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UNO-Sonderbeauftragte für Opfer sexueller Gewalt


Andreas Zumach, Genf / 25. Aug 2017 –

Jane Connors soll Opfer sexueller Ausbeutung im Rahmen von UNO-Missionen unterstützen. Erhält sie die nötigen Kompetenzen?
UNO-Generalsekretär Antonio
Guterres hat die Australierin Jane Connors auf den von ihm
neugeschaffenen Posten einer «Sonderbeauftragten für die Opfer sexueller
Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs» durch Blauhelmsoldaten und zivile
Mitglieder von UN-Missionen berufen. Doch die Kompetenzen der neuen
Sonderbeauftragten bleiben unklar. Zudem operiert die UNO mit einer sehr
eingeschränkten Definition von «sexueller Ausbeutung und sexuellem
Missbrauch».

 



© Foreign and Commonwealth Office/flickr/cc

Jane Connors, UNO Sonderbeauftragte für Opfer sexueller Ausbeutung
Null-Toleranz
«Wir
werden nicht tolerieren, dass irgendjemand im UNO-System sexuellen
Missbrauch und sexuelle Ausbeutung begeht oder duldet. Wir werden nicht
zulassen, dass irgendjemand diese Verbrechen mit der UNO-Flagge zudeckt.
Lasst uns Null-Toleranz zur Realität machen.» Mit diesen starken Worten
hatte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zu Beginn seiner Amtszeit
Anfang dieses Jahres versprochen, endlich ein Problem aus der Welt zu
schaffen, mit dem seine beiden Vorgänger Ban Ki Moon und Kofi Annan
trotz aller Bemühungen nicht fertig wurden: sexuelle Ausbeutung und
sexueller Missbrauch, begangen durch Soldaten und Zivilangehörige von
UNO-Missionen.
Die beiden Hauptprobleme bei
der Bekämpfung dieser Verbrechen: Entsendestaaten von Soldaten bringen
mutmassliche Täter zwar zurück in die Heimat, eröffnen aber keine
Strafverfahren und kümmern sich auch nicht um die Opfer. Die UNO selber
kann zwar intern ermitteln, hat aber ausser der Entlassung eines
mutmasslichen Täters aus einer UNO-Mission keine weitere Handhabe. Mit
der Ernennung der Sonderbeauftragten will der Generalsekretär jetzt vor
allem das erste Problem angehen. Jane Connors bringt grosse Erfahrung
für diese Arbeit mit. Die studierte Juristin hatte seit 1996 eine
leitende Funktion in der UNO-Abteilung für die Förderung von Frauen in
New York sowie beim UN-Menschenrechtszentrum in Genf. Dort ist sie seit
ihrem Abschied von der UNO im Büro von Amnesty International tätig.

Handlungskompetenzen, nicht nur das Recht, Berichte zu schreiben
Doch
ob die neuberufene Sonderbeauftragte der UNO für die Opfer von
sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch durch Blauhelmsoldaten
tatsächlich etwas bewirken kann, hängt von ihren künftigen Kompetenzen
ab. In der Mitteilung der UNO zu ihrer Berufung heisst es lediglich, sie
solle mit Regierungen und Nichtregierungsorganisationen in den
Entsendestaaten von Personal für Friedensmissionen «zusammenarbeiten» .
Doch welche Handhabe bekommt sie gegenüber den Entsendestaaten der
sexuellen Gewalttäter, wenn diese Staaten den Schutz und die
Entschädigung der Opfer verweigern? Oder wenn ein Staat – wie in der
Vergangenheit häufig geschehen – nicht einmal ein Strafverfahren gegen
die Täter einleitet?
Kann sie diesen Staat dann
zeitnah öffentlich kritisieren, um mehr Druck auszuüben? Oder darf sie
nur einen internen Bericht an den Generalsekretär schreiben, der dann
vielleicht irgendwann sehr viel später öffentlich wird? Gäbe es sogar
die Möglichkeit, einen Fall vor ein internationales Gericht zu bringen,
falls die Justiz des Entsendestaates nicht handelt? All diese wichtigen
Fragen sind bislang noch nicht geklärt. 

Offizielle Bordelle statt «freiwillige Prostitution»?
Doch
selbst wenn die Sonderbeauftragte Kompetenzen erhält, mit denen sie
tatsächlich etwas für die Opfer bewirken kann, bleibt ein grosses Manko:
Ihr Mandat beruht wie alle bisherigen UNO-Beschlüsse zu diesem Thema
auf einer unzureichenden Definition von «sexueller Ausbeutung und
sexuellem Missbrauch». Als Opfer werden zwar konkrete Personengruppen
benannt, wie «Frauen und Kinder in Flüchtlingslagern» oder
«Minderjährige». Doch die häufigste Form von Ausbeutung, Missbrauch und
Gewalt, nämlich sexuelle Beziehungen zwischen den – bislang zu 95
Prozent männlichen – Angehörigen von UNO-Missionen und erwachsenen
Frauen aus der Zivilbevölkerung des Einsatzlandes bleiben weiterhin
erlaubt. Man könne den Soldaten, die monatelang weit entfernt von ihren
Frauen oder anderen SexpartnerInnen stationiert sind, nicht verbieten,
dieses Angebot «freiwilliger Prostitution» wahrzunehmen, behaupten die
Regierungen und Armeeführungen der Entsendestaaten – auch in Berlin.
«Freiwillig»
ist ein Mythos. Tatsächlich ist das Machtgefälle und
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Blauhelmsoldaten und der
Zivilbevölkerung ihres Einsatzlandes in jeglicher Hinsicht noch viel
grösser als bei der Prostitution in den Entsendestaaten. Es wäre
ehrlicher und besser im Sinne der Vermeidung künftiger Opfer, wenn für
jede UNO-Mission künftig ein Bordell bereitgestellt würde, mit fair
bezahlten und versicherten SexarbeiterInnen aus den Entsendestaaten der
Soldaten.