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Das zunehmende Schweigen über die wachsende Islamfeindlichkeit ist rassistisch und un-amerikanisch

von Dalia F. Fahmy, PhF, HuffPost, 26. Oktober 2015, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.
Unser
politischer Apparat ist der Hauptschuldige an dieser Lage, da er im
Wesentlichen behauptet, Amerika sollte die Muslime von der Definition des
„Amerikanischseins“ ausschließen.  
Islamfeindliche
Demonstranten am 29. Mai 2015 vor einer Moschee in Phoenix (Foto: Michael
Schennum, The Arizona Republic)
Letzten Donnerstag wurde ein Mann
in Brooklyn, NY, vor seiner Ehefrau und seinem fünfjährigen Kind mit einem
Messerstich in den Bauch verletzt. „Ich werde dich erstechen, weil du Araber
bist und es verdient hast“, soll der Angreifer gerufen haben.

Die Angst
vor dem Islam ist im alltäglichen politischen Diskurs nun viel wichtiger als je
zuvor. Wenn man sich die am vorigen Wochenende in den gesamten USA organisierten
islamfeindlichen Demos, den
Streitfall rund um verschiedene Moscheeareale, die Versuche des Erlasses von Anti-Schariagesetzen in
20 US-Bundesstaaten, die Verhaftung eines Jungen mit einer Uhr und die boshaften Bemerkungen
der derzeitigen republikanischen Präsidentschaftskandidaten, die in Frage
stellen, ob man Muslimen im Amt trauen kann, ansieht, so ist die zunehmende Islamfeindlichkeit
eine offensichtliche Tatsache.

Gallup zufolge berichten
48% der muslimischen Amerikaner, dass sie ethnische oder religiöse Diskriminierung
erfahren haben. Wir haben die brutalen Auswirkungen dieses Hasses bei der Exekution
der drei jungen Muslime in North Carolina und dann erneut in der Brandstiftung
an der Islamischen Schule in Houston erlebt. Zwei Menschen, die in Michigan auf die Frage, ob
sie Muslime wären, mit Ja antworteten, wurden mit mehrfachen Messerstichen
verletzt. Vor kurzem gab es einen anderen Messerangriff in Brooklyn.
Unser
politischer Apparat ist ein Hauptschuldiger an der Sachlage. Politische
Kampagnen schlossen Behauptungen ein, nach denen die USA ein jüdisch-christliches
Land wären. Es wurde behauptet, dass der Islam hier keinen Platz findet und
dass man einem muslimischen Präsidenten nicht trauen kann, dass
Muslime keine Kabinettpositionen erhalten sollten und dass alle Moscheen geschlossen werden müssen.
Im Wesentlichen sollte Amerika die Muslime aus der Definition des „Amerikanischseins“
ausschließen.
Während der
letzten Ansprache State of The Union von Präsident Obama stand das
gesamte Kongressgremium auf und applaudierte ihm als Zeichen der Unterstützung
zu, als er richtigerweise behauptete, dass die Vereinigten Staaten eine Nation
sind, die den Antisemitismus nicht toleriert. Als der Präsident im nächsten
Atemzug aber behauptete, dass sich Amerika auch der Islamfeindlichkeit
widersetzen würde, schwieg der Kongress. Auch die muslimischen Amerikaner
hörten dieses Schweigen laut und klar. Muslime gehören nicht dazu, und die von
uns gewählten Vertreter scheinen dem zuzustimmen.
Eine
Definition von Islamophobie
Islamophobie
wird als eine unbegründete, irrationale Angst oder Feindlichkeit gegenüber dem
Islam und den Muslimen definiert, die durch negative Stereotype verewigt wird
und sich in Voreingenommenheit, Diskriminierung, Marginalisierung und
Ausschluss der Muslime aus dem sozialen, politischen und zivilen Leben der USA
äußert. Diese Rhetorik verfolgt das Ziel, die Muslime aus dem öffentlichen
Leben auszuschließen, indem sie sie im Wesentlichen von der Definition dessen
ausschließt, was mit „Amerikanisch“ gemeint ist.
Dieser
Ausschluss des Muslims ist un-amerikanisch. Die un-amerikanische Beschaffenheit
dieses Ausschlusses wurde bei der Gründung unserer Nation betont.
Als Präsident
Obama Präsidentschaftskandidat wurde, kamen Fragen auf wie: Ist Obama ein
Muslim? Dies warf Fragen auf wie „Kann ein Muslim Präsident werden?“, und dies
war nicht das erste Mal in der Geschichte, dass diese Fragen gestellt wurden.
Am 30. Juli 1788
war ein föderalistischer Vertreter des Übereinkommens von North Carolina zwecks
Ratifizierung der Verfassung der Vereinigten Staaten unter denen, die in der
Verfassung einen Lackmustest festlegen wollten, nach dem nur ein Protestant
Präsident werden konnte. Er projizierte seine Ängste auf die Zukunft des
Landes, indem er behauptete:  „Aber
lassen Sie uns daran erinnern, dass wir eine Regierung für Millionen von
Menschen bilden, die noch nicht einmal geboren sind. Ich beherrsche nicht die
Kunst der Wahrsagerei. Ich weiß nicht, wie das Ganze in den nächsten vier oder
fünf Jahrhunderten funktionieren wird. Aber Eines ist sicher: die Katholiken
werden diesen Stuhl besetzen und so auch die Muslime. Ich sehe darin keinen
Widerspruch.“ Der Stuhl, von dem er spricht, ist der Stuhl des Präsidenten der
Vereinigten Staaten. Dieser Vertreter hatte seine Ängste hinsichtlich eines
möglichen muslimischen Präsidenten zum Ausdruck gebracht.
Die Debatte von 1788 über die
Ratifizierung der Verfassung von North Carolina verwandelte sich in eine
Diskussion rund um die Möglichkeit von Muslimen als US-Staatsbürger, in einer
Zeit, in der die meisten zeitgenössischen Beschreibungen den Islam und die Muslime
gleichzeitig als theologische und politische Bedrohungen darstellten. Und was
in der Debatte über die Ratifizierung der Verfassung der Vereinigten Staaten in
North Carolina aufkam, war eine Vereinbarung, dass es keinen religiösen
Lackmustest geben wird. Dies zwang die Föderalisten, die zukünftige Möglichkeit
eines muslimischen Präsidenten zu verteidigen. Und während das Hauptthema
während der Gründung der USA Angelegenheiten rund um die Identität und die
gleichwertige Staatsbürgerschaft für Muslime betrafen, wurden diese
verfassungsrechtlich für un-amerikanische Fragen gehalten.
Die Ideale,
auf deren Grundlage dieses Land gegründet wurde, sind den meisten Amerikanern
lieb. Thomas Jefferson stellte sich ein Land vor, das ein sicherer Ort für die
Menschen aller Religionen, ein neutraler, religiöser Boden für Christen, Juden,
Muslime, Hindus und Atheisten sein sollte. Dies war nicht in einem exklusiven
Sinne gemeint, sondern basierte ganz im Gegenteil auf der Neutralität des
Staates hinsichtlich des privaten Gewissens.
Einer Pew-Studie zufolge, die im
September 2015 durchgeführt wurde, sehen 67% der Amerikaner die Muslime in
einem schlechten Licht. Das ist darauf zurückzuführen, dass jene amerikanischen
Werte immer mehr untergraben werden. Die Islamfeindlichkeit hat zur Rückkehr einer
exklusiven Identität geführt, in der die Bedrohung und die Inklusion von
Muslimen eine neue Definition des „Amerikanischseins“ erfordern würden. Diese
Irrationalität ist das Herzstück der Islamfeindlichkeit. Toxisch wie stark ist
sie aber nicht neu und widerspricht wie schon immer den amerikanischen Werten.
Wenn die
Islamfeindlichkeit als ein Teil unseres politischen Diskurses akzeptiert wird
und weiterhin zunimmt, untergraben wir die Grundwerte unserer Verfassung und
unsere Gründungsprinzipien. Wenn wir weiterhin schweigen und hinnehmen, dass
unsere politischen Kandidaten solche böse Bemerkungen von sich geben, so handeln
wir rassistisch und un-amerikanisch in Einem.