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Verfassungsrichter kippen Stuttgarts Demoverbot – ein gutes Zeichen in Richtung Corona-Demokratie

Von dpa,
18. April 2020. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben
rund 50 Menschen in Stuttgart an einer ihnen zunächst untersagten Demonstration
teilgenommen. Die Stadt sah sich durch den Richterspruch veranlasst, das von
ihr erlassene Verbot des Treffens am Samstag auf dem zentralen Schlossplatz
zurückzunehmen.


© Foto: Christoph Schmidt/dpa ”Grundgesetz” steht auf einem Schild an dem Rücken
eines Teilnehmers einer Demonstration.
Unter der Beachtung eines Abstandes von
1,5 Metern zwischen den Teilnehmern und einer Distanz zu Passanten von 2 Metern
könne die Versammlung am Samstagnachmittag stattfinden, teilte die Stadt mit.
Ein Privatmann hatte die Demonstration gegen die Einschränkung der Grundrechte
in der Corona-Krise mit maximal 50 Teilnehmern angemeldet. Die Demonstration
lief friedlich ab.
Das Gericht hatte dem Eilantrag des
Klägers gegen das Verbot der Demonstration in Stuttgart stattgegeben (Az. 1 BvQ
37/20). Der Beschluss verpflichtete die Kommune, über die Anmeldung neu zu
entscheiden.
Nach einem Gespräch mit dem Kläger habe
der Versammlung unter Auflagen nichts mehr entgegengestanden, teilte die Stadt
mit. Sie betonte jedoch: «Das Versammlungsrecht ist wie der Gesundheitsschutz
ein hohes Gut. Bei unseren Entscheidungen haben wir beide Güter entsprechend
der geltenden gesetzlichen Vorgaben abzuwägen.» Derzeit stehe der Schutz vor
Ansteckungen im Vordergrund.
Der Kläger war zuvor mit Eilanträgen bei
den Verwaltungsgerichten gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht dagegen
hielt den Erlass einer einstweiligen Anordnung für geboten. «Eine
Verfassungsbeschwerde wäre nach gegenwärtigem Stand offensichtlich begründet»,
heißt es in dem Beschluss vom Freitag.
Die Stadt hatte dem Gericht in einer
Stellungnahme mitgeteilt, es sei ihr nicht möglich, Auflagen festzusetzen, die
der aktuellen Pandemielage gerecht würden. Das war den Richtern viel zu
pauschal. Es sei zwar richtig, dass die Infektionszahlen gerade in Stuttgart in
den vergangenen Wochen stark gestiegen seien. Das befreie aber nicht davon,
«möglichst in kooperativer Abstimmung mit dem Antragsteller alle in Betracht
kommenden Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und sich in dieser Weise um
eine Lösung zu bemühen». Es müssten immer die Umstände des Einzelfalls
berücksichtigt werden. Die Stadt Stuttgart betonte, noch mehr als bisher seien
in sogenannten Kooperationsgesprächen mit den Anmeldern die Möglichkeiten und
Grenzen von Versammlungen unter Beachtung der Corona-Regeln auszuloten.
Am Mittwoch hatten die Richter im
Eilverfahren bereits das Verbot zweier Demonstrationen in Gießen gekippt. Die
Stadt hatte die Kundgebungen daraufhin unter strengen Auflagen erlaubt.