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Überleben in Deutschen Konzentrationslagern “Zirkus Konzentrazani”

Von Richard Albrecht, Untergrundblättle, 15. Mai 2020. „Die Welt hinterm Stacheldraht war eine Welt für sich. Sie hatte ihre
eigenen Lebensgesetze und eigene Ehrbegriffe. Auch ihre eigene Sprache …
Diese Sprache war ursprünglich, bunt und drastisch. Sie entbehrte nicht eines
grimmigen Humors … Häftlingssprache und Galgenhumor – Zeugnisse einer
geistigen Überlegenheit, die die Gefangenen weit über ihre Peiniger
stellten.”
(Karl Schnog, 1945)*


Befreiung des Konzentrationslager Buchenwald, April 1945.
I
Dass es in extremen menschlichen Bedrohungslagen wie namentlich in
deutschen Konzentrationslagern1 nicht zuletzt immer auch ums Überleben und den
– sei es individuellen, sei es kollektiven – Kampf gegen drohende, nicht selten
aktuelle und fassliche Vernichtung humaner Existenz ging, ist bekannt. Und dass
dieser Kampf, dessen weltliterarisch bedeutsame Ausdrucksversuche Überlebende
erst nach Jahrzehnten des Abstands von Vernichtungsdrohung, Grauen und Scham
unternehmen konnten2, auch eine bis heute verschwiegene furchtbare Wahrheit3
infolge von Überlebensnotwendigkeiten derer, die nicht in den sicheren Tod
gebracht werden wollten, enthält, scheint mir unbestreitbar; auch wenn es
möglicherweise weitere Jahrzehnte dauern mag, bis auch diese erfahrene
Erschütterung literarisch ausgesprochen werden kann.

Beim Überlebenskampf in deutschen
Konzentrationslagern spielte nun auch – was auf den ersten Blick vielleicht
erstaunen mag, jedoch nicht wegzuleugnen ist – der Witz zur Bewältigung der
neuen Lage und ihrer Bedrohlichkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Genauer: auch mit Hilfe von Witzen versuchten, noch im Jahr 1933 in einem
neueingerichteten staatlich-preussischen Konzentrationslager, nämlich im KZ
Börgermoor/Papenburg, bedrohte politische Gefangene im „dritten Reich”
ihre Überlebenschancen zu sichern: indem sie sich mit dem Witz als Medium und
im Medium des Witzes Handlungsspielräume gegenüber ihren SS-Wächtern als
Vertretung der faschistischen Staatsmaschinerie sicherten.

Genau dies hat der handelnde Betroffene Wolfgang
Langhoff4 in einem besonderen Kapitel („Zirkus Konzentrazani”) seines
zuerst 1935 im schweizerischen Exil veröffentlichten ´unpolitischen
Tatsachenberichts´ „Die Moorsoldaten”5 authentisch dokumentiert.

Wolfgang Langhoffs Erfahrungsbericht zeichnet
dabei – im Gegensatz etwa zu Karl August Wittfogels kurze Zeit später
veröffentlichtem Roman6 und dem dort fiktionalisierten Schicksal des
schliesslich erschossenen, radikalen Intellektuellen Martin Schneehagen – nicht
nur Bilder von Grauen, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, sondern versucht,
eigne Erlebnisse und Erfahrungen in Form eines dokumentarischen und scheinbar
„unpolitischen Tatsachenberichts” (der Untertitel der ersten Buchauflage
fehlt in der 1946 erschienenen Ausgabe7) als widersprüchliche Einheit von „Kampf
und Verzweiflung, Hoffnung und Resignation”8 dialektisch zu verarbeiten,
so dass allen Bedrückungen und Gefährdungen zum Trotz, die den Autor
schliesslich nach seiner Freilassung in die Emigration treiben, die menschliche
Extremlage im KZ nicht nur als hoffnungs- und ausweglos erscheint.

Im Zusammenhang dieser Autorenhaltung und der
antifaschistischen Sendung Wolfgang Langhoffs kommt dem Kapitel „Zirkus
Konzentrazani”, in dem auch das heute noch bekannte und gesungene
„Börgermoorlied”10 veröffentlicht wurde, gerade mit Blick auf die
scheinbar bloss witzigen Partien einer Zirkusvorstellung im abgelegenen
Konzentrationslager besondere Bedeutung zu – treffen doch hier, verfremdet in
einer zunächst gespenstisch erscheinenden künstlichen Zirkuswelt im KZ und
zugleich eingebunden in die verkehrten Rollen von Akteuren (den Festgenommenen
als bedrohten Opfern) und Zuschauern (der SS), die personifizierten Antipoden
als Kollektive aufeinander.

Diese authentische Situation mag, gerade infolge
ihrer Verkehrung zur Kenntlichkeit im Sinne des Philosophen Ernst Bloch
(1885-1977), als Modellfall untersucht werden. Im von Fortschreiten vom
Besonderen zum Allgemeinen ausgerichteten Analyseverfahren sollen aus diesem
Modellfall für Witz-Kommunikation einige bedenkenswerte grundlegende
kommunikations- und verhaltenswissenschaftliche Muster und Erkenntnisse
herausgearbeitet werden, die das, was Paul E. McGhee im Kontext seiner
Vorstellungen von „mental health” als „coping mechanism”11
identifiziert, genauer eingrenzen. Zugleich wären die so gewonnenen Ergebnisse
sicherlich in das kürzlich von Bjørn Ekmann vorgelegte anregende Szenario zur
„Ästhetik des Lachens”12 integrierbar – gerade weil es hier um eine von
der kommunikationsästhetischen Seite her gesehen besondere und zugleich elementare
,einfache Form”3 und nicht um ,Volkspoesie’ im allgemeinen14 geht. Das
Witzmaterial, das Langhoff mitteilt, ist schliesslich weder als politischer’
Witz allgemein15 noch als – inzwischen reichhaltig dokumentierter – deutscher
„Flüsterwitz” unter den Herrschaftsbedingungen einer faschistischen
Diktatur16 zu bewerten, sondern eher als situativer Ausdruck einer neuen,
sozial ungeregelten und insofern soziologisch ,anomischen’ Lage aus dem Feld
eines geheimgehaltenen, verborgenen gesellschaftlichen Segments17.

Die Modelluntersuchung wird freilich auch nach
der besonderen Rolle von „Humor”18 und seinen konkreten Ausprägungen in
der skizzierten existentiellen Extremsituation fragen müssen und die
Funktion(en) des Witzes dabei herauszuarbeiten haben – wobei im einzelnen zu
zeigen sein wird, worin denn die allgemein Gemeinschaftlichkeit stiftende Rolle
von Witzen19 unter den Lager- und Todesbedingungen im Speziellen besteht und
was mithin aus dieser Modellanalyse mit Blick für eine Kommunikationssoziologie
des Witzes für (noch) Beherrschte und (noch) Herrschende möglicherweise gelernt
werden könnte.

II
Wolfgang Langhoffs Kapitel „Zirkus Konzentrazani”20 beschreibt
Vorbereitungen, Durchführung und Wirkungen der makabren Zirkusvorstellung im KZ
Börgermoor/Pa-penburg im Herbst 1933. Und wie nicht anders zu erwarten, hatte
es „viele Kämpfe gekostet unter den eigenen Kameraden, bis sich unser Plan
durchsetzte”21:

„Tausenderlei Bedenken tauchten auf. Das
wichtigste Argument gegen unsere Absicht war, dass unsere Veranstaltung
photographiert werden und als Propaganda für die ,humane’ Gefangenenbehandlung
in deutschen Konzentrationslagern verwandt werden könne. Wir hielten aber
dagegen, dass es jetzt vor allen Dingen darauf ankäme, trotz aller
Misshandlungen den Kopf hochzutragen und uns nicht unterkriegen zu
lassen.”22

Das Lagerleben seiner Peiniger und damit der
Adressaten dieses besonderen KZ-Zirkus beschreibt Langhoff so:

„In ihren Mannschaftsbaracken herrschten
Stumpfsinn und Saufereien. Sie kamen sich selber wie verbannt vor. Weit und
breit keine Stadt, wo sie Urlaub oder Freizeit verbringen konnten. So hockten
sie dann in der Kantine und soffen … Ihre Unterhaltungen in der Baracke
entsprachen gewissen Kasernenhofscherzen; z.B. wenn sie alle bis zur Besinnungslosigkeit
betrunken waren, fielen sie über einen jungen S.S.-Mann her, der erst frisch
zur Wachmannschaft gekommen war, und beschmierten seinen Geschlechtsteil mit
schwarzer Schuhwichse oder holten Jod aus der Lazarettbaracke und malten das
Gesicht des Betrunkenen mit Jod ein, dass er tagelang wie ein Indianer
herumlief. Das war aber schon das höchste an Humor, was sie
aufbrachten.”23

Die Weltorientierung und -erfahrung dieses
SS-Publikums, auf das sich die Gepeinigten im KZ einstellen mussten und auch in
der Weise einstellten, dass „der gesamte Ablauf [der Zirkusvorstellung]
schnell, exakt und diszipliniert vor sich ging, weil ich mir sagte, dass allein
schon durch straffe Ordnung und Tempo ein gewisser Eindruck auf die S. S.
ausgeübt werden könne”24, skizziert Langhoff recht eingehend:

„Hauptsache war und blieb die Sauferei. Das
wurde von ihnen auch ganz ehrlich als zur deutschen Mannestugend gehörend
verteidigt. Der Kommandant soff selber mit ihnen – sie waren stolz, wieviel er
vertragen konnte! – und aus dieser Atmosphäre heraus ist auch ihre
Kameradschaft zu verstehen. Alte Zechbrüderschaft, – Raufgemeinschaft durch
Dick und Dünn – das war ihr Ideal! Abgrundtiefe Verachtung für alle
Waschlappen, ,Nurpolitiker’ und Spiesser. Dass ihre Saufereien und flachen Ehr-
und Treuebegriffe selber nur wildgewordenes Spiessertum waren, kam ihnen dabei
nicht in den Sinn! Ihr Lieblingslied war:

´Dies und das – Suff und Frass
muss ein Landsknecht,
muss ein Landsknecht haben!´

Ich will nicht einmal behaupten, dass diese
Haltung Verlogenheit oder Pose war – im Gegenteil, sie hätten sicher auch ihr
Leben für diese seltsamen Begriffe von ´deutschem Mannestum´ eingesetzt. –
Wenigstens manche von ihnen! –

Ihre soziale Zusammensetzung war so: ca. 60%
waren Söhne von verarmten Kaufleuten, Gastwirten, kleinen Ladenbesitzern, Post-
und Eisenbahnbeamten, deren Eltern ihnen kein Studium, keine Zukunft mehr
bieten konnten. 20% waren ,Gebildete’, das heisst, verkrachte Lehrer,
Ingenieure, Techniker, Studenten – und ungefähr 20% Arbeiter.

Die Führerstellen waren aber fast durchweg mit
den ,Gebildeten’ besetzt oder mit alten Berufssoldaten aus der Reichswehr und
Baltikumkämpfern. Von Arbeitern waren nur solche chargiert, die sich durch
besondere Brutalität auszeichneten.

Die Hauptschlägergruppe bestand aber aus den
Herren der ,besseren Kreise’. Z. B. ,Zachel’, der das Polytechnikum in Aachen
besucht hat, ,Entenschnabel’, der ein verkrachter Junglehrer war, ,Grosskopf’,
der Laute spielte und Nietzsche las!

Diese Leute gaben auch den politischen’ Ton in
der Mannschaft an. Sie ergingen sich in hochtrabenden Phrasen, halbverstandenen
Zitaten und in einer Judenhetze, Marke Streicher Nürnberg, die nur aus einer
verdorbenen Sexualität erklärlich ist.”25

Der Ablauf der Vorstellung des „Zirkus
Konzentrazani” fand an einem Sonntagnachmittag im Herbst 1933 statt und
war, soweit unter den Extrembedingungen überhaupt einzurichten, auch mit Blick
auf die moralisch-politischen Bedenken der politischen Gefangenen gesichert:
„Die S.S. hatten wir absichtlich so placiert, dass sie gegen die Sonne schauen
mussten, im Fall es einem einfallen sollte, einen Photo mitzubringen und zu
knipsen. Ausserdem hatten wir auch beschlossen, die Vorstellung sofort
abzubrechen, wenn ein Photoapparat auftauchen sollte.”26 – Die
Zirkusvorstellung konnte dann auch nach so witziger wie disziplinierter
Ankündigung und Organisierung nach Einzug der SS-Leute „mit dem Kommandanten an
der Spitze”27 unter herrlichem Wetter, strahlendblauem Himmel und
lachender Sonne28 beginnen29.

Auch unter den Extrembedingungen des KZs wirkten
freilich die allgemeinen Handlungsmuster und Rituale der speziellen sozialen
Situation ,Zirkus’; auftritt „Direktor Konzentrazani” unter „nicht
endenwollende[m] Empfangsapplaus” und „Lachsalven über Lachsalven, noch
ehe er den Mund aufgemacht hatte!”30 – und in der entsprechenden
Programmabfolge präsentierten sich politische Gefangene der Nationalsozialisten
als „Artisten”, in verschiedenen Rollen verfremdet: so als die
bauchtanzenden „schönsten Girls der Welt, unsere fünf Moorgirls”, als
turnende „Arabertruppe”, als „Clowns” und spassmachende „dumme
Auguste”, als „Keulenschwinger” und witzerzählender „Humorist”,
als „Ringer” und „Boxer”, als wahrsagender „Storch” und „Moorsoldaten”
in einer „Pat und Patachon-Ausgabe” – mit dem schliesslichen Höhepunkt als
Schluss der Vorstellung von „Zirkus Konzentrazani”, dem das
„Börgermoorlied”31 zunächst behutsam vortragenden „Gesangschor”, der
die letzte Strophe des Lieds „Die Moorsoldaten” mit ihrem trotzigen
Refrain „plötzlich laut und hart”32 ausklingen liess:

„Dann ziehn die Moorsoldaten Nicht mehr mit dem
Spaten Ins Moor!”

Dem Lied schreibt Wolfgang Langhoff die
beeindruckendste Wirkung dieser Zirkusvorstellung im KZ 1933 zu: einerseits war
das „Eis … gebrochen und die ersten menschlichen Worte wurden von beiden
Seiten gewechselt”33, verlangten SS-Leute von ihren Opfern Abschriften des
Liedes, so dass der „Erfolg grösser [war], als wir erwartet hatten” –
andererseits: „Zwei Tage darauf wurde das Lied verboten.”34 –

Der Regisseur dieser Zirkusvorstellung
kommentierte das Ereignis und sein Anliegen in seinem „unpolitischen
Bericht” ein gutes Jahr später auch mit einem Hinweis auf den Mut zum
Lachen in der nachgezeichneten menschlichen Extremlage:

„Es ging mit durch den Kopf, dass ich vor einem
solchen Publikum und für solches Publikum noch nie im Leben gearbeitet hatte
und wohl auch nie mehr arbeiten werde! Sucht Euch Menschen auf der Welt wie
diese Gefangenen, die durch unmenschliche Martern und Qualen gegangen sind,
fast jeder von ihnen durch die Keller der S.A. geschleift, und jetzt in einem
Lager mit schwerster Fronarbeit, täglichen Misshandlungen und der ständigen
Drohung ,auf der Flucht erschossen’ zu werden – sucht Euch die, die dann noch
den Mut aufbringen, so zu lachen, so das Leben zu bejahen -, dass die S.S., von
der Ursprünglichkeit und Heiterkeit überrumpelt, mitlachte und gegen ihren
eigenen Willen von ihnen beeindruckt wurde !”35

III
Ausgelegt aufs „Mitlachen” der SS-Leute waren in der Vorstellung des
„Zirkus Konzen-trazani” natürlich vor allem die Witze. Sie mussten so
angelegt sein, dass sie einmal den bornierten Landsknecht-Horizont der Peiniger
ansprechen und ihn, zum anderen, so erweitern konnten, dass mit der jeweiligen
Pointe ein einheitsstiftendes ,befreiendes’ Lachen über die Situation und die
sie verursachenden sozialen Kräfte möglich wurde. In diesem Sinn stellten die
im „Zirkus Konzentrazani” kommunizierten und von Wolfgang Langhoff, seinem
Regisseur, gewiss ohne wesentlichen Authentizitätsverlust veröffentlichten
Witze36 eine angesichts der drohenden praktischen Folgen jedes ,falsch’
ankommenden Witzes bei der SS gar nicht hoch genug zu bewertende rationale und
emotionale, politische, psychologische, ästhetische und moralische
Hervorbringung dar. Nicht zuletzt deshalb wirkt Wolfgang Langhoffs Erklärung:
„Bei jedem Witz wurde immer auf die S.S. geschielt, wie sie die Sache wohl
aufnehmen würde”37 – angesichts der Bedrohlichkeit der Lage und der
Gefährdung nicht nur der Akteure des „Zirkus Konzentrazani”, sondern
letztlich aller politischen Gefangenen des KZ Börgermoor/Papenburg an jenem
Sonntagnachmittag im Frühherbst 1933 – so glaubhaft.

Nach der turnenden „Arabertruppe” kamen in
der Programmabfolge die beiden ,dum-men Auguste’:

„Sie hatten ihr Gesicht mit Mehl und Kohle
zurecht gemacht und stürzten mit Hallo in die Manege. Der eine trug ein grosses
Fernrohr unter dem Arm, das er in der Mitte aufstellte.

Um den folgenden Witz verstehen zu können, muss
ich vorausschicken, dass unser Kommandant Fleitmann eine ständige Redensart
hatte: ,Guckste durch?’ Das hiess so viel wie: ,verstanden? schaust Du durch?’
Und jedesmal, wenn er mit seinem polternden Bass einen anbrüllte oder einen
Befehl gab, schloss er mit ,Guckste durch?’

Der eine Clown stellte sich also ans Fernrohr,
richtete es auf den Kommandanten, sah hinein und der andere stellte sich
daneben und brüllte: ,Guckste durch, guckste durch?’ Alles wälzte sich vor
Lachen. Der Kommandant übrigens auch.”38

War diese gefährliche – zur Auslotung des
Handlungsspielraums des „Zirkus Konzentrazani” entscheidende – Lage so
erfolgreich ,bewältigt’ und ,das Eis gebrochen’, konnten unter stetiger Abnahme
der Gefährdung weitere Witze und Clownerien, die sowohl von den ,dummen’
Augusten als auch später von einem „Humoristen” erzählt wurden,
gleichermassen versuchen, Naziüberzeugungen und Überzeugungen der Nazis witzig
zu hinterfragen und im Medium des Witzes die Lage der politischen Gefangenen
selbst gegenüber ihren SS-Wächtern zu veröffentlichen.

Die beiden folgenden Witze schliessen sich an
eine witzig präsentierte Forderung der Gefangenen an und verfremden zentrale
Aussagen der Nazipropaganda39 über „Bonzen” und „Schieber”:

,„Was suchst Du denn?’ fragte der eine Clown den
anderen. ,Was suchst Du denn?’ Und der am Fernrohr schrie in höchsten Tönen:
,Die tägliche Raucherlaubnis!’ Das sass!- Dann richtete er das Fernrohr auf den
ganzen Kreis und sein Freund fragte wieder: ,Was suchst Du denn jetzt?’ ,Ich
suche die grossen Bonzen hier im Lager.´ Ein beinahe erschrockenes Lachen
antwortete auf diesen aggressiven Witz, denn es waren ja nur alles Arbeiter,
die Ärmsten der Armen, die hier von den Nazis eingesperrt waren und von den
sogenannten grossen ,Novemberverbrechern’, mit denen die Nazis so viel
Propaganda machten, war nichts zu sehen. ,Hast Du denn schon welche gefunden?’
´Nein. Aber eine Menge Schieber!´ ,So – Schieber?´ ´Ja. – Lorenschieber.´ Und
damit waren unsere Kameraden gemeint, die die Loren der Feldbahn schieben
mussten.”40

Nicht zuletzt durch das Wörtlichnehmen – dies
zur Witztechnik im letztzitierten Kalauer – von „Schieber” wurde so jene
Sinnverschiebung in der Pointe produziert, mit deren Hilfe die politischen
Gefangenen glaubten, ihren SS-Wächtern die Absurdität ihrer wie der gemeinsamen
Lage mitteilen zu können.

In anderen Programmteilen sprachen weitere
Witze, in denen u. a. auf die (damals populären) Kölschen Witztypen Tünnes und
Scheel rekurriert wurde41, wieder die Lebens- und Leidensbedingungen im KZ
selbst an:

„Es folgte ein Humorist, der sich ein Mikrophon
aus einer Konservendose gebaut hatte und ,5 Minuten Moorfunk’ brachte. Er
definierte den Namen ,Humorist’ als einen Mann, der im ,Hu! Moor ist’.
Verschiedene riefen: ,Au’! Dann erzählte er Witze vom ,Tünnes und Scheel’, den
beiden Kölschen Jungens, die unter anderem auch im Konzentrationslager
Börgermoor waren und sich über das Essen dort unterhielten:

,Dat Essen, Scheel, dat war dir komisch! Dat
Mehl war in der Wurst, und die Kartoffeln im Brot!’ Jut war et nich – dafür
aber wenig!'”42

Was hier politische Gefangene als letzten Witz
in einer zunächst nur künstlich geregelten sozialen Lage als situativ und
kritisch gewendeten Tünnes-und-Scheel-Witz im „Zirkus Konzentrazani”
(abgekürzt: Z.K.) ihren Nazibewachern mitteilten, dürfte denn auch mehr
bedeutet haben als blosse seelische Entlastung und ,mental health’ für die
Unterdrückten und Gefährdeten. Vielmehr drückt auch der letztzitierte Kalauer
als Moment einer „mental rebellion” (George Orwell) in einer leicht
fasslichen Form gleichermassen politische Forderung – nach angemessener und
ausreichender Verpflegung – und moralische Selbstachtung – nämlich den
Überlebenswillen selbst – der Erniedrigten und Geschundenen aus. Auch dieser
Witz diente so als Versuch einer, wenngleich zunächst ideellen, Neudefinition43
der bedrückenden Lage und ihrer durch Gewalt und Todesdrohung bestimmten
Kräfteverteilung – ohne dass der Konflikt selbst witztypisch doch nur bloss
weggelacht wird: denn die hier nicht nur verschiedenen Wertsysteme44, sondern
gegensätzlichen und feindlichen Welten bestehen ebenso weiter wie die
übergreifende Lage der Gefangenschaft im Konzentrationslager45.

Insofern kann auch ein an sich so faszinierender
wie eingängiger lachtheoretischer Ansatz – Michail Bachtins sozioästhetische
und volkskulturelle Erklärung46 – die besondere soziale Lage des „Zirkus
Konzentrazani” nicht fassen.

IV
Ist damit nun
das, was als „Zirkus Konzentrazani” von Wolfgang Langhoff unter den Bedingungen
faschistischer Herrschaft in der Extremsituation im Konzentrationslager
Börgermoor/Papenburg an einem Sonntagnachmittag im Frühherbst 1933 inszeniert
wurde nichts weiter als ein frühes und besonders anschauliches Beispiel für
,Galgenhumor’ unter Extrembedingungen ? Also – um McGhees zusammenfassende
Kennzeichnung dieser Humorsorte zu bemühen – „the most extreme example of using
humor to cope with distress”?
Dessen Entäusserung dem einzelnen dazu verhelfen
kann, „trying to go through the motions of humor in order to prevent being
overtaken by the fearfulness of the Situation”47?

Und
erhielte dieser „gallows humor” im „Zirkus Konzentrazani” nicht eine
doppelte „soziale Funktion” – indem er nämlich einmal „die Illusion
[verschaffte], dass die Unterdrückten noch einiges an Macht und Unabhängigkeit
besassen, und stärkte dadurch die Widerstandskraft” und zum anderen „nicht
nur als ein Indikator für die Moral der Unterdrückten, sondern auch für die
Stärke der Unterdrücker” wirkte? – Brächten dann nicht gerade die im
„Zirkus Konzentrazani” kommunizierten Witze und Kalauer die Lage auf den
Punkt: „Wenn nämlich die Unterdrücker es sich erlauben können, diese Witze zu
übersehen, ist ihre Stärke offensichtlich gross; versuchen sie aber, sie mit
Gewalt zu unterdrücken, dann sind sie offenbar sehr unsicher – trotz allen
Säbelrasselns”48?

Die operative Gerichtetheit des ,Galgenhumors’
jedenfalls, zuallererst der so bedrohlichen wie zu bewältigenden jeweiligen
extremen Lage geschuldet, ist immer praktisch bestimmt:

„Not humor-for-humor, but humor with a definite
purpose – that is, to ridicule with irony, invectives, and sarcasm in order to
become a means of an effective social control.
This
teleological character of gallows humor determines its social function, which
is twofold – positive and negative. Its positive effect is manifested above all
in the strengthening of the morale and the spirit of resistance of people who
struggle for their individual and national survival; its negative effect
(which, of course, is again something very positive from the viewpoint of the
oppressed) reveals itself by its disintegrating influence among those against
whom it is directed.
In both instances it proves to be an extremely powerful weapon.”49

In dieser soziologischen Deutung des
,Galgenhumors’ durch Antonin Obrdlik, der Erfahrungen anlässlich der Besetzung
der CSR 1939 durch Nazitruppen einvernimmt, scheint sicherlich ein wichtiges
Moment in Gestalt der die Möglichkeiten von Humor und Witz bestimmenden
(reflexiv jeweils von Unterdrückern und Unterdrückten wahrgenommenen) Lage und
ihrem jeweiligen sozialen Kräfteverhältnis auf.

Und doch ist damit eine Besonderheit der im
„Zirkus Konzentrazani” 1933 verbreiteten Witze und mithin auch dieser
Sorte von Humor, meines Erachtens, noch nicht angemessen angesprochen: denn
hier handelte es sich um bewusste, kollektiv organisierte und getragene Formen
von Humor- und Witzverbreitung, die den Unterdrückten gegenüber den
Unterdrückern vor allem eines sichern helfen sollten: erweiterte Aktionsräume,
mit deren Hilfe das kollektive und individuelle Überleben in einer besonderen
und tödlichen Gefährdungssituation allein zu bewältigen sein konnte.

So gesehen, drücken Humor und Witz im „Zirkus
Konzentrazani” – aber auch die Tatsache der bewussten, kollektiven und
organisierten Hervorbringung der Zirkusveranstaltung selbst unter genannten
Lebens- und Kampfbedingungen – modellhaft zumindest zweierlei aus: einmal den
Überlebensmut, auch mittels der humanen Entäusserungsform des Lachens gegen die
an sich naheliegende Selbstaufgabe zu arbeiten; und zum anderen das situative
Zutrauen, diese menschliche Gattungsfähigkeit als scheinbar einheitsstiftendes
(Unterdrücker und Unterdrückte dialektisch verbindendes) Medium auch gegenüber
den Vernichtungs- und Destruktionsgewalten einzusetzen, um die Unterdrückten
überleben lassen zu können.

Witze, Humor, das Börgermoor-Lied wie die
Inszenierung des „Zirkus Konzentrazani” waren dabei freilich immer nur
Mittel zum Zweck – dem bewussten, zielgerichteten und organisiertem Kampf ums
Überleben.

Fussnoten:

*Karl Schnog, Unbekanntes KZ. Erlebtes. Luxemburg:
Selbstverlag 1945, S. 12-15 (=Unbekanntes KZ 1).

1 Vgl. Eugen Kogon, Der SS-Staat. Das System der deutschen
Konzentrationslager [1946]. München: Kindler 1979; Falk Pingel, Häftlinge unter
SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im
Konzentrationslager. Hamburg: Hoffmann & Campe 1978 ( = Historische
Perspektiven 12).



2 Vgl. etwa Bruno Apitz, Nackt unter Wölfen (1958).
Frankfurt/M.: Röderberg 1978 (m. 12 Zeichn. v. Fritz Cremer); Jorge Semprun, Le
grand voyage. Paris: Gallimard 1963; Peter Edel, Die Bilder des Zeugen
Schattmann. Berlin: Die Nation 1972. – Die Überlebensproblematik (coping) im KZ
wurde einer breiten internationalen Öffentlichkeit v. a. durch die
BGS-Verfilmung von Fania Fenelon´s Buch: „Sursis pour l’Orchestre” (1976)
nahegebracht. In der Bundesrepublik Deutschland am 9./10.3. 1981 im ZDF
erstgesendet.



3 Georg K. Glaser, Geheimnis und Gewalt. Ein Bericht.
Stuttgart, Hamburg: Scherz & Goverts 1953, S. 501; ähnlich schon Walter
Poller, Arztschreiber in Buchenwald. Ein Bericht des Häftlings 996 aus Block
39. Hamburg: Phönix-Verlag Christen & Co. 1946, S. 24-31. Vgl. auch
Benedikt Kautsky, Teufel und Verdammte. Erfahrungen und Erkenntnisse aus sieben
Jahren in deutschen Konzentrationslagern. Zürich: Büchergilde Gutenberg 1946,
bes. S. 159-169.



4 Zum Autor vgl. Biographisches Handbuch der
deutschsprachigen Emigration, Bd. II.
München, New York, London, Paris 1983 (KG Saur), 2 . Halbband, S. 691 f.



5 Wolfgang Langhoff, Die Moorsoldaten. 13 Monate
Konzentrationslager. Unpolitischer Tatsachenbericht. Mit zwei Illustrationen
von Jean Kralik. Zürich: Schweizer Spiegel Verlag 1935 (17. Auflage);
Lizenzausgabe mit einem Vorwort von Willi Dickhut bei Verlag Neuer Weg,
Stuttgart 1973, 51982. – Ich habe keinen Grund, zu verschweigen, dass auch von
Züricher Schauspielerkollegen Langhoffs bewusst (als ´unpolitischer
Tatsachenbericht´) angelegter Erlebnisbogen im deutschen KZ oft „auf Unglauben
stiess”, dass „man damals selbst von Schauspielerkollegen des Verfassers
die Frage [zu] hören bekam: ,Das ist doch wohl alles erfunden?'” und dass
gerade der „mitleidig angesehen wurde”, der betonte, „dass das dort
Berichtete durchaus den Tatsachen entspräche” (Friedrich Siegmund-Schulze,
Die deutsche Widerstandsbewegung im Spiegel der ausländischen Literatur.
Stuttgart: Reclam 1947, S. 15f.).- Zeitgenössische Rezensenten betonten, dass
der mitgeteilten Erfahrungen keineswegs ´unpolitisch´ sind und erkannten die
herausragende Bedeutung des „Zirkus Konzentrazani“: Vgl. anstatt weiterer etwa
A[lexander] S[tein] in: Zeitschrift für Sozialismus, 2 (1935) 20/21, S.
685-686; Hanus [Hans] Burger in: Der Gegen=Angriff, Prager Ausgabe, 3 (1935)
14, unpag. [S. 8]. – Die Authentizität des scheinbar ´unpolitischen´ Berichts
von Wolfgang Langhoff mit den Kernstücken: „Zirkus Konzentrazani“ und
„Moorsoldaten“-Lied(text) ist nicht nur später zahlreich bestätigt worden
sowohl von zeitgenössischen Akteuren in Erinnerungs- und Memoirentexten als
auch von später zeitgeschichtlich forschenden Wissenschaftlern. Für die
erstgenannte Gruppe vgl. anstatt weiterer etwa: Rudi Goguel, Gedanken zum Lied
der Moorsodaten; in: Sieglinde Mierau (Hrg.), Intersongs. Festival des
Politischen Liedes. Berlin: Neues Leben, 1973, S. 274-279; Heinrich Goertz,
Lachen und Heulen. Roman. München: List, 1982, S. 163-164; Alfred Lemmnitz,
Beginn und Bilanz. Erinnerungen. Berlin: Dietz, 1984, S. 51; für die
zweitgenannte Gruppe vgl. anstatt weiterer etwa Waclaw Dlugoborski (Hrg.),
Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1981 [= Kritische Studien zur
Geschichtswissenschaft 47], hier Beiträge von Falk Pingel (S. 151-163);
Krzysztof Dunin-Wasowicz (S. 164-170) und Anna Pawelczynska (S. 171-183); Elke
Suhr, Die Emslandlager. Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der
Emsländischen Konzentrations- und Strafgefangenenlager 1933-1945. Mit einem
Vorwort von Hermann Langbein. Bremen: Donat & Temmen, 1985, S. 144-154;
dies., Konzentrationslager – Justizgefangenenlager – Kriegsgefangenenlager im
Emsland 1933-1945; in: Ludwig Eiber (Hrg.), Verfolgung – Ausbeutung –
Vernichtung. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge in deutschen
Konzentrationslagern 1933-1945. Hannover: Fackeltäger, 1985, S. 66-89, hier
besonders S. 85-88, mit an Karl Schnog (1945) angelehnten Hinweisen auf
besonderen „Lagerhumor“, der die „geistige Überlegenheit“ der Gefangenen
verdeutlichen sollte, ihre galgenhumoristisch-sarkastischen Sprüche („Ich hoffe
das Beste, aber ich bin auf das Schlimmste gefasst“) als Medien sowohl zur
Wahrung/Entwicklung individuellen Selbstbewusstseins als auch Voraussetzung für
gemeinschaftliches Handen. – Einen entscheidenden Hinweis auf die Authentizität
von Wolfgang Langhoffs Bericht fand ich schon v o r Publikation der Erstausgabe
des Langhoff-Buchs im Frühherbst 1934 in einer anonymen Broschüre bestätigt:
Als sozialdemokratischer Arbeiter im Konzentrationslager Papenburg. Mit einem
Vorwort von Willi Bredel; Moskau: Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter
in der UdSSR, 1935, 74 p.; Seiten 37-30 und 34-36 werden „Moorsoldaten“-Lied und
„Zirkus Konzentrazani“ vorgestellt. Bredels Vorwort (S. 3-7) datiert September
1934.


6 Vgl. Klaus Hinrichs, Staatliches Konzentrationslager VII.
Eine „Erziehungsanstalt” im Dritten Reich. London: Malik 1936.

7 Vgl. Wolfgang Langhoff, Die Moorsoldaten. 13 Monate
Konzentrationslager. München: Zinnen-Verlag Kurt Desch o.J. (1946).

8 Richard Albrecht, Paul Zech zum Beispiel. Zu einigen
Problemen der Aneignung antifaschistischer Exil-Literatur anlässlich des Romans
„Deutschland, dein Tänzer ist der Tod”. In: Sammlung. Jahrbuch für
antifaschistische Literatur und Kunst 5 (1982), S. 123-133, hier S. 130.

9 „Es musste mir doch gelingen” – schreibt Langhoff (Die
Moorsoldaten [1946], S. 289f.), „nachdem jetzt einigermassen Gras über die
Sache gewachsen war, irgendwo unterzukommen! … Ich wusste, was ich [als
Schauspieler und Regisseur] wert war und vertraute meiner Kraft und meinem
Optimismus. Überall, wo ich hinkam, misstrauische, zurückhaltende Gesichter …
Ich versuchte, private Beziehungen zu Bühnenleitern wieder aufzunehmen.
Umsonst. Es ist unmöglich, ein Engagement zu bekommen. Auch beim Film ist
nichts zu machen …” – Vgl. auch zu dieser Ausgrenzung und Ächtung ebd.,
S.66, und Georg Glasers Beispiel zur Erklärung ihrer Wirkung (Geheimnis und Gewalt,
S. 332 f.).

10 Abgedruckt in: Inge Lammel (Hrsg.), Das Arbeiterlied.
Frankfurt/M.: Röderberg 1974 (= Röderberg-Taschenbuch 10), S. 200f., wobei die
Herausgeberin dieses Lied als „hervorragendstes Beispiel“ neuer (Marsch-)
Lieder, die in KZs entstanden und als Ausdruck des antifaschischen Kampfs
1933-1945, bewertet (S. 74). Ähnlich Krzysztof Dunin-Wasowicz, Resistance in
the Nazi Concentration Camps 1933-1945. Warszawa: PWN, 1982, mit Hinweis, dass
„Zirkus Konzentrazani“ mit dem „Moorsoldaten“-Lied überhaupt eines der ersten
künstlerischen Ereignisse in deutschen KZs war. Der „Moorsoldaten“-Liedtext
auch in Hein & Oss Kröher (Hrsg.), Das sind unsere Lieder. Ein Liederbuch.
Frankfurt/M.: Büchergilde Gutenberg 1977, Lied 192, und in: Thomas Friz; Erich
Schmeckenbacher (Hrsg.), Es wollt ein Bauer früh aufstehn …
222 Volkslieder. Dortmund: pläne 1978, S. 402 f.


11 Vgl. Paul E. McGhee, Humor – its Origin and Development. San Francisco: W. H. Freeman 1979, S. 227-234.


12 Vgl. Björn Ekmann, Wieso und zu welchem Ende wir lachen.
Zur Abgrenzung der Begriffe komisch, ironisch, humoristisch, witzig und
spasshaft. In: Text & Kontext, 9 (1981) I, S. 7-46; vgl. auch den
sprachgeschichtlichen Diskurs von Karl-Otto Schütz, Witz und Humor. In:
Europäische Schlüsselwörter, Bd. I; München: Max Hueber 1963, S. 161-244.

13 Vgl. Andre Jolles, Einfache Formen. Legende – Sage – Mythe
– Rätsel – Spruch – Kasus – Memorabile – Märchen – Witz (1930). Tübingen: Max
Niemeyer 51974, S. 247-261.

14 Vgl. Hermann Bausinger, Formen der „Volkspoesie”
(1968). Berlin: Erich Schmidt, 21980 (= Grundlagen der Gemanistik 6), S.
137-149.

15 Vgl. Hans Speier, Force and Folly. Essays in Foreign Affairs and the History of Ideas.
London, Cambridge (Mass.): M.I.T.-Press, S. 180-185; ders., Über den politischen
Witz.
In: Freiburger Universitätsblätter 11
(1972), 36, S. 13-26; ders., Witz und Politik. Essay über die Macht und das
Lachen. Zürich: Edition Interfrom 1975 ( = Texte und Thesen 58).


16 Vgl. Ernst Friedrich (Hrsg.), Man flüstert in Deutschland.
Die besten Witze über das dritte Reich. Paris, Prag: Kultur-Verlag 1934, 2
Hefte; Jörg Willenbacher (i. e. Franz Osterroth), Deutsche Flüsterwitze. Das
Dritte Reich unterm Brennglas. Karlsbad: ,Graphia’ 1935 ( = Braunes
Deutschland: Bilder aus dem Dritten Reich, 2); Otto Hoffmann (Hrsg.), Witze,
Karikaturen und andere Ergötzlichkeiten aus dem III. Reich. Cassarate: Libreria
Internazionale 21935; Paul Range, Der Flüsterwitz. In: Aufbau 2 (1946), 2, S.
214-220; Hans-Jochen Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich (1963). München
21979 ( = dtv 1552); Max Vandrey, Der politische Witz im Dritten Reich.
München: Goldmann 1967 ( = Gelbe Taschenbücher 1085).


17 Vgl. Georg Simmel, The Sociology of Secret and of the
Secret Society.
In: American Journal of
Sociology 11 (1905/6), S. 441-498; wiederaufgenommen in ders., Soziologie.
Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Leipzig: Dunker &
Humbolt 1908, S.257-304 [Gesammelte Werke 2, 41958]; Vilhelm Aubert, The Hidden
Society. Totawa (N.J.): Bedminster Press 1965.


18 Vgl. anstatt vieler grundlegend Sigmund Freud, Humor
(1928). In: ders., Gesammelte Werke, Bd.XIV. London: Imago 1948, S. 383-389;
zusammenfassend vgl. Jacob Levine, Humor.
In: International Encyclopedia of the Social Sciences, vol. VII; New
York: MacMillan 1968, S. 1-8.


19 Gunnar Myrdal, An American Dilemma. New York: Harper 1944,
S. 38 f.

20 Ich zitiere parallel aus allen vorliegenden Ausgaben von
„Die Moorsoldaten”: a) der Erstausgabe 1935; b) den beiden textidentischen
Nachdrucken m.e. Vorwort v. Willi Dickhut (Stuttgart: Neuer Weg 1973, 51982; c)
dem Faksimile-Nachdruck der 9. Auflage der Erstausgabe (Frankfurt/M : Röderberg
51981) – jeweils zit. als: 1935 mit Seitenangabe – und d) der Nachkriegsausgabe
ohne Untertitel – zit. als: 1946 mit Seitenangabe; vgl. o., Anm. 5 und 7 mit
den genauen Angaben der Ausgaben von 1935 und 1946. Rasch nach der Züricher
Erstausgabe erschienen englische Übersetzungen: Wolfgang Langhoff, Rubber
Truncheon. Being an account of
thirteen months spent in a concentration camp. Translated from the German by
Lilo Linke, with a foreword by Lion Feuchtwanger.
London: Constable & Co. 1935; New York: E.P. Dutton & Co. 1935;
französische Ausgabe: Paris 1935, latinospanische Ausgabe: Buenos Aires 1939; –
die zweite deutsche Nachkriegsausgabe (Berlin: Aufbau 1947) lag mir nicht vor.


21 Langhoff, Moorsoldaten, 1935, 175; 1946, 155; in diesem KZ
waren 1933 überwiegend Kommunisten, aber auch einzelne prominente
Sozialdemokraten wie z.B. Carl Mierendorff und Wilhelm Leuschner politische
Gefangene der Nationalsozialisten

22 Ebd.; – die Furcht vor der Nazi-Propaganda, die Langhoff
hier anspricht, war nicht unberechtigt; vgl. als Beispiel den Erlebnisbericht
des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Gerhard Seeger, Oranienburg. Karlsbad:
,Graphia’ 1934 ( = Probleme des Sozialismus. Sozialdemokratische
Schriftenreihe, Nr. 5) und das Nazipropagandabuch gegen Seegers Broschüre von
[Werner] Schäfer, Konzentrationslager Oranienburg. Das Anti-Braunbuch über das
erste deutsche Konzentrationslager. Berlin: Buch- und Tiefdruckgesellschaft
mbH./Abt. Buchverlag o. J. (1934).




23 Langhoff, Moorsoldaten, 1935, 178f.; 1946, 157 f.



24 Ebd., 1935, 180; 1946, 160.



25 Ebd., 1935, 179f.; 1946, 158 f.



26 Ebd., 1935, 182; 1946, 161.



27 Ebd., 1935, 183, 1946, 162.



28 Ebd., 1935, 182; 1946, 161.


29 Wolfgang Langhoff kommentieret die Zwiespältigkeit der
Lage so: „Würde unser Zirkus nicht noch im letzten Moment verboten werden ? –
Es lässt sich schwer beschreiben, welche Stimmung uns alle ergriffen hatte. Man
muss die ganze Situation berücksichtigen, in der wir lebten. Die S.S. kam
sozusagen zu uns als Gast! Wir, die wir nicht mehr das Leben von Menschen
führten, hatten es gewagt, für einige Stunden über uns selbst zu bestimmen,
ohne Befehle, ohne Anweisungen, ganz so, als ob wir unsere eigenen Herren wären
und als ob so eine Einrichtung wie Konzentrationslager nicht existierte! Dieses
Gefühl war in der Masse der Zuschauer deutlich spürbar.” (ebd., 1935, 182;
1946, 161 f.)

30 Langhoff, Moorsoldaten, 1935, 183; 1946, 163.



31 Zuerst veröffentlicht ebd., 1935, 191.



32 Ebd., 1935, 193; 1946, 172.



33 Ebd.



34 Ebd., 1935, 194; 1946, 173.



35 Ebd., 1935, 184f.; 1946, 164.


36 Auch wenn es sich um besondere Witzsorten wie den in der
beschriebenen Lage aufgrund von Adressatenbezug und Rezeptionshorizont
unumgänglichen ,Kalauer’ handelt, benutze ich weiter die allgemeine
Gattungsbezeichnung – es geht mir um eine Modellanalyse der sozialen Situation
und nicht um einen Beitrag zur Typologie von Witzsorten.



37 Langhoff, Moorsoldaten, 1935, 189; 1946, 168.



38 Ebd., 1935, 185f.; 1946, 164f.


39 Vgl. z. B. die politische Rhetorik im NSDAP-Wahlaufruf zur
Reichstagswahl am 14.9. 1930; in: Reichstagshandbuch 1930. V. Wahlperiode.
Berlin: Reichstagsdruckerei 1931, S. 156-171.



40 Langhoff, Moorsoldaten, 1935, 186; 1946, 165.


41 Vgl. Heinrich Lützeler, Philosophie des Kölner Humors.
Honnef: Peters 101955 (= Die Rheinbücher, Neue Folge); Herbert Schöffler,
Kleine Geographie des deutschen Witzes. M. e. Nachwort v. Helmuth Plessner.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1955 (= Kleine Vandenhoeck-Reihe 9,
21970).

42 Langhoff,
Moorsoldaten, 1935, 186f.; 1946, 166.