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Der intraislamische Dialog als GESUNDER Dialog – Ein Artikel von Hassan Mohsen

Liebe Leserinnen und Leser,

anbei möchten wir Ihnen einen Artikel von Hassan Mohsen über den intraislamischen Dialog und seine Regeln vorstellen. Dialog bedeutet im Islam gesunder Dialog im Namen des Respektes und  der Würde. Aber es gibt nicht wenige Schwierigkeiten und Konflikte innerhalb der islamischen Ummah, in der es so viele verschiedene Schulen und Richtunge gibt, die alle glauben, die ABSOLUTE WAHRHEIT zu repräsentieren.

Dialog ist keine Bedrohung, sondern ein Mittel, um Toleranz und Verständnis, Würde und Meinungsfreiheit innerhalb der Ummah zu gewährleisten. Diese Werte sind auch für ProMosaik e.V. sehr wichtig und gelten sei es im intra-religiösen Dialog als auch im inter-religiösen Dialog sämtlicher Weltreligionen und Religionsgemeinschaften.

Der Dialog fördert den Frieden und das Verständnis innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft und dann mit den anderen religiösen Gruppierungen außerhalb der eigenen.

Dialog bedeutet Respekt der Würde des Anderen.
Dialog bedeutet Zuhören, Aufeinander-Zugehen…

Wie Einiges schon schön schief laufen kann, zeigt unser Hassan Mohsen anhand des Beispieles des Cowboys und des Indianers ironisch auf.

Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften hierzu
dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.

Quelle: Kinderhaus Löwenzahn


Gesunder Dialog

von
Hassan Mohsen

 

Damit
die Muslime sich verstehen und sich vereinen, müssen sie miteinander in Dialog
treten. Aber was ist, wenn der Dialog getreten wird? Was ist, wenn der Dialog
selbst für die Spaltung der Muslime verantwortlich ist? Wie sollte ein
vernünftiger, gesunder Dialog aussehen?

 

Nun,
damit ein Dialog fruchtet müssen drei Anforderungen erfüllt sein: Erstens muss
die Unterschiedlichkeit der an dem Dialog Beteiligten anerkannt werden; es darf
nicht von vornherein angenommen werden, dass die Ansicht der einen Rechtsschule
[mazhab] die Norm darstellt, während die der anderen als Abweichung,
Zurückgebliebenheit oder Böswilligkeit gewertet wird. Wer nicht bereit ist,
seine eigenen Gewissheiten und selbstverständlichen Annahmen in Frage zu
stellen, sich vorübergehend in den anderen hineinzuversetzen – auch auf die
Gefahr hin, zuzugeben, dass der Andere aus seiner Sicht Recht hat -, kann
keinen Dialog führen.

 

Zweitens
ist es nicht verdienstvoll, für das ‘Richtige’ und gegen das ‘Schlechte’ zu
sein, wenn man selbst die Bedeutung dieser beiden Wörter definiert. Deshalb
sollte nach einem einheitlichen Vokabular gesucht werden, um Missverständnissen
entgegenzuwirken. Alles was gesagt wird, muss für den anderen klar und ohne
Missverständnisse sein. Dies bedingt allerdings ein aktives Zuhören und ein
aktives Nachfragen bevor eine Antwort kommen kann.

 

Drittens
kann der Dialog kein Ergebnis bringen, wenn sich die Beteiligten nicht über
einen formalen gemeinsamen Rahmen verständigen, wenn sie sich nicht einigen
können, welche Argumente zulässig sind, und ob überhaupt die Möglichkeit
besteht gemeinsam nach Wahrheit und Gerechtigkeit zu suchen. Ferner sollten
sich die Beteiligten fragen: Wozu dieser Dialog? Was soll mithilfe des Dialogs
erreicht werden? Was kommt nach dem Dialog? Denn Dialog ist ein Mittel, kein
Zweck.

 

Was
dagegen aufhören muss, ist die eingeschränkte Wahrnehmung des Anderen, die sich
zunehmend in den (sozialen)Medien und in (offiziellen) Verlautbarungen
ausbreitet. Außerdem geht es darum, die Muslime anderer Rechtsschulen nicht auf
ihre religiöse Identität zu reduzieren, sondern sie mit dem gleichen Respekt zu
behandeln wie die anderen Mitglieder der Gesellschaft.

 

Die
Geschichte über die Missverständnisse der Muslime in Dialogen erinnert an eine
Geschichte von einer Begegnung eines ‘Cowboys’ mit einem ‘Indianer’. Ein
‘Cowboy’ und ein ‘Indianer’ stehen sich gegenüber und sehen sich an. Nur ein
großer, breiter Fluss trennt die beiden voneinander. Plötzlich zeigt der
‘Indianer’ mit dem Zeigefinger auf den ‘Cowboy’. Der hebt als Antwort Zeige –
und Mittelfinger gespreizt hoch. Der ‘Indianer’ faltet schließlich seine Hände
vor dem Gesicht. Da schüttelt der ‘Cowboy’ locker seine rechte Hand. Beide
reiten davon.

 

Als
der ‘Cowboy’ nach Hause geht, erzählt er seiner Frau: „Stell’ dir vor, ich
habe heute eine ‘Rothaut’ getroffen. Sie hat mit dem Zeigefinger gedroht, mich
zu erschießen. Da habe ich dem ‘Indianer’ mit der Hand gedeutet, dass ich ihn
zwei Mal erschießen würde. Und weil er mich prompt um Gnade gebeten hat, habe
ich ihm zu verstehen gegeben, er solle verschwinden
.“

 

Einige
Meilen westlich, im Wigwam, erzählt der ‘Indianer’ seiner Frau: „Stell’ dir
vor, ich habe heute ein ‘Bleichgesicht’ getroffen. Ich habe ihn gefragt: ‚Wie
heißt du?‘ Da hat er mir geantwortet: ‚Ziege‘. Da hab’ ich ihn gefragt:
‚Bergziege?‘ und da hat er geantwortet: ‚Nein, Flussziege
.‘“

 

Obwohl
der ‘Indianer’ und der ‘Cowboy’ die gleichen (nonverbalen) Zeichen verwendeten,
hat jeder gemäß seiner gesellschaftlichen Herkunft etwas anderes verstanden.
Genauso geht es den Muslimen. Beide, Sunniten und Schiiten, verwenden die
gleiche Terminologie aber die Bedeutungen sind jeweils verschieden. Eine
Einheit zwischen den Muslimen gelingt nur, wenn beide aufeinander zugehen und
lernen sich zu verstehen.

 

Das
Aufeinanderzugehen im Dialog wird bisweilen von einigen als Bedrohung
angesehen. Dabei ist solch eine Ansicht die eigentliche Bedrohung.
Unterschiedliche Rechtsschulen werden als eine Gefahr angesehen. Dabei wird
Ursache und Wirkung vertauscht: Denn nicht die unterschiedlichen Rechtsschulen
an sich lösen Konflikte aus, sondern Konflikte lassen unterschiedliche
Rechtsschulen zu einer Gefahr werden. Und diese Konflikte lassen sich nur mit
einem gesunden Dialog lösen.