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Claudia Seise – Im Zentrum der Peripherie: Über Muslimisches Leben in Südostasien

von Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei die Rezension zum Buch “Im Zentrum der Peripherie: Über Muslimisches Leben in Südostasien” von Claudia Seise, das in Zusammenarbeit mit ProMosaik herausgegeben wurde. Meiner Meinung nach ist es ein wichtiger Beitrag zum interkulturellen und interreligiösen Dialog, weil es ein zugängliches Buch ist, das sehr stark autobiografisch geprägt ist und für ein breites Publikum gedacht ist. Das Buch finden Sie hier.

Wenn wir Islam hören, dann assoziieren wir fast
automatisch die arabisch-sprachige Welt, Saudi Arabien, Ägypten, Marokko,
Syrien oder aber nicht-arabische Länder wie die Türkei, Afghanistan oder
Pakistan. Südostasiatische Länder fallen den wenigsten ein. Dabei ist es in Südostasien,
wo die zahlenmäßig größte muslimische Bevölkerung weltweit lebt. Vor allem in
Indonesien und Malaysia, aber auch in Kambodscha, Thailand oder den
Philippinen. Eine hervorstechende Besonderheit der Geschichte des Islam in
Südostasien ist, dass sich die islamische Religion friedlich verbreitet und
entwickelt hat und auch heute noch in den meisten Gebieten in harmonischem
Einklang mit anderen Religionen und verschiedenen Traditionen und Kulturen zu
finden ist.
Das Buch ist aus einer persönlichen Perspektive und sehr zugänglich
geschrieben. Die Autorin hat selbst mehrere Jahre in Südostasien gelebt,
studiert, gearbeitet und geforscht und Land und Leute im alltäglichen Leben und
Miteinander kennengelernt. So ist sie auch mit dem Islam und den dort lebenden
Muslimen in Kontakt gekommen und hat ihre Religion und Kultur kennengelernt,
wie sie im folgenden Abschnitt in ihrem Buch beschreibt:
“Ganz natürlich nahm eine Indonesische Freundin nach dem
Erklingen des Gebetsrufes ihr weißes Gebetskleid, breitete ihren Teppich aus
und begann vor meinen Augen zu beten. Das war das erste Mal, dass ich wirklich
jemanden richtig beten sah. Was mich damals beeindruckte, war, dass es
scheinbar das Natürlichste auf der Welt war, zwischen Gesprächen, Tee trinken,
Studieren oder Arbeiten, einfach mal eine kleine Pause einzulegen, um mit Gott
zu kommunizieren.”
Die Beschreibungen der Autorin sind blumig und einfühlsam.
Beim Lesen wird klar, dass Claudia Seise eine besondere Verbindung zu der
Region und besonders zu Indonesien hat. Sie beschreibt Festivitäten und
Alltägliches aus einer Insider-Perspektive heraus. Und auch die gewählten
Themen zeugen von einem sowohl breiten, als auch tiefen Wissen über den Islam
in Südostasien. Die Autorin ist promovierte Südostasienwissenschaftlerin. Ihre
Dissertation “Religioscapes in Muslim Indonesia: Personalities, Institutions
and Practices” hat sie an der Humboldt Universität 2017 verteidigt und im
Regiospectra Verlag veröffentlicht. Das besondere an “Im Zentrum der
Peripherie” ist, dass die Autorin nun versucht hat, das spezialisierte Wissen
ihres Faches einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sie hat zumindest
mit der Veröffentlichung dieses Buchen den akademischen Elfenbeinturm
verlassen.

In der persönlichen Einleitung zu ihrem neuen Buch
spricht sich die Autorin ganz klar gegen islamischen Extremismus aus. Sie hat,
so schreibt sie, absichtlich nicht über Extremismus in der südostasiatischen
Region geschrieben:
“Meiner Meinung nach wird dem Extremismus sehr viel
Bedeutung beigemessen; vielleicht mehr als er eigentlich verdient, weil es vor
allem in Bezug auf Islam in Südostasien eine Randerscheinung darstellt. Wenn
auch eine Lautstarke. In diesem Sammelband verneine ich also nicht, dass es
Extremismus und auch Intoleranz gibt, doch es ist meine Entscheidung genau
diesem Extremismus keine weitere Stimme und Plattform zu geben.”
Sie schreibt weiter, dass es die kulturelle Sichtweise auf den Islam ist,
die sie immer wieder besch
äftigt. Und es ist diese kulturelle
Sichtweise, die sie ausführlich und mit Herzblut beschreibt. Dass Frau Seise
selbst Muslimah ist, gibt ihren Texten zusätzlich Gewicht. Sie schreibt mit
Liebe und Hingabe und ohne apologetische Rechtfertigung über Islamische Rituale
und das alltägliche muslimische Leben.
Die Aufsätze und Artikel in diesem Buch haben einen
großen Fokus auf Indonesien, aber auch Interessantes über Muslime in Malaysia
und Kambodscha ist zu finden und über Indonesische Muslime in Deutschland. Die
Aufsätze zeigen Facetten über muslimisches Leben in Südostasien und erzählen
Geschichten, die den Leser überraschen werden. Eine organische Farm mit einer
islamischen Philosophie, islamische Gold und Silbermünzen, die auf Märkten
Verwendung finden, Islamische Internate, das Besondere am Ramadan in
Indonesien, Geburtstagsfeiern für den Propheten Muhammad, und eine Indonesische
Moschee in Berlin, sind nur einige Beispiele aus der bunten Vielfalt der
vorliegenden Kapitel. Claudia Seise schreibt auch über inter-religiösen Dialog
in Indonesien, über Aktivitäten von deutschen Hilfsorganisationen und über eine
muslimische Minderheit in Kambodscha.
„Im Zentrum der Peripherie: Über Muslimisches Leben in
Südostasien” ist eine interessante und erfrischende Abwechslung zum
Mainstream-Angebot auf dem Büchermarkt. Es nimmt den Leser mit auf eine Reise
in eine uns noch recht fremde Region. Das Buch hat das Potential Vorurteile
über den Islam und gegenüber Muslimen abzubauen und kann zum besseren
Miteinander beitragen. Der Autorin ist ein wichtiger Beitrag zum
inter-kulturellen und inter-religiösen Dialog gelungen.