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Nellys Abenteuer

Von Sami Omar, 22.
September 2017. Sie kennen doch das Stereotyp des verschlagenen, diebischen,
schmuddeligen Roma. Und ihnen ist doch klar, dass es zutiefst rassistisch ist,
nicht!? Es schreibt eine Geschichte fort, die seit Jahrhunderten zur
Menschenverachtung und zur Zementierung alter Machtverhältnisse dient. Keine
Frage, dass wir unsere Kinder nicht damit aufwachsen lassen. Keine Frage, dass
wir ihnen erklären, warum so viele Sinti und Roma in den Ländern Europas in
Armut und Ausgrenzung leben.



Vielleicht erzählen wir Ihnen
gar von anderen Europäern, die Sinti oder Roma. Von Herrn Meier aus dem
Supermarkt, der Frau aus der Schule,  von 
Politikern, wie Romeo Franz (B`90/DIE GRÜNEN), von Wissenschaftlern, wie
Ian Hancock, Sängerinnen, wie Marianne Rosenberg oder – ach was soll´s:  Menowin Frölich, von DSDS.
Um seine Kinder von derartigen
Klischees über Roma und Sinti fern zu halten, muss man derzeit leider auch das
Öffentlich-rechtliche Fernsehen umgehen. Dieses strahlt in bald den Film „
Nelly´s Abenteuer“ aus und verteidigt dieses Vorhaben gegen heftige Kritik. Der
Film, der im vergangenen Jahr in deutschen Kinos lief, wird im Kinderkanal und
im SWR laufen. Der Zentralrat deutscher Sinti und Roma übt scharfe Kritik an
dem Werk und hat zur ihrer Untermauerung wissenschaftliche Gutachten dazu in
Auftrag gegeben. So Urteilt der Slavistik-Professor Urs Heftrich von der
Universität Heidelberg, der Film sei  geeignet,
„antiziganistische Klischees zu zementieren“.
Pavel Brunßen vom Zentrum für
Antisemitismusforschung der TU Berlin schreibt, Roma seien in dem Film
ausschließlich dargestellt „als Kleinkriminelle, Trickbetrüger, Bettler, beim
Aufführen ‘traditioneller’ Tänze, als Kindesentführer usw. Roma in anderen
Lebenssituationen, wie etwa in ‘regulären’ Berufen oder als Studierende, werden
im Film nicht gezeigt. Hängen bleibt das Bild von den kriminellen,
unzivilisierten, disziplinlosen und triebgesteuerten Roma, die keine Moral
kennen.“
Vielleicht fragen Sie sich an
dieser Stelle, wo die genauere Beschreibung des Filmes selbst und seiner
strittigen Szenen bleibt. Wie sollten sie sich sonst ein Bild davon machen, ob
der Zentralrat deutscher Sinti und Roma mit seiner Kritik richtig liegt? Aber
darum geht es überhaupt nicht.
In einer Stellungnahme des
Programmdirektors des SWR gegenüber des Magazins „VICE“, welches am 20.09.2017
über den Fall berichtete, sagte dieser, man habe sich seitens des Senders mit
dem Zentralrat „zusammengesetzt“. Man habe den Vertretern “ausführlich
dargelegt” der Film werde “auf der Basis gegenseitiger kultureller
Wertschätzung erzählt“ – und werde gesendet. Hauser wird weiter mit den Worten
zitiert, er weise den Vorwurf, der Film enthalte rassistische oder
antiziganistische Züge, „entschieden zurück“.
Darum geht es! Diese
Stellungnahme enthält den mehrheitsgesellschaftlichen Reflex, die
Deutungshoheit über eine Gewalttat dem Opfer zu entziehen und sie an sich zu
reißen. Die Möglichkeit, dass dieser Film Verletzungen verursacht und Kindern
ein falsches – weil antiziganistisches – Bild von Sinti und Roma vermittelt,
reicht aus, um ihn in Frage zu stellen.
Dabei gilt hier und überall
eine sehr einfache Regel: Der Maßstab für empfundenes Leid kann und darf nie
vom potentiellen Agressor ausgehen.
Oder, wie es meine Kinder
ausdrücken würden:

Hey! Das heißt „Tschuldigung“!