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Hassan Diabs kafkaesker Alptraum – ein Artikel von Martina Lauer


Seit sieben Monaten sitzt der Kanadier Hassan Diab in Untersuchungshaft in
Frankreich, wo er wegen der angeblichen Beteiligung an einem t
ӧdlichen Anschlag auf eine Synagoge vor 35 Jahren vor
Gericht gestellt werden soll. Die kanadische Regierung hatte der Auslieferung
des in Ottawa wohnhaften Soziologieprofessors zugestimmt, obwohl die Beh
ӧrden in Paris nur dubiose Beweise für ihre
schwerwiegenden Anklagen vorlegten. Herr Diab sagte von Anfang an, dass er das
Opfer einer Verwechslung sei.
Die Bombe wurde vermutlich von einem Mitglied der Volksfront für die
Befreiung Pal
ӓstinas in der
Satteltasche eines vor der Pariser Synagoge geparkten Motorrades gelegt. Auf
der Basis von Finger- und Handabdrücken, einer Unterschrift des mutmasslichen
Bombenlegers auf einem Hotelformular und Informationen eines ungenannten
Geheimdienstes hat die franz
ӧsische
Staatsanwaltschaft den Professor an der Carleton Universit
ӓt in Kanadas Hauptstadt  als mӧglichen
Attent
ӓter identifiziert. Hassan Diab kӓmpfte sechs Jahre vor den kanadischen Gerichten gegen
seine Auslieferung nach Frankreich, wo er als angeklagter Terrorist nach
Meinung seines Rechtsanwaltes kein faires Verfahren erwarten kann. Der
vorsitzende Richter des Berufungsgerichtes, Robert Maranger,  betonte bei seiner Entscheidung für die
Auslieferung von Herrn Diab, dass die von Frankreich vorgelegten Beweise vor
einem kanadischen Gericht nicht zu einem Schuldspruch führen würden. In anderen
Worten: Kanadas Gesetze zur Auslieferung entsprechen nicht dem Standard der
kanadischen Gesetzgebung in anderen Bereichen. In den vergangenen 15 Jahren
haben die Richter in Kanada j
ӓhrlich jedes Jahr etwa 100 Auslieferungen beurteilt und
nur sechs Antr
ӓge zurückgewiesen. 
Übrigens liefert Frankreich seine Staatsbürger nicht an Kanada aus.
Hassan Diab wiederholte vor Gericht,  dass er am Tag des Anschlages nicht in
Frankreich war, nie Mitglied in einer pal
ӓstinensischen
Organisation war und das Opfer einer Verwechslung sei

Hassan Diabs kommen im Libanon h
ӓufiger vor als die
John Smiths im englischsprachigen Teil der Welt.
Nach seiner Ankunft in Paris im November 2014 wurde Hassan Diab in
Untersuchungshaft genommen. Eine Freilassung auf Kaution wurde bisher abgelehnt,
obwohl Herr Diab sechs Jahre lang die von einem kanadischen Gericht auferlegten
Kautionsbedigungen gewissenhaft befolgte. Die franz
ӧsische Staatsanwaltschaft hat jetzt zwei Jahre Zeit, um
die jahrzehntelange Suche nach dem Bombenleger fortzusetzen, bevor die
Verantwortlichen eine Entscheidung f
ӓllen, ob Herr Diab
vor Gericht gestellt wird.
Die Untersuchung des Bombenanschlages in Paris machte jahrzehntelang keine
Fortschritte und wurde erst 1999 wiederer
ӧffnet,
nachdem – wie einige Beobachter spekulieren- 
in Stasiakten Informationen über die Attent
ӓter gefunden wurden.
Die franzӧsische
Staatsanwaltschaft wurde erst 2006 aktiv, nachdem Marc Trevidic die Leitung
übernahm. Der neue franz
ӧsische Staatsanwalt
war ein prominenter Mitstreiter im sogenannten Krieg gegen den Terror. Auf seine
Initiative beantragte Paris 2008 die Auslieferung von Hassan Diab.
Am 13. November 2008 wurde der Universitӓtsprofessor
von einer Spezialeinheit der kanadischen Polizei in seiner Wohnung in Ottawa
festgenommen. Nach eigenen Angaben überlebte er die folgenden 140 Tage in
Untersuchungshaft, weil er einen lebanesischen Mitgefangenen mit Beziehungen um
Schutz bat. Nachdem er Mith
ӓftlingen beim Ausfüllen
ihrer Gerichtsformulare half, erhielt er den Spitznamen “der Professor”. Fünf
Monate später konnte er nach Hinterlegung einer Kaution von 250 000 Dollar das
Gef
ӓngnis verlassen und lebte die nӓchsten sechs Jahre unter strengen Auflagen. Er stand
unter Hausarrest, konnte nicht mehr unterrichten und bezahlte monatlich 2000
Dollar aus eigener Tasche für einen GPS-Tracker am Bein.
Im Verlauf der Anfechtung der Auslieferung vor den Gerichten in der kanadischen
Provinz Ontario wurden die von Frankreich vorgelegten Beweise mehrmals als
unzureichend entlarvt. Die physische Beschreibung des Verd
ӓchtigen, die Finger- und Handabdrücke
und die Handschrift passen nicht auf Hassan Diab. Die franz
ӧsische Polizei fand fünf in Druckschrift geschriebene Wӧrter, die vom angeblichen Attentӓter in das Gӓstebuch eines
Pariser Hotels geschrieben wurden. Franz
ӧsische
Handschriftexperten verglichen dieses Material mit den in Schreibschrift
ausgefüllten Formularen für Diabs Doktorarbeit an der amerikanischen Universit
ӓt Syracuse im Bundesstaat New York. Die Experten kamen
zur Schlussfolgerung, dass die Handschriftbeispiele von der gleichen Person
geschrieben wurden. Diabs Verteidigung argumentierte, dass Druck-und
Schreibschrift für führende Handschriftexperten nicht vergleichbar sind. Die
Anklagen gegen Herrn Diab verloren noch mehr an Glaubwürdigkeit, als die Verteidigung
aufzeigen konnte, dass die Formulare in Syracuse nicht von Hassan Diab selbst
ausgef
üllt wurden, sondern von seiner damaligen Ehefrau.
Darauf zogen die franzӧsischen Behӧrden den ersten Bericht zurück und legten einen
zweiten Bericht vor, der von Experten der Verteidigung auseinandergenommen und
als methodologisch nicht akzeptabel verurteilt wurde. Ein dritter Bericht aus
Paris wurde vom kanadischen Gericht schliesslich akzeptiert, obwohl der
vorsitzende Richter Robert Maranger ihn als “unlogisch…verworren, sehr konfus,
mit zweifelhaften Schulssfolgerungen” beschrieb. Robert Maranger wies die von
Frankreich benutzte Geheimdienstinformation zurück, weil sie unter Folter
zustandegekommen sein k
ӧnnte und damit die
in der kanadischen Charter of Rights and Freedoms garantierten Rechte von
Hassan Diab verletzen w
ürde. Amnesty
International in Kanada meldete sich bei den Anh
ӧrungen
ebenfalls zu Wort. Ohne auf die Schuldfrage einzugehen, sprach sich die
Menschenrechtsorganisation gegen die Auslieferung nach Frankreich aus, weil
nicht sichergestellt sei, dass dort die unter mysteriösen  Umst
ӓnden
gesammelte geheime Information nicht gegen den kanadischen Staatsb
ürger
eingesetzt w
ürde. Am 6. Juni 2011 entschied sich Robert Maranger für
die Auslieferung von Hassan Diab und ein Jahr sp
ӓter
befahl der kanadische Justizminister seine Auslieferung. Maranger schrieb in
seinem Urteil, dass er gem
ӓss der Auslegung des
kanadischen Auslieferungsrechtes in Ontario keine Wahl habe und Hassan Diab
nach Frankreich schicken werde, obwohl die Beweise der franz
ӧsischen Behӧrden schwach und
unter dem Niveau seien, nach dem eine Verurteilung in einem kanadischen Gericht
zustande k
ӓme. Herr Diab
Kommentar: “Ich habe seit sechs Jahren in einem kafkaesken Alptraum gelebt,
gegen falsche Anschuldigungen gek
ӓmpft  und musste meine Inhaftierung, strikte
Bedingungen f
ür meine Freilassung auf Kaution, Verlust der Arbeit und
enormen Stress f
ür meine Familie ertragen.”
Hassan Diab wurde am 20. November 1953 im Libanon geboren und studierte an
der Universit
ӓt Beirut. Seine
sechs Geschwister leben dort. Seine Eltern hatten keinen Schulabschluss und
setzten alles daran, dass ihren Kindern die Türen zu einer guten Ausbildung und
zum Studium offen standen. 1987 erhielt er ein Stipendium f
ür
ein Doktoratsstudium an der Universit
ӓt
Syracuse im Staat New York. Dort traf er seine erste Frau, Nawal Copty, mit der
er ein Kind hat. Er unterrichtete an mehreren Instituten und Universit
ӓten in Kanada und im Ausland und erhielt 1993 die
kanadische Staatsb
ürgerschaft. Mit seiner zweiten Frau Rania Tfaily hat er zwei
Kinder; sein Sohn kam zwei Monate nach seiner Auslieferung zur Welt. Die Reisen
des Soziologieprofessors zu Konferenzen und f
ür Lehrauftrӓge wurden von der franzӧsischen
Staastanwaltschaft benutzt, um ihn als zweifelhafte Figur und Fluchtrisiko
darzustellen. Hassan Diab sagte, dass er Wochen vor seiner Festnahme von einem
franz
ӧsischen 
Journalisten erfuhr, dass Paris gegen ihn im Fall des Anschlages auf die
Synagoge in der Kopnernikusstrasse ermittle. Er h
ӓtte
relativ einfach aus Kanada entfliehen k
ӧnnen.
Seit seiner Inhaftierung in Frankreich kann Hassan Diab als gute Nachricht
verbuchen, dass vier Fingerabdruckberichte mit negative Resultaten zurückkamen.
Fingerabdrücke von Hassan Diab von der amerikanischen Einwanderungsbeh
ӧrde, von der kanadischen Polizei, von der Ankunft in
Paris im November 2014 und im Gef
ӓngnis genommene Abdrücke
stimmen nicht mit den Abdr
ücken in den Akten
der franz
ӧsischen Polizei überein.
Diabs Mitgefangene fragten, warum er immer noch festgehalten werde.
Ich
sagte, fragt Kafka. Ich hoffe, dass die Vernunft bei denen einen Besuch
abstattet, die die Entscheidungen treffen.”
Im Bericht “Preempting Justice” hat Human Rights Watch die französische
Antiterrorgesetzgebung kritisiert und bemängelt, dass die Entscheidung zur
Inhaftierung während einer formellen Untersuchung im Fall eines terroristischen
Anschlages oft auf der Basis von schwachen Beweisen getroffen wird. Die
amerikanische Menschenrechtsorganisation kritisierte auch, dass häufig von
Geheimdienstinformationen Gebrauch gemacht wird, die möglicherweise unter
Folter zustande kam, was das Recht des Angeklagten auf eine effektive
Verteidigung untergrabe. In Norwegen werden solche Bedenken nicht so leicht
ignoriert wie in Kanada:
Ein franzӧsisches Ersuchen zur
Auslieferung eines norwegischen Staatsbürgers wegen der mutmasslichen Beteiligung
an einem 1982 ausgeführten Anschlag auf ein jüdisches Restaurant in Paris wurde
von Oslo zurückgewiesen. Die Ehefrau des von Pairs gesuchten Mannes sagte, dass
er noch nie in Frabkreich war und dass eine Verwechslung vorl
ӓge.
Etwa 100 Auslieferungsantrӓge werden jedes Jahr
von kanadischen Gerichten angeh
ӧrt, in der Mehrheit
geht es um Kanadier, die in den USA vor Gericht gestellt werden. Die
Entscheidung wird zumeist innerhalb von wenigen Tagen gef
ӓllt, und in den vergangenen 15 Jahren wurden nur sechs
Auslieferungsantr
ӓge zurückgewiesen.
Die kanadischen Unterstützer von Hassan Diab haben eine Kampagne begonnen,
um Hassan Diab nach Hause zu bringen. Die Organisation Justice for Hassan Diab
ruft zur Beteiligung an der “Bring Hassan Diab Home” Kampagne auf, durch das
Schreiben von Briefen, die offizielle Unterstützung von Gruppen in Frankreich
und Europa für die Beendigung des Verfahrens gegen Diab und Spenden zur
Finanzierung von Hassan Diabs Verteidigung in Frankreich.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. 
Kontakt:
diabsupport@gmail.com
http://www.justiceforhassandiab.org
http://www.globalresearch.ca/canadian-academic-dr-diab-hassan-deported-to-france-on-trumped-up-terror-charges/5445878
Chris
Cobb vom Ottawa Citizen berichtet regelm
ӓssig über die neuesten Entwicklungen im Fall Hassan
Diab.
http://ottawacitizen.com/news/local-news/canadas-extradition-law-a-legal-condundrum
(Übersetzt
und zusammengestellt v. M.Lauer)