General

Gemeinsame Israel-Palästina Gedenkzeremonie unter schwierigen Bedingungen

von Ina Darmstädter, Pressenza, 05.05.2017. Gemeinsame Israel-Palästina Gedenkzeremonie unter schwierigen BedingungenZeremonie zum Gedenken der Toten der israelischen und palästinensischen Seite im Konflikt in Tel Aviv
Von Ilan Baruch, Yehudit Yinhar und Ina Darmstädter
Tausende Israelis und Palästinenser nahmen an einer alternativen Gedenktagzeremonie teil, die von denCombatants for Peace und dem Bereaved Parents Circle organisiert worden war, zwei anerkannten Israel-Palästina Friedensorganisationen. Es sollte am Vorabend des offiziellen Tages der Erinnerung an die Gefallenen beider Seiten in diesem blutigen Konflikt gedacht werden. Aufgrund Israels Weigerung, Einreisegenehmigungen für die palästinensischen Teilnehmer auszustellen, fand dieses Jahr die Zeremonie in Tel Aviv statt und wurde einem großen Publikum in Beit Jala in der Westbank sowie in verschiedene Städte überall auf der Welt live übertragen.
Ausserhalb des Veranstaltungsortes in Tel Aviv sangen eine Horde aggressiver nationalistischer Aktivisten hasserfüllte Slogans und wurden später gewalttätig, indem sie stumpfe Objekte und Urinbeutel nach den herauskommenden Teilnehmern warfen.
In Reaktion auf die Berichte wurde ein Tweet veröffentlicht, der dem Bildungsminister Naftali Bennett zugeschrieben wird. In ihm steht, dass Menschen, die „Babykiller und Busbomber betrauern ein bißchen weniger sensibel reagieren sollten auf spucken, schupsen und Wasser.“ Obwohl Bennett später behauptete, dass er diesen Tweet nicht autorisiert habe, reagierte er herablassend auf den Aufruhr, den der Tweet auslöste, und diffamierte weiterhin die Zeremonie.
Dies ist symptomatisch für die systematische Dämonisierung des Friedensaktivismus in Israel durch die israelische Regierung. Und es ist kein Zufall, dass es direkt im Anschluss der Weigerung des Premierministers Netanyahu kommt, den deutschen Aussenminister zu treffen, weil dessen Reiseplan vorsah, Breaking the Silenceund B’Tselem zu treffen. Dankenswerter Weise weigerte Minister Gabriel sich, sich unter Druck setzen zu lassen.
Die israelische Regierung ist mit ihrer Delegitimierung der Aktivitäten israelischer Menschenrechts- und Friedens-NGOs direkt verantwortlich für diese besorgniserregende Atmosphäre, welche einen an diejenige erinnert, die zum Mord an dem Friedensaktivisten Emil Greenzweig und den Anschlag auf Premierminister Yitzhak Rabin führte.
Wir glauben, dass jedes Staatsoberhaupt die Verantwortung hat, die israelische Regierung zu warnen, dass diese Situation nicht toleriert werden wird. Israel gleitet rapide ab in den Abgrund. Ein Weckruf von der Familie der Nationen ist überfällig. Bitte helfen Sie uns, diesen zu realisieren.
Der gemeinsame Israel-Palästina Gedenktag wurde zum ersten Mal vor zwölf Jahren in einer kleinen, selbst organisierten Veranstaltung abgehalten und ist seitdem jedes Jahr gewachsen.
Der Tag der Erinnerung ist ein nationaler Feiertag in Israel, denen gewidmet, die auf der Seite Israels oder der vorstaatlichen jüdischen Gemeinschaft gekämpft haben, und den israelischen Opfern politischer Gewalt. Er spielt eine wichtige Rolle in der jüdisch-israelischen Gesellschaft – offizielle Erinnerungszeremonien werden in Gegenwart der politischen und militärischen Führer in Israel abgehalten und private Gedenkzusammenkünfte finden überall im Land statt.
Diese Veranstaltungen sind ein mächtiges Werkzeug geworden, um eine einseitige, nationalistische Erzählweise der Opfer zu entwickeln. Die Zeremonien versuchen, den politischen Status Quo zu rechtfertigen und ignorieren die Tatsache, dass Gewalt über die Jahre die Leben Tausender Israelis sowie auch Palästinenser genommen hat.
Die wichtigste Aussage, die auf der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Gedenktagzeremonie abgegeben wurde, war, dass so lange wie wir unseren Schmerz und unsere Verluste voneinander trennen und den Schmerz und Verlust des anderen nicht erkennen, kein Ende der Gewalt eintreten kann.
Die Combatants for Peace schrieben am 30.April:
“Liebe Freunde, dieses Jahr hat die Zunahme der Radikalisierung und Einschüchterung einen neuen Höhepunkt im Hinblick auf unsere Gedenkzeremonie erreicht. Viele Hindernisse wurden uns gelegt, um zu verhindern, dass unsere palästinensischen Aktivisten zur Zeremonie gelangen, die wir seit zwölf Jahren gemeinsam abhalten. Trotz all unserer Nachfragen auf politischer und rechtlicher Ebene wurden unsere Anträge für Einreisegenehmigungen abgelehnt. Der Mechanismus der Trennung und Einschüchterung und der hasserfüllten öffentlichen Debatte ist stark und lehnt die ausgestreckte Hand des Friedens von der anderen Seite ab.
Trotz alle dem lassen uns die Versuche uns zu ängstigen, zum Schweigen zu bringen und uns zu trennen, nicht vergessen, dass ein Wandel nur eintreten kann, wenn wir zusammen sind. Wir werden die Zeremonie morgen halten wie geplant. Gleichzeitig bereiten wir uns auf die Teilnahme aller Palästinenser, die keine Einreisegenehmigung zur Hauptzeremonie bekommen haben, an einem Treffen in Beit Jala in der Westbank vor und übertragen von dort auch zu der Veranstaltung in Tel Aviv, damit wir zusammen der Erinnerung an unsere Geliebten gedenken können und gemeinsam zu Frieden, Versöhnung und Hoffnung aufrufen können. Weil Veränderung in unseren Händen liegt und Krieg kein Akt des Schicksals ist.
Im Laufe der Jahre war es eine Herausforderung, Einreisegenehmigungen für die palästinensischen Aktivisten zu bekommen, um zur Zeremonie nach Tel Aviv zu kommen. Dieses Jahr hat Avigdor Lieberman, der Verteidigungsminister nach einem Vorfall, bei welchem ein palästinensischer Teenager vier Menschen in einer Messerattacke am Strand von Tel Aviv verletzt hat, alle palästinensischen Genehmigungen bis aufs weitere eingefroren und eine Ausgangssperre bis zum Ende des Israelischen Unabhängigkeitstages Dienstag Nacht angekündigt. Er selbst ist ein Siedler, der in der besetzten Westbank lebt. Wir sehen dies als eine strukturelle Aufrechterhaltung des „wir und sie“ Narrativs, ein Narrativ, das Konflikt lehrt und die Bemühungen unterdrückt, dies durch gegenseitige Akte konstruktiver Arbeit in Richtung Frieden zu ändern.“