Jeder kriegt, was er wählt: Die rassistische israelische Regierung
Liebe Leserinnen und Leser,
anbei ein sehr aussagekräftiger Artikel von Gideon Levy, ins Deutsche übertragen von Ellen Rohlfs.
danke für Ihre Kommentare!!
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.
Israels 34. Regierung verdient ihr Land, und
Israel verdient seine 34. Regierung. Denn diese Regierung ist authentisch und
repräsentativ, ehrlicher Ausdruck des Zeitgeists und der Gefühle, die die
meisten Israelis innerlich bewegen. Es ist eine ehrliche Regierung,
unverstellt, ungeschminkt und ohne Ausreden, eine WYSIWYG-Regierung: What You
See Is What You Get. Begrüßen wir sie – die vierte Regierung Netanjahu.
Sie wird nicht vornehm tun und keine leeren
Sprüche klopfen. Weder über den Frieden noch über die Menschenrechte, weder
über eine Zwei-Staaten-Lösung noch über Verhandlungen und auch nicht über
Völkerrecht, Gerechtigkeit oder Gleichbehandlung. Die Israelis und die ganze
Welt werden mit der Nase auf die Wahrheit gestoßen. Und so sieht sie aus, die
Wahrheit: Die Zwei-Staaten-Lösung ist tot (sie hat ohnehin nie das Licht des
Tages erblickt); den Palästinenserstaat wird es nicht geben; das Völkerrecht
gilt für Israel nicht; Besatzung wird weiterhin schleichend, aber beschleunigt
in Annexion übergehen, die rasch zum Apartheid-Staat führen wird; „jüdisch“ schlägt
„demokratisch“; Nationalismus und Rassismus werden sich regierungsamtlicher
Beglaubigung erfreuen – auch wenn es sie schon seit langem gibt.
Weder Netanjahu noch der Knesset-Abgeordnete
(MK) Naftali Bennett, Vorsitzender der Partei „Jüdisches Heim“ (Habayit
Hayehudi) noch MK Ajelet Schaked und MK Eli Ben-Dahan als Fraktionsmitglieder
seiner Partei haben diese Entwicklung losgetreten. Sie haben die Dinge nur
beschleunigt. Schock oder Wut verbieten sich ebenso wie Klagen über die
Grausamkeit des Schicksals. Diese Regierung steht für Kontinuität, nicht für
Wandel.
Sicher, einige ihrer Mitglieder sind
extremer als ihre Vorgänger, aber da geht es hauptsächlich um rhetorische
Unterschiede. Selbst die provokanteste Neubesetzung – Ajelet Schaked als
Justizministerin –, die weltweit Aufsehen erregte, ist weniger revolutionär,
als es scheint. Schaked wirkt ungehobelt und rabiat, während Tzipi Livni von
der Zionistischen Union, ihre Vorgängerin, vergleichsweise einfühlsam und
adrett erschien. Doch eine Justizministerin Shaked wird keine Mühe haben, Risse
in unserer Demokratie zu vertiefen, die schon lange offen liegen.
Den besten Test auf das Wesen des in Israel
herrschenden Regimes liefern Besatzungsherrschaft und Kriegsverbrechen: Die
Apartheid ist bereits tief verankert, und Kriegsverbrechen bleiben unaufgeklärt.
In dieser Hinsicht hat auch Livni Israel von ihrem Büro im besetzten Jerusalem
aus nicht gerechter gemacht. Sicher, Schakeds Vorstellungen sind
nationalistischer, und vom Wesen der Demokratie versteht sie rein gar nichts.
Und gewiss hat es weltweit viele schockiert, dass eine Person zur Ressortchefin
für das israelische Rechtswesen ernannt wurde, die sich mit einem der
brutalsten Artikel einverstanden erklärte, die hierzulande je gegen das
palästinensische Volk geschrieben wurden (von Uri Elitzur). Aber frommes Getue
ist fehl am Platze. Elitzur hat nur ausgesprochen, was viele Israelis denken.
Auch die Ernennung eines weiteren Rassisten,
Eli Ben-Dahans, zum stellvertretenden Verteidigungsminister, zuständig für „Civil
Administration“ – die israelische Verwaltung im Westjordanland – hat nichts
Weltbewegendes an sich. Aber ja, von Ben-Dahan stammt der Ausspruch, die
Palästinenser seien „Tiere, nicht menschlich und nicht berechtigt zu leben“ – aber
geben diese Äußerungen nicht eine Einstellung wieder, die in Wahrheit viele
Israelis teilen? Ben-Dahan wird ihre Stimme sein. Schließlich behandelt Israel
die Palästinenser seit nunmehr fast 50 Jahren so, und Ben-Dahan spricht
lediglich unverblümt aus, wie die Dinge liegen. Jetzt verantwortet er die Civil
Administration, und das ganze System „humanitärer Gesten“ wird zu Bruch gehen.
Ben-Dahan ist der richtige Mann auf dem rechten Platz und zur rechten Zeit.
Eine ausgezeichnete Personalentscheidung.
Mit Naftali Bennett wird einer, der stolz
verkündet: „Ich habe massenhaft Araber getötet“ und diese Menschen „shrapnel in
the buttocks“ nennt – „Granatsplitter-in-den-Arschbacken“ – jetzt als
Bildungsminister tätig. Nun gut, aber wer in Israel denkt nicht wie er?
Der General, der die Operation „Gegossenes
Blei“ mit all ihren Kriegsverbrechen befehligte und der über Baurechtsverstöße
zu Fall kam, Yoav Galant, wird jetzt Bauminister. Ist das etwa keine gute
Entscheidung? Uri Maklev, MK der Formation „United Torah Judaism“, wird dem
Wissenschaftsausschuss der Knesset vorsitzen? Na und? Entspricht das nicht
getreulich der Einstellung so mancher Israelis zur Wissenschaft?
Hört auf zu jammern! Mag sein, dass Israels
Schattenregierung aufgeklärter sein sollte, nicht aber die echte Regierung. Sie
steht für das, was die Israelis gewählt haben. Sie spiegelt wider, wo diese in
Wahrheit stehen. Nun denn also: Es lebe die neue Regierung!