. Februar 2016. Deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Der
israelische Verteidigungsminister enthüllte nicht nur die israelischen
Geheimabkommen mit den Golfstaaten gegen den Iran, sondern brachte auch die
israelische Hoffnung zum Ausdruck, Syrien als ein in ethnische Enklaven
geteiltes Land zu sehen, wobei jede Enklave von kleinen Kriegsherrn
kontrolliert wird.
Moshe Yaalon, der
israelische Verteidigungsminister, gestikuliert während seiner Ansprache bei
der Sicherheitskonferenz in München, Deutschland, am 14. Februar 2016. 

(AP Foto/Matthias
Schrader)

SEATTLE (ANALYSE) — Der israelische Verteidigungsminister hielt vor kurzem eine  Ansprache mit einer untypischen
„Unverblümtheit“
, als er die israelische
geopolitische Strategie bezüglich zwei kritischer Fronten in den israelischen
Beziehungen zu seinen Nachbarn erörterte: den saudisch-iranischen
Stellvertreterkrieg und Syrien.
Bei seiner Ansprache bei der jährlichen Sicherheitskonferenz
in München
, war Moshe Ya’alon sogar so dreist, die
israelischen
geheimen Deals mit den Golfstaaten, angeführt von Saudi Arabien, zu enthüllen. Er trompetete die
israelischen Eingriffe in die
salafistischsunnitische, arabische Welt, so
Haaretz, aus:
„Der Verteidigungsminister sprach israelische
Kommunikationskanäle mit den benachbarten sunnitisch-arabischen Ländern an. „Ich
spreche nicht nur von Jordanien und Ägypten“, so der Verteidigungsminister, „sondern
auch von den Golfstaaten und den nordafrikanischen Staaten … Für diese sind
Iran und die Muslimbruderschaft der Feind … Iran ist ein böser Junge, sei es
für uns als auch für die sunnitischen Regime. Sie reichen [den Israelis] nicht
öffentlich die Hand, aber wir treffen uns in geschlossenen Räumen“. 

Obwohl es der Verteidigungsminister nicht
bis zu diesem Punkt darlegte, gehört eine Strategie dieser Art zum Versuch
Israels, die Region zu teilen und zu beherrschen, um seine eigene Macht zu
erhalten. Wenn die sunnitische und schiitische Welt verfeindet sind, wird es
für Israel einfach, seine eigenen Interessen zu verfolgen, die vordergründig
darin bestehen, eine permanente Besatzung des historischen Palästinas
beizubehalten.
Ya’alon, ein plumper und stürmischer
ehemaliger Chef der Verteidigungskräfte, ist nicht bekannt für Zwischentöne
oder diplomatischen Takt. Seine Anmaßung, bei einer der wichtigsten
internationalen Sicherheitskonferenzen zu behaupten, Israel hätte im
Wesentlichen die Golfstaaten kooptiert, war wohl zu viel für den saudischen
Senior-Vertreter und ehemaligen Sicherheitschef Prinz Turki al-Faisal. Aber
al-Faisals Antwort war mehr eine Ohrfeige als eine ernsthafte Zurückweisung. 
Haaretz berichtete hierzu:
„Prinz Faisal … bat um das Wort.
Handschütteln mit den Israelis hat den Palästinensern nie was gebracht, meinte
er. Ya’alon hatte Recht, als er von der Feindseligkeit zwischen den
sunnitischen Ländern einerseits und dem Iran und der Muslimbruderschaft auf der
anderen Seite sprach …aber … die sunnitisch-arabischen Länder widersetzen sich
auf dieselbe Weise auch Israel, weil Israel ein Besatzerstaat ist und die
Palästinenser unterdrückt. ‘Warum sollten sich die Araber mit Israel freundschaftlich
verbunden fühlen, wenn Israel [den Palästinensern] all dies antut?’ fragte er.“
Der israelische Verteidigungsminister weist eine Verbindung zwischen
Palästina und den breiteren, regionalen Konflikten zurück:
Der ehemalige General gab dann die typische
Antwort wie in ähnlichen Situationen: Palästina hat mit den Entwicklungen im
Rest der Region nichts zu tun.
Ya’alon bestand darauf, dass es keine
Verbindung zwischen dem israelisch-palästinensischen Konflikt und den aktuellen
Problemen in den anderen Regionen des Nahen Ostens gibt, indem er
wie folgt argumentierte:
„Es gibt einen Konflikt mit den
Palästinensern, aber welche Verbindung sollte dieser zur iranischen Revolution
haben? Oder zum IS, dem Bürgerkrieg in Syrien oder der Revolte in Tunesien, der
Situation im Jemen und Irak? Es gibt keine Verbindung.“
Es wäre untertrieben, Ya’alons Antwort als
unglaubhaft zu bezeichnen. Denken Sie mal an die Reaktion der Juden in der Diaspora,
als sich dachten, Israels Existenz wäre vor dem Krieg von 1967 bedroht. Die
israelischen Kassen wurden umgerechnet auf die heutige Währung mit Milliarden
von Dollar an Spenden gefüllt. Junge Leute ließen alles stehen und liegen und
reisten nach Israel, um am Krieg teilzunehmen. Tausende Juden entschieden sich
schließlich für eine solidarische Migration (Aliyah) nach Israel.
Wenn die Diasporajuden so handelten, warum
sollte die arabische Welt sich nicht ähnlich fühlen, wenn es um Palästina geht?
Was für die Beziehung Israels mit der Diaspora gilt, gilt auch für die
arabische Welt. Die dauernde Unterjochung Palästinas wird zwar nicht das
zentrale Problem sein, aber es stellt ein großes Hindernis für die regionale
Stabilität dar.
Sogar der Vize-Präsident Joe Biden und
zwei der wichtigsten Senior-Generäle stimmten einer solchen Behauptung zu und
sprachen 2010 die Warnung aus, dass die dauernde Ablehnung Israels
das Leben der US-Truppen in der Region aufs Spiel
setzten.
Der israelische
Verteidigungsminister Yaalon gibt dem ehemaligen Chef der saudischen
Geheimdienste, Turki al-Faisal, die Hand. (Foto: Ariel Harmoni/ israelisches
Verteidigungsministerium)
Aber das breite Lächeln auf den Gesichtern
von Ya’alon und al-Faisal, während sie sich nach deren Gespräch die Hand
reichten, spricht Bände über die wahre Bedeutung der Interaktion. Der saudische
Protest war nur Show; die Palästinenser sind für die Saudis eine
unerschöpfliche Ware. Was Israel mehr Sorgen macht als die Besatzung ist der Iran.
Und wenn Israel den Saudis gegen den Iran helfen kann, dann werden die Saudi
ihre arabischen Brüder in Palästina über Bord werfen.
Allianz gegen den Iran
Über Jahren haben die Saudis halbverdeckte
Beziehung zu Israel gepflegt. Sie haben die Strategie für den gemeinsamen Kampf
gegen den Iran koordiniert. Die Saudis sollen schon 
$1 Milliarde investiert haben, um die israelische Mordkampagne gegen die iranischen Atomwissenschaftler und die
Stuxnet-Sabotageoperation gegen das iranische Atomprogramm zu unterstützen.
Leitende Funktionäre der Geheimdienste haben sich zu diesem Zwecke in Israel
und anderswo getroffen.
Menschen versammeln sich
um einen Wagen, der am Mittwoch, den 11. Januar 2012, in Teheran von einem
mobilen Kran abtransportiert wird. Zwei Attentäter auf einem Motorrad brachten
magnetische Bomben auf den Wagen des iranischen Professors an, der in einer der
wichtigsten Atomanlagen tätig war. Der Professor wurde getötet. Zwei Passanten
wurden verletzt. (AP Foto/Fars News Agency, Meghdad Madadi)
Neben der religiösen Spaltung zwischen dem
sunnitischen und schiitischen Islam, der zur Rivalität zwischen Riyad und
Teheran führt, gibt es aber einen ausschlaggebenderen Faktor, der die
Feindschaft nährt, und zwar das Erdöl. Saudi Arabien ist einer der größten
Erdölexporteure der Welt. Und das Erdöl ist das Einzige, was die Welt von
dieser Mono-Wirtschaft will.
Das saudische Königshaus sieht sich auch
als eine regionale Macht und als ein Führer der muslimischen Welt. Der Iran,
der nun nach Jahrzehnten aus der internationalen Isolation gekommen ist, hat
nun versprochen, die Erdölproduktion auf 1 Million Barrel pro Tag zu erhöhen.
Und dieses Versprechen kommt auf einem Ölmarkt, der schon tief in der Krise
steckt.
Des Weiteren genießt der Iran im
Verhältnis zu Saudi Arabien die folgenden Vorteile: die Jugend; eine Wirtschaft
voller Unternehmensgeist; technisches Knowhow; eine gut ausgebildete
Bevölkerung und Offenheit gegenüber der Außenwelt. Auf regionaler Ebene
entwickelt sich der Iran weiter, während Saudi Arabien rückläufig ist. All
diese Faktoren tragen dazu bei, die Feindschaft der Saudis gegenüber den Iranern
zu nähren.
Als die Saudis versuchten, Druck auf die
USA auszuüben, um den P5+1 Atomdeal mit dem Iran nicht zu unterstützen, teilten
sie auch ihre Bereitschaft mit, gemeinsam mit Israel den Iran im Alleingang zu
bekämpfen; auch wenn dies bedeuten sollte, den schiitischen Feind anzugreifen.
Der ägyptische Diktator macht sich an Netanjahu dran
Die israelische Zeitung des großen
republikanischen Sponsors Sheldon Adelson, Makor Rishon, 
berichtete (auf Hebräisch; die englische Version finden Sie hier), dass die in den USA
ansässige Konferenz der Vorstände der wichtigsten jüdischen Organisationen vor
kurzem den ägyptischen Diktator Gen. Abdel-Fattah al-Sissi in Kairo besuchte.
Während des Treffens hätte ihnen der ägyptische Präsident Folgendes mitgeteilt:
“Der [israelische Premierminister Benjamin
Netanjahu] ist ein Führer mit großartigen Kompetenzen, die ihn nicht nur dazu
befähigen, sein eigenes Land zu führen, sondern auch die Region und die gesamte
Welt weiterzuentwickeln.“
Der ägyptische Diktator
al-Sisi trifft sich mit den Anführern der israelischen Lobby nach dem Lobgesang
an Netanjahu für seine internationale „Leadership“.
Diese sind die Verbündeten Israels in der
Region: die Diktatoren, die angeborenen Königsfamilien, die Oligarchen, die
Kriegsherren und die Nusra Front, die al-Qaida-„Filiale“ in Syrien. Was sagt
das Ganze über Israel selbst aus, das von den Diktaturen angezogen wird und
sich von den Demokratien der Region und den Tätigkeiten des Arabischen
Frühlings fernhält?
Der Vorsitzende der Konferenz der Vorstände
der jüdischen Organisationen, Stephen Greenberg, 
bot al-Sissi die
Quid-Pro-Quo-Legitimation an, indem er den ägyptischen Diktator in den USA mit
dem folgenden Worten willkommen hieß:
„Meiner Meinung nach wäre es wichtig für
die amerikanische Regierung, Präsidenten al-Sisi einmal in den Vereinigten
Staaten willkommen zu heißen. Das wäre eine äußerst wichtiger Fortschritt für
die USA.“
Israel plädiert für eine „Kantonalisierung“ Syriens
Verteidigungsminister Ya’alon ließ in München eine weitere Bombe platzen, als er
erklärte, Israel sähe die syrische Waffenruhe, die von Russland und den USA
befürwortet wird, mit derselben Skepsis wie den Atomdeal mit dem Iran. Dem
Verteidigungsminister zufolge wäre die beste Lösung in Syrien für Israel die
Aufteilung des Landes in kleinere Regionen, die von individuellen ethnischen
Gruppen regiert werden. Reuters zitiert ihn wie folgt:
„Leider wird die Region über sehr lange
Zeit von einer chronischen Unstabilität gekennzeichnet sein. Und Teil jeglicher
Grand Strategy besteht darin, die Vergangenheit zu vermeiden, indem wir Syrien
vereinen. Wir wissen, wie man aus Eiern einen Pfannkuchen macht. Ich weiß aber
nicht, wie man aus einem Pfannkuchen ein Ei macht.“
Reuters zufolge fuhr er fort: „Wir sollten
uns dessen bewusst werden, dass es zu Enklaven kommen wird: „Alawistan“,
„Syrisches Kurdistan“, „Syrisches Druzistan“. Sie kann sein, dass sie zusammenarbeiten
oder sich bekämpfen“.
In diesen Jahren des syrischen
Bürgerkrieges 
stellte ich die Vermutung an, die israelische
Zielsetzung bestünde darin, Syrien in kleine, ethnische Enklaven aufzuspalten,
die alle von kleinen Kriegsherrn regiert werden. Dies würde Syrien als vereinte
Nation schwächen, jegliche Möglichkeit einer Erweiterung der syrischen Macht in
der Region vereiteln und den israelischen, geostrategischen Interessen nicht in
die Quere kommen. Das wichtigste Ergebnis dieser Aufspaltung Syriens würde aber
darin bestehen, die andauernde Entschlossenheit Syriens, die seit 1967
besetzten Golanhöhen zurückzugewinnen, „kurzzuschließen“.
Diesen Plan verfolgt Israel schon seit
Jahrzehnten. Die wichtigsten historischen Beispiele sind die Errichtung einer
südlibanesischen Armee, um die territoriale Beanspruchung des Libanons von 1982
bis 2000 aufzuzwingen, wobei die israelischen „Verteidigungskräfte“ dann 2000
darauf verzichteten, in den Libanon einzufallen. Aber schon vorher hatten
israelische Geheimdienstler
die Gründung der Hezbollah als Puffer gegen das Wachstum
der PLO im Libanon unterstützt. Israel unterstützte sogar 
die Gründung von Hamas, die dafür vorgesehen war, als
Wettbewerber der PLO aufzutreten. All diese Versuche verfolgten das Ziel, einen
Feind zu schwächen, indem man ihn in seinem Inneren spaltet.
Wie zynisch dies auch klingen mag: Israels
Ziel besteht darin, in Syrien Blutströme fließen zu sehen. Und genau das ist
auch geschehen. Je mehr sich die Syrer untereinander erschlagen, desto weniger
töten sie die Israelis. Das Chaos in Syrien war Israels Freund. Der führende
islamfeindliche Analyst Daniel Pipes 
unterstützte diese These, die auch klar bei
israelischen Militärstrategen und politischen Analysten ihren Nachfall findet.
Im Sumpf des derzeitigen syrischen
Konflikts ist es schwierig zu verstehen, welche Lösung die richtige ist. Aber
jeder, der den vollständigen Umsturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad
fordert, muss unabhängig von dessen brutaler Diktatur, muss damit rechnen, dass
dies aber gerade das Resultat ist, das auch Israel bevorzugt. Und wenn Israel
dafür plädiert, kann es für Syrien nichts Gutes sein.