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ProMosaik e.V. Istanbul interviewt die muslimische Sozialarbeiterin Fatima Zehra Mohsen


Liebe Leserinnen und Leser,
heute Abend möchte ich Ihnen das Interview mit der muslimischen Sozialarbeiterin Fatima Zehra Mohsen vorstellen. Letzte Woche hatten wir den Streetworker aus Istanbul Balat, Herrn Hasan Bayraktar des Vereins Mavi Ay interviewt, der sich in Viertel aktiv, im direkten Kontakt mit den Menschen auf der Straße, gegen die Suchtkrankheiten engagiert.
Anbei das Interview mit Frau Mohsen, der wir herzlichst für Ihre Zeit dankend.
 Wünsche Ihnen allen noch schönen Abend aus Istanbul
Aygun Uzunlar
ProMosaik Istanbul
1.- Wie wichtig sind Streetworker in
der muslimischen Sozialarbeit im Suchtbereich in Deutschland?

Muslimische, bzw. Streetworker mir Migrationshintergrund, sind  im Streeworking-Bereich sehr wichtig, da die meisten Abhängigen die deutsche
Sprache schlechter beherrschen als andere Menschen mit Migrationshintergrund. Die Sprache
stellt für Menschen, die die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschen, oft
eine Barriere dar, um professionelle Hilfe aufzusuchen.
Ausserdem kennt ein Sozialarbeiter mit ähnlicher Migrationserfahrung die Lage
des Abhängigen besser und kann somit besser helfen.  Auch könnte ein
solcher Streetworker als Vorbild dienen. 

2.- Welche sind die Gründe, die junge Musliminnen und Muslime in Deutschland in
die Sucht treiben?

Auffällig ist, dass Abhängige mit Migrationshintergrund (meist Muslime) meist
viel älter als andere Abhängige sind, wenn sie mit Drogen in Kontakt
kommen.  Sie sind bei ihrem ersten Kontakt etwa 17 Jahre alt. 


Dieser Zeitpunkt spricht für einen starken Zusammenhang mit gesellschaftlichen
Anpassungsschwierigkeiten: Der Suchtbeginn (17 Jahre) findet also zu einem
Zeitpunkt statt, wo Migranten sich beruflich und familiär orientieren müssen.
Dabei machen sie auch die ersten Erfahrungen mit Enttäuschungen und
Diskriminierungen. Dies wird dadurch bestätigt, dass der Schweregrad der Sucht
bei denen ohne  Berufsausbildung, ohne Schulabschluss und schlechten
Deutschkenntnissen höher ist als bei anderen.
 
EIner Studie zufolge lag der Durchschnitt bei der Einwanderung bei 9
Jahren. Das bedeutet, dass sie viel später als der Durchschnitt der
Migranten eingewandert sind. Außerdem wurden sie häufig in die Heimat
geschickt. Das weist darauf hin, dass sie entwurzelt worden sind. Sie wurden
aus ihrem bekannten Umfeld in ein fremdes Land gebracht, und durch das ganze
Hin- und Herschicken haben sie sich nie irgendwo einleben können. Ausserdem
fehlte Ihnen dadurch auch eine vertrauenswürdige Bezugsperson.

Weiterhin hatten die meisten keine abgeschlosse Berufsausbildung. Somit fehlte Ihnen eine Zukunftsperspektive.
Bei abhängigen Frauen mit Migrationshintergrund kam noch hinzu, dass sie keine
Beziehung hatten.

3.- Wie wichtig ist die Vernetzung zwischen den muslimischen
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und den Moscheen?

Eine Vernetzung in Deutschland ist unmöglich, da es keinen islamischen
Wohlfahrtsverband gibt, der so eine Vernetzung leiten und bezahlen
könnte,  jedoch wäre es sinnvoll, Strategien und Ergebnisse miteinander
zu teilen. Es würde auch aber auch reichen, wenn die Erfahrungen und Ergebnisse
online miteinander geteilt werden könnten.



4.- Welche
sind die besten Strategien für muslimische Migrantenjugendliche in Deutschland,
um sie von Alkohol und Drogen fernzuhalten?
Die beste
Möglichkeit, sie von Drogen und Alkohol fernzuhalten ist natürlich die
Religion. Jedoch kann niemand gezwungen werden, die Religion streng auszuüben.
Deshalb ist es wichtig, den Jugendlichen eine Zukunftsperspektiven zu bieten.
Sie müssen Hoffnung auf die Zukunft haben, um nicht in ihrer Gegenwart zu
verzweifeln und in die Sucht abzurutschen. Deshalb ist auch die Berufsberatung
sehr wichtig. Um eine erfolgreiche Zukunft haben zu können, sind das gute Beherrschen
der deutschen Sprache und die Integration in die Gesellschaft wichtig.
Integration bedeutet aber keine Assimilation. Es ist bei der Integration
wichtig, dass die Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesellschaft nicht toleriert, sondern wirklich anerkannt sind, so wie sie sind.
Die Gesellschaft muss erkennen, dass Migranten mit ihren unterschiedlichen
Kulturen und Erfahrungen eine Bereicherung für die Gesellschaft darstellen.
Nicht zu
letzt, ist es wichtig, an den Familien zu arbeiten. Das bedeutet, dass die
Familienbildung, Sozialpädagogische Familienhilfe und Familientherapie von
Bedeutung sind.
Diese
erreichen die muslimischen Familien am besten, wenn es einen muslimischen
Wohlfahrtsverband gibt. Denn dann gibt es auch einen Ansprechpartner, dem die
muslimischen Familien vertrauen können und bei dem sie Hilfe für alle
Lebenslagen bekommen können.