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Geschäfte am Horn von Afrika

Von German
Foreign Policy
, 31. Mai 2017. Mit mehreren Wirtschaftskonferenzen bemühen
sich deutsche Stellen in dieser Woche um einen Ausbau des deutschen Einflusses
in Äthiopien, einem strategisch zentralen Land am Horn von Afrika. Äthiopien
gilt derzeit als eines der Boomländer des Kontinents schlechthin; zweistellige
Wachstumraten in den vergangenen Jahren wecken auch das Interesse deutscher
Unternehmen. 



Berlin kooperiert darüber hinaus in der Flüchtlingsabwehr eng mit
Addis Abeba, dessen hochgerüsteter Repressionsapparat sich dabei als äußerst
schlagkräftiger Partner erweist. Zugleich sucht die Bundesregierung die
Zusammenarbeit mit den äthiopischen Streitkräften zu intensivieren. Diese sind
am Versuch der Afrikanischen Union (AU) beteiligt, die Konflikte in Somalia
niederzuhalten, um eine ernsthafte Gefährdung des Seehandels am Horn von Afrika
zu verhindern. Dabei gehen sie allerdings immer wieder mit brutaler Gewalt auch
gegen die somalische Zivilbevölkerung vor.
Lukrative Geschäfte
Deutschland versucht seinen ökonomischen und politischen Einfluss in
Äthiopien aktuell mit zwei deutsch-äthiopischen Wirtschaftskonferenzen
auszuweiten. Am gestrigen Dienstag organisierte der Afrika Verein der Deutschen
Wirtschaft (AV) den dritten German-Ethiopian Business Day in Hannover. Heute treffen
erneut Funktionäre der äthiopischen und der deutschen Politik und Wirtschaft in
Stuttgart zusammen – anlässlich der German Ethiopian Economic Conference, die
vom Lobbyverband Baden-Württemberg International unter der Schirmherrschaft des
baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums veranstaltet wird. Vertreter
des Industrie-, des Agrarwirtschafts- und des Wissenschaftsministeriums aus
Addis Abeba werben auf beiden Veranstaltungen für deutsche Aktivitäten in ihrem
Land, während die deutsche Seite unter anderem durch die baden württembergische
Wirtschaftsministerin vertreten ist. Gesponsert werden die Konferenzen unter
anderem von der Commerzbank AG und der Robert Bosch GmbH.
Ostafrikas Boomland
In der Tat gilt Äthiopien derzeit als eine der am schnellsten aufstrebenden
Volkswirtschaften Afrikas. So urteilt der IWF, das Land könne demnächst Kenia
als stärkste Ökonomie Ostafrikas ablösen.[1] 2015 verzeichnete Äthiopien ein
Wirtschaftswachstum von zehn Prozent; die Investitionen stiegen 2014 um 28,2 und
2015 um 18,9 Prozent. Nach einem Einbruch im Jahr 2016 werden für 2018 bis 2020
weitere Zuwächse von 6,6 bis 8,9 Prozent erwartet.[2] Forciert wird dieser Boom
in erster Linie durch staatliche Investitionen in gigantische
Infrastrukturprojekte. Wie der bundeseigene Wirtschaftsinformationsdienst
Germany Trade and Invest (GTAI) schreibt, profitiert die Industrie von
“den massiven staatlichen Investitionen”, durch die Äthiopien sich
“als international beachteter Lowtech-Produzent empfehlen” möchte.[3]
Die staatlichen Gelder fließen vor allem in den Ausbau der Energiewirtschaft
sowie in die Schaffung neuer Industrieparks. Durch den “Growth and
Transformation Plan II” der Regierung sollen zwischen 2015 und 2020 zehn
bis zwölf neue Kraftwerke für rund 20 Milliarden US-Dollar geschaffen werden.
Äthiopien will so “zu einem der bedeutendsten Stromexporteure Afrikas
aufsteigen”.[4] Viele Industrieparks wurden in den vergangenen Jahren mit
chinesischen Mitteln geschaffen; ihr Wert beläuft sich auf mehrere Milliarden
US-Dollar.
Deutschland im Rückstand
Deutschland profitiert bislang allerdings nur mäßig von Äthiopiens rasantem
Aufschwung; das Volumen der deutsch-äthiopischen Handelsbeziehungen ist noch
relativ gering. Wichtigster Investor und Handelspartner des ostafrikanischen
Landes ist derzeit – wie in vielen anderen afrikanischen Staaten – die
Volksrepublik China. Die beiden Wirtschaftskonferenzen in dieser Woche sollen
dazu beitragen, den Rückstand aufzuholen.
Flüchtlingsabwehr
Auch auf der Ebene der Repressionsapparate forciert die Bundesrepublik seit
einigen Jahren die Kooperation mit Äthiopien. Recht weit gediehen ist etwa die
deutsch-äthiopische Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsabwehr. So unterstützt
Addis Abeba den sogenannten Khartoum-Prozess, der auf ein Treffen der EU-Außen-
und -Innenminister mit afrikanischen Ressortkollegen im Jahr 2014 in Rom
zurückgeht. Wesentliches Ergebnis des Treffens war die Einigung auf Maßnahmen,
die die Migration aus Afrika in die Wohlstandszentren der EU schon weit vor
deren Außengrenzen unterbinden sollen (“Migrationsmanagement”). Zur
Flüchtlingsabwehr nutzt Berlin dabei auch die sogenannte
Entwicklungszusammenarbeit. Die bundeseigene Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) betreibt derzeit zwei grenzüberschreitende Projekte in
Afrika, die beide der Kontrolle und Repression von Flüchtlingsbewegungen dienen
und in die auch Äthiopien involviert ist. Das Projekt “Unterstützung des
Grenzprogramms der Afrikanischen Union (AU)” dient der Stärkung der
AU-Staaten bei der Abschottung ihrer Grenzen gegen Armutsmigration. Gleiches
gilt im Wesentlichen für das Projekt “Verbessertes
Migrationsmanagement”, das Migranten bei ihrer angeblich
“freiwillige(n) Rückkehr” in ihre Heimatländer unterstützen soll.[5]
Eine schlagkräftige Armee
Äthiopien empfiehlt sich für die Flüchtlingsabwehr nicht zuletzt durch
eines der höchstgerüsteten Repressionssysteme auf dem Kontinent. So gilt die
äthiopische Armee, die auf bis zu 200.000 Mann geschätzt wird, als eine der
größten und schlagkräftigsten Afrikas. Ihre militärische Stärke kommt schon
seit Jahren deutschen Interessen zugute: Von den ca. 20.000 Soldaten der
AMISOM-Truppe der AU, die das an Äthiopien grenzende Somalia unter Kontrolle zu
halten versucht, gehören offiziell etwa 4.000 der äthiopischen Armee an. Kenner
der Lage vor Ort gehen davon aus, dass sich zusätzlich weitere 4.000
äthiopische Militärs ohne AU-Mandat in Somalia aufhalten.[6] Zwar hat die seit
2007 in Somalia operierende AU-Intervention den somalischen Bürgerkrieg nicht
beenden können; doch hat sie es geschafft, eine Art fragilen Dauernotstand zu
etablieren, durch den eine wirklich ernsthafte Beeinträchtigung des Seehandels
am Horn von Afrika bislang verhindert werden konnte. Die äthiopische Armee ist
auch in Somalia für ihr brutales Vorgehen berüchtigt. Sie sei die einzige
Armee, die sowohl Erfahrung im Guerillakrieg als auch in der konventionellen
Kriegsführung habe, urteilt ein Experte.[7] Kritiker des AMISOM-Einsatzes
berichten dabei immer wieder auch von Massakern an der somalischen
Zivilbevölkerung.
Deutsch-äthiopische Militärkooperation
Die Bundesregierung bemüht sich dessen ungeachtet, die militärische
Kooperation mit Äthiopien auszubauen. Bereits seit 2010 führt eine
Beratergruppe der Bundeswehr “Unterstützungsleistungen” in Äthiopen
durch. Anfang 2016 war eine Delegation der Führungsakademie der Bundeswehr in
Addis Abeba, um sich mit Vertretern der äthiopischen East African
StandbyBrigade auszutauschen. Die Bundesakademie für Sicherheit (BAKS)
veranstaltet zudem derzeit eine Studienreise nach Afrika, die auch nach
Äthiopien führt. Die auch als “Feldstudie” firmierende Exkursion ist
Teil des BAKS-“Kernseminars für Sicherheitspolitik”, das sich auch
Afrika als “regionale(m) Schwerpunkt deutscher und europäischer
Außenpolitik” widmet. Fragen der “Sicherheit und
Krisenprävention” sollen erörtert und entsprechende Strategien entwickelt
werden.[8]
Die Verhältnismäßigkeit der Mittel
Die äthiopische Regierung, mit der Berlin eng kooperiert, lässt im
Landesinnern seit vielen Jahren oppositionelle Bewegungen blutig
niederschlagen. Zuletzt formierte sich Ende 2015 in der Region Oromia sozialer
Widerstand gegen staatliche Infarstrukturprojekte, insbesondere gegen die
staatlich dekretierte Erweiterung des Stadtgebietes von Addis Abeba, die mit
der gewaltsamen Vertreibung von Menschen in der an die Hauptstadt grenzenden
Region Oromia verbunden ist. Durch die brutale staatliche Unterdrückung dieses
Widerstandes kamen bislang mehr als 1.000 Menschen ums Leben. Offiziellen
Angaben zufolge sind mittlerweile 15.000 Menschen verhaftet worden. Seit
Oktober herrscht im Land der Ausnahmezustand. Bereits seit 1991 regiert in
Addis Abeba das Parteienbündnis der Revolutionären Demokratischen Front der
Äthiopischen Völker (EPRDF), das ausnahmslos alle Sitze im nationalen Parlament
stellt. Das EPRDF-Regime stützt sich auf einen hochgerüsteten
Repressionsapparat, der zudem über eines der weltweit am besten ausgebildeten
Spitzelsysteme verfügt. Anlässlich ihres letzten Äthiopienbesuchs im Herbst
2016 stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Blick auf die gewaltsamen
Proteste im Land eine Kooperation der Polizeiapparate beider Länder in Aussicht
– “damit die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt wird und nicht so
viele Menschen umkommen bei solchen Ausschreitungen”.[9]
[1] Germany Trade and Invest: Swot-Analyse Äthiopien. www.gtai.de
16.12.2016.
[2], [3], [4] Germany Trade and Invest: Wirtschaftsausblick Winter 2016/17
Äthiopien. www.gtai.de 15.12.2016.
[5] Verbessertes Migrationsmanagement. www.giz.de.
[6], [7] African Business Magazine: Ethiopian withdrawal poses question for
future of Somalia. africanbusinessmagazine.com 20.04.2017.
[8] Das Kernseminar für Sicherheitspolitik 2017. www.baks.bund.de.
[9] Merkel ruft Afrika zur Zusammenarbeit gegen Terror, Flucht und Vertreibung
auf. www.welt.de 11.10.2016.