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Brasilien: Corona erreicht Amazonas und indigene Gemeinschaften

Von Lisa Pausch,
amerika21, 12. April 2020.
Bundesstaat Amazonas meldet Überlastung des
Gesundheitssystems. Oberster Gerichtshof verbietet Bolsonaro die Aufhebung der
Isolationsmaßnahmen

26.000
Yanomami leben zwischen Brasilien und Venezuela, in einem Gebiet so gross wie
Portugal, nun ist der erste an Corona gestorben

Lizenz: CC By-SA 3.0
Manaus/Brasilía. In
Brasilien verbreitet sich das Coronavirus zunehmend auch im Bundesstaat
Amazonas und bedroht dort indigene Gemeinschaften. Am vergangenen Freitag
zitierte die brasilianische Zeitung Folha einen Mitarbeiter des Krankenhauses
in der Hauptstadt Manaus, der berichtete, Patienten
im kritischen Zustand könnten nicht mehr aufgenommen werden.
Amazonas
ist der flächenmäßig größte Bundesstaat mit nur vier Millionen Einwohnern und
verfügt über ein einziges Krankenhaus mit Intensivstation in Manaus. Die Stadt
wurde indes besonders von der Pandemie getroffen. Am Donnerstag waren 900 Fälle
bestätigt, von denen 40 tödlich endeten. Bereits zuvor, am 6. April, waren nach
Angaben des Gesundheitssekretärs Rodrigo Tobias 95 Prozent der Intensivbetten
belegt. Nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums ist Amazonas neben Ceará,
São Paulo, Rio de Janeiro und dem Distrikt um die Hauptstadt Brasília einer der
Bundesstaaten, die Anzeichen für eine beginnende unkontrollierte Ausbreitung
zeigen.
Im
Nachbarstaat Roraima verstarb am Donnerstag erstmals ein Angehöriger einer
indigenen Gemeinde in Folge von Covid-19. Der 15-jährige Schüler und Angehörige
der Yanomami zeigte 21 Tage lang Symptome der Krankheit und wurde seit dem 3.
April auf einer Intensivstation in Boa Vista, der Hauptstadt des Bundesstaats
Roraima, behandelt.
Nach
seinem Tod wurde der Körper des Jugendlichen auf dem städtischen Friedhof
Cemitério Campos da Saudade beigesetzt. Seine Familie protestierte gegen dieses
Vorgehen. “Die Eltern wollten den Körper in ihre Gemeinschaft Helepe
bringen”, erklärte Dario Yawarioma Urihithëri, Vizepräsident des Vereins
der Yanonmami. Er kritisierte fehlenden
Respekt und Kenntnis der Institutionen gegenüber traditionellen Zeremonien der
indigenen Kulturen.
Der
Nationale Justizrat (CNJ) hatte angesichts der Pandemie ein neues Protokoll für
Begräbnisse der im Zusammenhang mit Covid-19 Verstorbenen erlassen. Robson
Santos Silvo, Vertreter der Indigenen Gesundheitsbehörde Sesai, kündigte an,
diesem Folge zu leisten: “Wir verstehen die Besonderheiten der
Gemeinschaften, aber in diesem Moment hat der Erlass Vorrang.”
Die
Vereinigung der Yanomami macht zudem auf Invasionen illegaler Goldgräber aufmerksam und
befürchtet einen Zusammenhang mit der Ausbreitung des Virus: “Sie dringen
ohne Erlaubnis in unser Gebiet ein und bringen Krankheiten und
Zerstörung.”
Gesundheitsexperten,
Anthropologen und Aktivisten warnen vor der Gefahr einer Verbreitung des
neuartigen Coronavirus in indigenen Gemeinschaften, weil diese oftmals keine
Immunität für externe Krankheiten hätten und bei ihnen oftmals kein
“Abstandhalten” möglich sei.
Inmitten
dieses Ausnahmezustands hatte der Gouverneur von Amazonas, Wilson Lima, einen
Führungswechsel in der Gesundheitsbehörde bekanntgegeben. Der bisher amtierende
Rodrigo Tobias soll von Simone Papaiz aus São Paulo ersetzt werden. Diese
Ernennung stieß auf Kritik. “Wir
brauchen Personen, die sich bereits mit dem Netz vor Ort auskennen, damit wir
nicht bei Null beginnen müssen”, sagte Gesundheitsminister Luiz Enrique
Mandetta.
Während
die brasilianischen Bundesstaaten strenge Isolationsvorschriften durchsetzen,
zeigte sich Präsident Jair Bolsonaro am Karfreitag erneut bei einem Spaziergang durch
Brasília. Er besuchte öffentlichkeitswirksam ein Militärkrankenhaus, eine
Apotheke und seinen Sohn Renan, verteilte Umarmungen, ließ Gruppenfotos machen.
Zuletzt hatte Bolsonaro sich immer wieder auf Messen der evangelikalen Kirche gezeigt und
ostentativ Handschläge verteilt. In seiner Video-Ansprache am Donnerstag zuvor
wiederholte er, es sei kein Problem, wenn gesunde Menschen unter 40 das Haus
verließen (er selbst ist 65 Jahre alt).
Inzwischen
hat der Oberste Gerichtshof dem Präsidenten einen Riegel vorgeschoben: Er hat entschieden, dass
ausschließlich Gouverneure und Präfekte für Isolationsmaßnahmen zuständig sind.
Damit wurde Bolsonaros Versuch, die Maßnahmen aufzuheben, verhindert.