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Thüringen-Monitor – „West-Ost-Gefälle kann zu rechtsextremen Ansichten führen“


Von Islamiq,
2. November 2017. Viele Ostdeutsche fühlen sich benachteiligt – das haben die
Ergebnisse des Thüringen-Monitors gezeigt. Der Ministerpräsident warnt, dies
könne Nährboden für rechtsextreme Einstellungen sein.
Symbolbild: Rechtsextremistische Kundgebungen © by Caruso Pinguin auf
flickr.com (CC BY 2.0)
In der Debatte um die teils widersprüchlichen
Ergebnisse des Thüringen-Monitors hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke)
davor gewarnt, die gefühlte und reale Benachteiligung der Ostdeutschen könne
Nährboden für rechtsextreme Einstellungen sein. „Dieses Phänomen erhält dadurch
Brisanz, weil es möglicherweise auch einen Erklärungsansatz liefert für
Rechtsextremismus, Neo-Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“, sagte Ramelow
am Donnerstag im Erfurter Landtag.
Eines der wichtigsten Instrumente gegen Ressentiments
sei Bildung. „Wer klug ist (…) fällt auf die Propaganda der Vereinfacher nicht
so leicht herein“, sagte Ramelow. Auch CDU-Fraktionschef Mike Mohring sagte:
„Dämpfend hilft zumindest Bildung.“ Nach den Ergebnissen des Thüringen-Monitors
ist eine Mehrheit der Thüringer mit ihrem Lebensstandard zufrieden. Trotzdem
haben viele Menschen das Gefühl, als Ostdeutsche benachteiligt zu sein.
Die Fraktionschefin der Linken, Susanne
Hennig-Wellsow, sagte an die CDU gerichtet: Wer den „industriellen Kahlschlag“
in der 1990er verantworte und aus Thüringen ein Niedriglohnland gemacht habe,
trage Verantwortung für soziale und politische Verwerfungen im Freistaat.
Nach Angaben der Wissenschaftler haben viele Thüringer
wohl das Gefühl, mit der AfD hätten ihre Einstellungen nun eine
parlamentarische Ausdrucksform gefunden. Diese Interpretation sehen sie dadurch
gestützt, dass die Demokratiezufriedenheit vor allem bei solchen Menschen stark
angestiegen ist, die sagen, sie hätten eine kritische Haltung zu Asylsuchenden.
„AfD macht Wut
alltagstaulisch“
Ramelow warb am Donnerstag für eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit der AfD. „Wir sollten der AfD durch ritualisierte
Ausgrenzung das Leben nicht zu einfach machen.“ Der einzige politische Zweck
der AfD scheine inzwischen darin zu bestehen, Wut alltagstauglich zu machen und
gegen Minderheiten zu kehren. „Auch der Rechtsextremismus hat eine neue
politische Adresse gefunden, aber die AfD hat auch viele frühere Nichtwähler
mobilisiert.“
Um Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen, müssten
Politiker nach Ansicht des SPD-Fraktionschefs Matthias Hey eine deutlichere
Sprache sprechen. Politiker betrieben „eine besondere Form des
Drumherumredens“, sagte Hey. „Auf konkrete Fragen eher schwammige Antworten“ –
diese Methode sei mittlerweile so sehr ausgeprägt, dass viele Menschen darauf
allergisch reagierten. Kritik an der Demokratie speise sich aus einem Gefühl
der Ohnmacht. Institutionen wie Weltbank, Rating-Agenturen und Internationaler
Währungsfonds bestimmten unser Leben, obwohl sie von keinem Volk der Welt
gewählt worden sein.
Ostdeutsche
fühlen sich benachteiligt
In den Befragungen für den Thüringen-Monitor 2017
gaben 65 Prozent der Thüringer an, sie seien zufrieden mit der Demokratie, „so
wie sie in Deutschland funktioniert“. 69 Prozent der Befragten sind jedoch auch
der Meinung, in der deutschen Demokratie würden die Anliegen der Menschen nicht
mehr wirksam vertreten. 37 Prozent der Befragten fühlten sich persönlich als
Ostdeutsche benachteiligt, 49 Prozent waren der Meinung, dass Ostdeutsche
generell benachteiligt werden.
Der Thüringen-Monitor ist eine soziologische
Langzeitstudie, die von der Staatskanzlei seit 2000 in Auftrag gegeben wird.
Seine Ergebnisse sind nach Angaben der Macher repräsentativ für die gesamte
Wahlbevölkerung im Land. (dpa, iQ)