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Aisha Meier Chaouki – wir brauchen mehr Pädagogik für die muslimischen Länder

Von
Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei mein Interview mit der Autorin und Übersetzerin
Aisha Meier Chaouki. Sie konvertierte zum Islam und setzt sich vor allem mit
Pädagogik und Sprachvermittlung auseinander. Wir haben uns auch über
Islamfeindlichkeit im Westen unterhalten und über wie man diese abbauen kann.



Was
bedeutet der Islam für Sie?
Der
Islam ist für mich eine Religion und ganzheitliche Lebensweise, die durchaus
mit unterschiedlichen Kulturen kompatibel ist, so dass man als Konvertit seine
bisherige Lebensweise nicht komplett aufgeben, sondern nur ein wenig ändern
muss. Der Islam kann einem zu innerem Frieden verhelfen, sofern man ihn richtig
praktiziert. Für mich persönlich war es die beste Entscheidung meines Lebens,
zum Islam zu konvertieren. Ich habe sie noch nie bereut.
Wie
sehen Sie die Stellung der Konvertiten in den muslimischen Gesellschaften und
in ihren Herkunftsgesellschaften?
In
den muslimischen Ländern, die ich bisher bereist habe, wurde ich als
Konvertitin stets willkommen geheißen. Die meisten geborenen Muslime freuen
sich riesig, wenn jemand aus dem „Westen“ zum Islam konvertiert. Zwar gibt es
bisweilen auch Skepsis, ob man denn auch wirklich ein echter Muslim sei, aber
oft habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass geborene Muslime davon ausgehen,
dass Konvertiten sich intensiv mit der Religion beschäftigt haben und daher
sogar vielfach mehr wissen als geborene Muslime.
Die
Situation der Konvertiten in ihren westlichen Herkunftsländern dürfte bekannt
sein. Oft haben sie mit Ablehnung oder Rassismus zu kämpfen, werden von der
eigenen Familie zurückgewiesen, fühlen sich plötzlich wie Fremde im eigenen
Land. Natürlich gibt es auch viele Ausnahmen, aber im Allgemeinen hält sich die
Begeisterung doch sehr in Grenzen, wenn jemand zum Islam konvertiert. Ich
denke, dass man hier ganz einfach durch Freundlichkeit schon viel erreichen
kann, um den Leuten die Angst vor dem Islam zu nehmen.
Wie
wichtig ist die Pädagogik heute für die neue Generation der Muslime und warum?
Ich
denke, Pädagogik war immer wichtig und wird es auch immer sein. Der Prophet – Allah
segne ihn und schenke ihm Frieden – selbst hat ja bereits Pädagogik angewandt,
als er seinen Gefährten den Islam beibrachte. Es war ihm zum Beispiel wichtig,
dass sie zunächst die Grundlagen der Religion verstehen und die Einheit Gottes
verinnerlichen, bevor sie die Details lernen. Oft hat er auch Gleichnisse
benutzt, um Dinge zu veranschaulichen. Leider wird in vielen islamisch
geprägten Ländern heutzutage an den Schulen wenig Wert auf Pädagogik gelegt.
Vielfach ist Frontalunterricht und stures Auswendiglernen angesagt.
Möglicherweise ist dieser Mangel an Pädagogik – zumindest teilweise – mit
verantwortlich für die gegenwärtige Situation der islamischen Länder.
Mit
welchen Themen haben Sie sich im Besonderen in Ihren Schriften und
Übersetzungen auseinandergesetzt?
Ich
habe ein Buch über das Kopftuch und die Bekleidung der muslimischen Frauen
geschrieben, weil ich von einem Verlag darum gebeten wurde. Außerdem eine kurze
Einführung in den Islam, aus dem gleichen Grund. Aus dem Arabischen übersetzt
habe ich ein Buch über die Ethik von Schülern – also wie man sich gegenüber
seinem Lehrer verhalten sollte, wie man beim Lernen vorgehen sollte usw.
Außerdem bin ich Teil eines Teams von Übersetzern, die den Tafsir von as-Saadiy
übersetzen. Aus dem Englischen habe ich auch hauptsächlich Bücher zu
verschiedenen religiösen Themen übersetzt, aber auch ein Buch über
Schizophrenie, das mit dem Islam gar nichts zu tun hatte. Aus dem Spanischen
habe ich diverse kurze Texte zu ganz unterschiedlichen Themen übersetzt, aber
leider noch nichts zum Thema Islam. Ich hoffe, dass sich dazu noch Gelegenheit
bieten wird. Mein besonderes Interesse gilt geschichtlichen Themen, auch in
diesem Bereich habe ich bereits einige Bücher übersetzt beziehungsweise
Korrektur gelesen.
Wie
wichtig ist die Übersetzung heute für den Islam?
Sehr
wichtig, denn es gibt so viele Muslime, die des Arabischen nicht mächtig sind.
Heutzutage wird Islam-Literatur in nahezu allen Sprachen benötigt.

Wie
können islamische Grundsätze heute Rassismus und ethnische, kulturelle und
religiöse Diskriminierung bekämpfen?
Im
Islam gibt es (eigentlich) keinen Rassismus. Der Prophet – Allah segne ihn und
schenke ihm Frieden – hat deutlich gemacht, dass ein Araber nicht besser ist
als ein Nichtaraber, ein Weißer nicht besser als ein Schwarzer usw. Er hat
gesagt, dass die Menschen sich vor Gott nur aufgrund ihrer Gottesfurcht
unterscheiden. Leider sieht es in der Praxis oft anders aus, wenn z. B.
muslimische Eltern für ihr Kind keinen Ehepartner aus einem anderen Land möchten.
Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Im Koran und in den Hadithen finden
sich reichlich Belege dafür, dass es im Islam keinen Rassismus und keine
ethnische, kulturelle oder religiöse Diskriminierung geben darf.