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Trumps Kehrtwende in Afghanistan

Andreas
Zumach, Genf
 / 15. Sep 2017 – Trump hatte den Abzug aus Afghanistan versprochen, nun stockt er die
Truppen auf. Das Hauptmotiv: Es locken reiche Bodenschätze.

© Jerome Starkey/CC BY-SA 2.0
In der Einöde von Aynak liegt
eines der grössten Kupfervorkommen der Welt
Ende
August machte US-Präsident Donald Trump eine Kehrtwende um 180 Grad. Er
verkündete eine von seiner Administration als «neu» verkaufte Strategie der USA
in Afghanistan. Der Präsident überraschte seine WählerInnen mit der Absicht,
die Zahl der am Hindukusch stationierten US-Soldaten von 8400 auf über 12‘000
zu erhöhen. Um das dortige «Drehkreuz für Terroristen» zu zerstören, «müsse der
Kampf gegen Al-Kaida und die Terrormiliz IS verschärft und eine Übernahme des
Landes durch die Taliban aktiv verhindert werden», erklärte Trump.Von nun an
werde Sieg klar so definiert: «Unsere Feinde angreifen, den IS auslöschen,
Al-Kaida zerquetschen, die Taliban davon abhalten, Afghanistan zu übernehmen
und Terror-Anschläge gegen Amerika verhindern, bevor sie geschehen.» Für den
Einsatz werde es keine zeitlichen Vorgaben mehr geben. «Amerikas Feinde dürfen
nicht glauben, dass sie unsere Pläne kennen oder einfach abwarten können, bis
wir gehen.Wir werden nicht wieder Staatsaufbau betreiben – wir werden
Terroristen töten.»
Überraschend
kam diese Ankündigung einer neuen Eskalation des Krieges, weil Trump während
seines gesamten Präsidentschaftswahlkampfes in den Jahren 2015/16 das
militärische Engagement der USA in Afghanistan immer scharf kritisiert und für
den Fall seines Wahlsieges den sofortigen Abzug aller US-Truppen versprochen
hatte. «Wenn man aber hinter dem Schreibtisch des Oval Office sitzt und
Entscheidungen treffen muss, stellen sich die Dinge oft anders dar», begründete
Trump seinen Sinneswandel.
Der
Krieg ist längst gescheitert
Diese
Erklärung klingt wenig glaubwürdig. Zumal die grossspurig verkündete «neue»
Strategie tatsächlich nicht neu ist, sondern lediglich ein militärisch leicht
eskaliertes «Weiter so» im seit nunmehr über 16 Jahren währenden und längst
gescheiterten «Krieg gegen den Terrorismus». Staatsaufbau, den Trump jetzt
beenden will, haben die USA in Afghanistan ohnehin nie betrieben. Und die in
den letzten Jahren von US-Truppen durchgeführte Ausbildung afghanischer
Armee-und Polizeikräfte hat – bei gleichzeitig fortgesetzter Unterstützung
Washingtons für die korrupte Präsidentschaft in Kabul sowie fortgesetzter
Kooperation mit bestimmten Warlords – auch nicht zur Stabilisierung des Landes
beigetragen.
Die Taliban
reagierten prompt auf die angekündigte Aufstockung der US-Truppen mit einer
scharfen Erklärung: «Solange sich auch nur ein einziger US-Soldat in
Afghanistan befindet, werden wir unseren heiligen Krieg mit Entschlossenheit
fortsetzen.» Sollten die USA nicht vollständig abziehen, werde Afghanistan «zu
einem Friedhof für die Supermacht».
Rohstoffe
im Wert von einer Billion US-Dollars
Welche
Motive stecken tatsächlich hinter Trumps Kehrtwende? Vieles deutet darauf hin,
dass für diese Entscheidung Trumps die reichen Bodenschätze Afghanistans
ausschlaggebend waren. Das Land am Hindukusch verfügt im Norden über grosse
Erdöl- und Erdgasfelder. Von noch grösserem Interesse für die USA dürften die
erheblichen Vorräte Afghanistans an den begehrten seltenen Erden, an Gold,
Silber, Kupfer, Kobalt, Eisen, Chrom, Uran, Bauxit und vielen andern Metallen
sein.
Trump
habe sich vom korrupten Präsidenten Afghanistans, Ashraf Ghani, überzeugen
lassen, dass Afghanistan eines der rohstoffreichsten Länder sei, in dem US-Konzerne
riesige Geschäftsmöglichkeiten hätten, berichtete Ende Juli die «New York
Times» in einem Artikel, aus dem «Infosperber» einige Auszüge zitiert hat («In Afghanistan locken riesige
Rohstofflager»
, «Infosperber» vom 23.8.2017). Nach Darstellung der
«New York Times» habe Gahni Trump zugesagt, dass US-Konzerne in Afghanistan
Rohstoffe im Wert von einer Billion (1000 Milliarden) US-Dollars ausbeuten
könnten.
«Die
Beute gehört dem Sieger»
Auch
Indien, Kanada, arabische Emirate und andere Länder haben grosses Interesse an
lukrativen Geschäften bei der Ausbeutung der afghanischen Rohstoffvorkommen.
China hat laut NYT bereits einen Vertrag über drei Milliarden Dollars
abgeschlossen, um 40 Kilometer südöstlich von Kabul eine Kupfermine zu bauen.
Die NYT zitiert US-Beamte mit der Aussage, Präsident Trump wolle nicht, dass
die bisher in Afghanistan über 3500 US-Armeeangehörigen gefallen seien und die
USA über 750 Milliarden Dollars ausgegeben hätten, nur um zuzusehen, wie China
Rohstoffe wie Kupfer oder seltene Erden ausbeute.
In
einem Gespräch mit Angestellten der CIA habe es Präsident Trump bedauert, dass
die USA unter seinem Vorgänger Barak Obama so viele Truppen aus dem Irak
zurückgezogen haben, ohne sich vorher das Erdöl zu sichern. Es gelte doch «die
alte Regel», dass «dem Sieger die Beute gehöre» (zitiert nach NYT).
Diese
Darstellung Trumps ist allerdings falsch. 2003, nach dem Sturz des irakischen
Herrschers Saddam Hussein durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA
war es eine der ersten und vordringlichsten Amtshandlungen des Chefs der von
Washington eingesetzten Besatzungsverwaltung, Paul Bremer, die bis dato
hauptsächlich von russischen, chinesischen und französischen Unternehmen
gehaltenen Ausbeutungsrechte an irakischen Ölfeldern für US-amerikanische und
britische Firmen zu sichern.
Das
Leiden der Bevölkerung geht weiter
Das
Wissen um die Bodenschätze in Afghanistan ist nicht neu. Schon im Jahr 2010
hätten US-Behörden den Wert der unberührten Rohstofflager in Afghanistan auf
fast eine Billion Dollars geschätzt, schreibt die NYT. Doch der damals noch
fast landesweite Krieg mit bis zu 100‘000 in Afghanistan stationierten Soldaten
der von den USA und der NATO geführten Interventionsallianz liess die
Erschliessung und Ausbeutung von Rohstoffen nicht zu. Auch nach dem Abzug von
90 Prozent der ausländischen Truppen seit Ende 2011 haben sich die
Rahmenbedingungen kaum verbessert.
Die
Ausbeutung der Rohstoffe sei erst in den Anfängen, weil die Sicherheit nicht
gewährleistet, die Korruption gross sei und es an Strassen, Brücken und
Eisenbahnen fehle, zitiert die NYT einen Sprecher des Pentagons. Es ist
allerdings kaum zu erwarten, dass die von Trump verkündete «neue»
Eskalationsstrategie im Krieg gegen Al-Kaida, die Taliban und den IS die
Sicherheitslage in Afghanistan und damit auch die Rahmenbedingungen für eine
ungestörte Erschliessung und Ausbeutung von Bodenschätzen verbessern wird. Alle
Erfahrungen in Afghanistan seit der sowjetischen Invasion Ende 1979 oder auch
im Irak seit dem anglo-amerikanischen Krieg von 2003 sprechen dagegen.
Sicher
ist nach der Eskalationsentscheidung Trumps nur, dass der jetzt schon längste
Krieg seit dem 30-jährigen Waffengang in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
auf unbestimmte Zeit weitergehen und die Zahl der zivilen Opfer in der
afghanischen Bevölkerung weiter steigen wird.