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NICHT SICHER – Verbände fordern Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan


Von Migazin, 31. Mai 2017. Eine
für Mittwoch geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan sorgt bei Verbänden
für Empörung. In einer gemeinsamen Erklärung fordern sie ein Abschiebestopp,
das Land sei nicht sicher. Kritik erntet die geplante Zurückführung auch aus
Berlin.

 

 Stopp © TraumTeufel666 @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG
Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände fordern den
sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Die Verbände, darunter
Pro Asyl, Amnesty International, die Diakonie Deutschland und der Paritätische
Gesamtverband, stellten am Dienstag in Berlin eine gemeinsame Erklärung vor.
Anlass ist die nach ihren Angaben am Mittwoch bevorstehende sechste
Sammelabschiebung von afghanischen Flüchtlingen. Die Verbände kritisierten auch
die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration. Sie befürchten, dass nach
fehlerhaften Asylverfahren abgelehnte Afghanen abgeschoben werden und dadurch
ihr Leben aufs Spiel gesetzt wird.
Diakonie-Vorstand Maria Loheide sagte:
„Abschiebungen nach Afghanistan sind verantwortungslos.“ Sie forderte die
Bundesregierung auf, die bevorstehende Sammelabschiebung zu stoppen und auf
weitere zu verzichten. Die Bundesregierung könne für das Überleben der
Abgeschobenen nicht garantieren, sagte Loheide.
Sicherheitslage unberechenbar
Neue Informationen über die gefährliche Lage in
Afghanistan würden in den Verfahren nicht berücksichtigt, kritisierten die
Verbände. Trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage im Land würden immer
mehr Asylbewerber abgelehnt. Während die Schutzquote für Afghanen vor zwei
Jahren noch 78 Prozent und im vergangenen Jahr 60 Prozent betrug, seien in den
ersten Monaten dieses Jahres mehr als die Hälfte aller afghanischen
Asylbewerber abgelehnt worden (53,4 Prozent), sagte Günter Burkhardt von Pro
Asyl. In vielen Bescheiden werde auf Fluchtalternativen im Inland verwiesen.
Die Verbände bezweifeln, dass es in Afghanistan
inländische Fluchtalternativen gibt. Die Taliban seien auf dem Vormarsch. Die
Sicherheitslage sei so unberechenbar, dass auch das Flüchtlingshilfswerk der
Vereinten Nationen eine Unterscheidung nach sicheren und unsicheren Gebieten
ablehne. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und die meisten
Bundesländer verweisen hingegen darauf, dass es im Land sichere Regionen gibt.
Juratovic: Abschiebung ist eine moralische Frage
Der afghanische Journalist und Kriegsreporter Ramin
Mohabat berichtete, es sei für einen Rückkehrer unmöglich, sich als Fremder in
einem der als sicher geltenden Gebiete niederzulassen. Reisen durchs Land seien
nur in traditioneller Kleidung und mit Bart möglich. Außerhalb der Städte kontrollierten
die Taliban die Verbindungswege.
Kritik erntet die geplante Abschiebung auch vom
Integrationsbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Josip Juratovic. Bei der
Abschiebung gehe es nicht um „eine rechtliche Frage, sondern eine moralische“.
Der SPD-Politiker aus Baden-Württemberg fordert eine Aussetzung der
Abschiebungen aus humanitären Gründen sowie ein Ende vom „demonstrativem
Aktionismus“. Die Abschiebung von Afghanen sei nicht das richtige Mittel, um
die Handlungsfähigkeit des Staates in der Asylpolitik zu demonstrieren.
Zahlreiche BAMF-Verfahren mangelhaft
Der Verbände kritisierten auch die
Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration. Zahlreiche Verfahren seien
mangelhaft. Das Bundesamt hatte vor kurzem nach einer internen Überprüfung von
positiven Bescheiden zahlreiche fehlerhafte Bescheide eingestehen müssen.
Hintergrund der Überprüfung war der Fall des rechtsradikalen Bundeswehrsoldaten
Franco A., der sich als Syrer ausgegeben und sogenannten subsidiären Schutz
erhalten hatte. Günter Burkhardt von Pro Asyl forderte, die Überprüfungen der
Verfahren auch auf Negativentscheidungen auszuweiten.
Die
Bundesregierung hatte im vergangenen Herbst ein Rückführungsabkommen mit
Afghanistan unterzeichnet, dass die Abschiebung per Sammelcharter erlaubt. Im
Dezember 2016 hatte es unter Protesten die erste Rückführung unter Zwang
gegeben. Nach Angaben von Pro Asyl wurden mit den bisherigen fünf Sammelflügen
knapp 100 afghanische Männer abgeschoben. Die Abschiebungen in das lange noch
nicht befriedete Land sind auch zwischen dem Bund und einigen Ländern
umstritten. (epd/mig)