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Wir brauchen dringend einen Polylog über den „islamischen“ Terrorismus

Von Milena
Rampoldi, 31.
Dezember 2017. Der Diskurs
über den „islamischen“ oder „islamistischen“ Terrorismus muss sich notgedrungen
in einen Polylog verwandeln, d.h. in einen Diskurs, an dem alle involvierten Akteure
teilnehmen. Es sind vor allem die Muslime, die der Welt mitteilen müssen, was
der „islamische“ Terrorismus für sie bedeutet, ohne sich immer nur davon zu
distanzieren, ohne ihn zu definieren… und indem sie nur wiederholen „Das bin
ich nicht…“



Der Terrorismus soll nicht nur
als ideologisches Phänomen angesehen werden, sondern auch als ein Phänomen, das
die soziologische und nihilistische Grundstruktur zum Ausdruck bringt, im
Rahmen derer dieser Terror entsteht, sich entwickelt und verändert. Der Diskurs
über den Terrorismus muss im Besonderen einen Polylog über die Phänomene, die
terroristisch sind, obwohl sie nicht als solche definiert werden, einschließen.
Und in diesem Rahmen erscheint der sogenannte islamistische Terror als ein Phänomen
des Anti-Terrors, der Frustration, des Zorns, der gewaltvollen und blinden
Reaktion gegen terroristische Phänomene im weiten Sinne des Wortes, wie beispielsweise
gegen den  Kolonialismus, Neuimperialismus,
Militarismus des Kapitals und Zionismus.
Der Polylog über den Terrorismus
bietet uns ein ideales wissenschaftliches Paradigma, um damit anzufangen, die
Verbindung zwischen Terror, Gewalt, Rechtfertigung der Gewalt und Nihilismus zu
verstehen, die nichts mit dem ideologischen Kern der Weltreligionen zu tun
haben. Wie der buddhistische Terrorismus des Staates von Myanmar nichts mit dem
Buddha und seiner Botschaft zu tun hat, wie der chinesische Kolonialismus in
Tibet und Uighuristan der Lehre von Konfuzius widerspricht, der gewalttätige
Zionismus des Staates Israel nicht mit der ethischen Botschaft des Judentums
und den Tafeln Moses zusammenhängt, so haben auch der Islam und der Terrorismus
nichts gemeinsam, obwohl sich die Terroristen in ihren Handlungen auf Allah
beziehen und wirklich glauben, dem Islam anzugehören und somit Muslime zu sein.
Der Terrorismus bedeutet die
Absicht, den Anderen aus der Welt zu schaffen und die Zivilisten einer anderen
Gruppe zu ermorden. Und diese Tötungsabsicht gilt auch der eigenen Religion,
wie wir im vor kurzem in Kabul verübten terroristischen Anschlag gegen das
schiitische Studienzentrum gesehen haben (soll das dann als sunnitischer
Terrorismus bezeichnet werden?). Der Terrorismus ist eine blinde Modalität des
Kampfes gegen den Imperialismus, indem man den koranischen Jihad manipuliert
und ihn in einen nihilistischen Krieg des Materials verwandelt, das wiederum
von den Imperialisten zur Verfügung gestellt wird.
Der Terrorismus kommt für mich
einem Drachen gleich, der sich seinen Schwanz verbrennt. Er wird von einem noch
größeren, imperialistischen Drachen, angespornt, der ihm die Waffen liefert;
aber der kleine Drache, der glaubt, für Allah und den Koran zu kämpfen, sieht
diesen großen Drachen gar nicht, obwohl dieser seinen großen Schatten auf ihn
wirft, und anstatt gegen diesen großen Drachen zu kämpfen, verbrennt sich der
kleine Drache sein eigenes Schwänzchen.
Der „islamische“ Terrorismus kann
meiner Meinung nach als ein mörderischer und selbstmörderischer Nihilismus angesehen
werden, der die gesamte Welt bedroht: Die Imperialisten glauben, die
Islamfeindlichkeit fördern zu können, indem sie Islam und Terror gleichsetzen;
die Waffenhändler verwandeln das virtuelle Kapital der Börse in das „greifbare“
Kapital der Waffen und in die Minen, auf die man dann die Kinder in den entlegenen
Dörfern in Afghanistan treten lässt; einige Muslime glauben, er wäre die beste
Option des anti-imperialistischen Kampfes und wissen gar nicht, dass all die,
die mit ihnen kämpfen, nur Gott töten und ins Nichts schießen. Und für den Zionismus
ist der islamische Terrorismus die ideale Art und Weise, um die ewige
Gaza-Blockade zu rechtfertigen, den Kolonialismus zu verewigen, um Eretz Israel
aufzubauen. Israel braucht den antisemitischen „muslimischen“ Drachen, der den Kolonialstaat
Israel auffrisst… denn nur so kann der jüdische Staat nach neuen Siedlern rufen
und nach neuen Waffen schreien, um nicht ins Meer geworfen zu werden.  

Vielleicht kommt es euch allen
sonderbar vor, dass ich eine solche Verwirrung im Kopf habe, wenn man mich dazu
auffordert, über den „islamistischen Terror“ zu sprechen. Aber ohne einen
Polylog, der von einigen Ausgangspunkten wie diesen seinen Anfang nimmt, kommen
wir aus diesem „islamistischen Terror“ niemals heraus, um für die Gerechtigkeit
und die Werte der Toleranz und des gerechten Friedens zu kämpfen.