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Was Hanau für mich bedeutet?

Milena Rampoldi 21/02/2020
Was Hanau für mich bedeutet, ist schwer zu sagen. Gemischte Gefühle. Es überraschte mich mehr die Kugel gegen die Mutter als die Kugeln gegen die 9 „ethnischen Anderen“. 

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mich seit Jahren mit dem Thema Rechtsradikalismus beschäftige und weiß, wie sehr sich diese Ideologie in Deutschland verbreitet hat und wie sehr sie die Gesellschaft der „Mitte“ betrifft, sondern vor allem damit, dass meine Auswanderung auf 2014 zurückgeht, als diese Normalität des Rechtsradikalismus ihren Anfang nahm und als Alternative für Deutschland auf die Plakate kam.
Die negative Behauptung, Islam gehöre nicht zu Deutschland, ist nicht die Aussage, um die es hier eigentlich geht. Man sollte das Ganz mal umdrehen und provokativ mal sagen dürfen: Rechtsradikalismus gehört zu Deutschland, ohne immer wieder hören zu müssen, dass dem nicht so ist, dass das Randphänomene sind.
Deutschland befindet sich auf der Suche nach einem salonfähigen Rechtsradikalismus. Dieser ist nicht mehr der Rechtsradikalismus der Nazi-Skins, der Abgestoßenen, der arbeitslosen Rebellen, der Menschen, die sich von den Ausländern aus ihrem Job verjagt fühlen und sich daher diesen Gruppen anschließen. Der Rechtsradikalismus hat ein neues Gesicht: schöne, attraktive Frauen, kultivierte Männer mit modischen Krawatten, Menschen, die genau wissen, was sie tun und was sie sagen. Menschen wie Weidel, Gauland, Höcke… Genau diese Menschen machen den Rechtsradikalismus, der sich dann auch sehr stark in Form von Islamfeindlichkeit äußert, salonfähig. Zu einer Villa fahren und einen CDU-Politiker wie Lübke einfach zu erschießen, passt genau in dieses Bild der Akzeptanz fremdenfeindlichen Gedankenguts und dann auch seiner Umsetzung in die Praxis durch die Bedienung von Waffen, die man vorher im Schützenverein getestet hat.
Dieser Rassismus und diese Entmenschlichung des Anderen werden bei „politischen“ Veranstaltungen ganz „normal“ den Menschen mitgeteilt und erklärt. Es wird den „biologischen Deutschen“ erklärt, dass die „Anderen“ nicht dazugehören und das „Bild“ des alten Deutschlands verzerren. Ja, sie stören. Vor allem muslimische Frauen mit Kopftuch, sie stören.
Die Muslime sollen ihre Gebetsteppiche zusammenrollen und das Land verlassen. Das ist die Botschaft. Aber der Mann, der bei so einer Veranstaltung war, sieht sich dann wie im falschen Film. Er sagt: Die sollen gehen, alle diese Ausländer, Flüchtlinge, usw.. Aber gleichzeitig lebt er im multikulturellen Deutschland und sieht, dass diese Menschen ja nicht verschwinden. Sie leben überall in Deutschland, arbeiten in Deutschland, shoppen, sind überall auf den Straßen…. Da will der Mann nachhelfen. Und sagt sich: Was Höcke da sagt, müssen wir umsetzen. Die sollen zu ihren anatolischen Kamelen zurück.
Und genau an diesem Punkt treffen sich Pseudo-Politik und Gewalt. Aber was ich mich frage ist: Was macht eine Partei wie die AfD in einem demokratischen System? Warum lässt ein demokratisches System eine politische Linie zu, die Menschen entmenschlicht? Es geht ja nicht nur um Muslime und Einwanderer, Flüchtlinge und andere „Ethnien“, sondern um die Ästhetik Deutschlands. Um das Aussehen Deutschlands geht es.
Sie wollen uns nicht. Wir stören ihre ästhetische Wahrnehmung. Wir sind Schuld am Umkippen ganzer Viertel. Wir sind das Problem. Wir müssen weg. Es geht um Säuberung, die politisch gepredigt wird. Die Frage ist ja nicht nur, was Rechtsradikale denken und tun, sondern auch die: Wie werden Muslime reagieren? Was werden sie tun? Wer kann gehen, wer muss bleiben? Wer will bleiben? Wer ist Martin Luther King? Wer entscheidet sich für den Weg von Malcolm X?
Und noch eine Frage ist: Was machen die Deutschen, die den Rechtsradikalismus als den Feind ihres Landes sehen? Wie reagieren die? Was werden die tun, damit Deutschland nicht noch faschistischer wird?