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Straßenkünstler von Polizist erschossen: Massive Proteste in Chile

von Michael Roth, Santiago,
Amerika21
, 8. Februar 2021. Nachdem der Jongleur Francisco Martinez am
Freitag bei einer sogenannten vorbeugenden Personenkontrolle in Panguipulli von
einem Polizisten erschossen worden ist, kam es im Anschluss zu heftigen
Protestaktionen. Dabei wurden in der Nacht Barrikaden errichtet und ein
Brandanschlag auf das Rathaus verübt, das dadurch vollständig zerstört wurde.
Eine aufgebrachte Menge war auch bis vor das Polizeirevier der Kleinstadt
gezogen.


Panguipulli ist eine Kleinstadt mit etwa 35.000 Einwohnern rund 80
Kilometer im Osten der Stadt Valdivia. Als sich dort am Freitagabend ein
jugendlicher Künstler bei einer Polizeikontrolle weigerte, sich auszuweisen,
soll er sich laut Berichten zunächst den Polizisten mit seinen Jongleurmessern
genähert haben. Ein Polizist schoss dem jungen Mann daraufhin in Beine und
Brust, wie auf einem Video zu sehen ist.
Der der Tat beschuldigte Polizist soll darauf bestehen, aus Notwehr gehandelt
zu haben. Augenzeugen äußerten, es habe sich um offensichtlich stumpfe Messer
gehandelt.

Eine zufällig anwesende Krankenschwester berichtete der
Zeitung El Ciudadano, dass sich die Polizisten in ihrem Streifenwagen vom
Tatort entfernt hätten. Als schließlich ein Krankenwagen eintraf, konnte das
Rettungspersonal nur noch den Tod des jungen Mannes feststellen.

Schon unmittelbar nach dem Zwischenfall kam es zu spontanen Protesten.
Politiker der Opposition äußerten sich kritisch über die sozialen Medien.
So schrieb der
Abgeordnete Daniel Nuñez auf
Twitter: “Vollkommen ungerechtfertigte Gewaltanwendung. Das ist
kriminell.”

Am Samstag war der Vorfall ein Hauptthema in der morgendlichen Berichterstattung. Die
Regierung schickt den Unterstaatsekretär im Innenministerium, Juan Francisco
Galli, in die Stadt, um die Ermittlungen zu unterstützen. Präsident Sebastián
Piñera berief eine Notfallbesprechung ein.

Die Mordkommission ermittelt nun gegen den Polizeiunteroffizier Juan
González Iturra. Der zuständige Staatsanwalt verhängte Ingewahrsamnahme
bis Montag, um die ersten Ermittlungen abzuschließen und eine mögliche Anklage
zu erheben.