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MOSCHEEREPORT – Jesiden? Yazid? Hauptsache gegen Muslime ( Teil II)

Von Fabian Köhler, MiGAZIN,
6. April 2017. Monatelang recherchierte Constantin Schreiber in deutschen
Moscheen. Herausgekommen ist eine Mischung aus Safari-Expedition,
Klischeesammlung und mehreren Übersetzungsfehlern.
Bild von ProMosaik: Moschee Berlin
Rechercheergebnisse an den
Verfassungsschutz weitergeleitet
Auch Schreibers sonstiges
Auftreten gibt Anlass zu Skepsis, wie ernst es ihm mit einer vorurteilsfreien
Bestandsaufnahme der Aktivitäten deutscher Moscheen ist: Am vergangenen
Dienstag stellte Schreiber sein Buch zur TV-Reihe (oder umgekehrt) vor. Dessen
Titel „Inside Islam“ erinnert vielleicht nur zufällig an Jürgen Todenhöfers
„Inside IS“. Vielleicht auch nicht. Unterstützt wurde er bei der Vorstellung
von den beiden CDU-Politikern Düzen Tekkal und Jens Spahn, die beide – wie von
jetzt an wohl auch Schreiber – in der Öffentlichkeit eher als Islamkritiker als
Islamvermittler gelten. Letzter nutzte die Vorstellung auch gleich, um ein Moscheeregister zu fordern. Ganz in Spahns Sinne gab
Constantin Schreiber im Interview mit dem Deutschlandradio an,
einzelne Predigten an den Verfassungsschutz weitergeleitet zu haben. Dass
Journalisten ihre Rechercheergebnisse an Geheimdienste übermitteln, ist mehr
als unüblich. Schreiber zufolge habe allerdings selbst der Verfassungsschutz in
den Reden nichts Bedenkliches gefunden.
An gleicher Stelle erklärte Schreiber, dass sämtliche von ihm besuchte
Moscheen Orte seien, die der Integration in Deutschland entgegenwirken: „Der
rote Faden war schon die Warnung vor dem Leben draußen in Deutschland. Es ging
immer darum zu sagen: Wir, die Muslime, und die anderen, die Christen, die
Ungläubigen.“ Zumindest auf die bisher in der ARD veröffentlichten Auszüge
trifft dieser Vorwurf jedenfalls nicht zu.
Jesiden? Yazid? Hauptsache gegen
Muslime
Auch Schreibers schärfster
Vorwurf gegenüber einem Imam könnte weniger in dessen Demokratiefeindlichkeit
als in Schreibers mangelnder fachlicher Expertise begründet sein. Unter anderem im Interview mit dem Tagesspiegel wirft
Schreiber dem Imam der Berliner Imam-Riza-Moschee vor, gegen Jesiden zu hetzen.
Dieser hätte „ganz offen gesagt, dass für ihn Jesiden Symbol der Barbarei seien
und es in keinem Land der Welt Jesiden geben dürfe.“ Schaut man sich allerdings
die fragliche Stelle im Buch an (Dank an Ariya
für diesen Hinweis
), wird schnell klar, dass hier höchstwahrscheinlich
erneut ein Übersetzungsfehler vorliegt.
Der türkischsprechende Imam wettert hier vermutlich nicht gegen Jesiden
(türk.: Yezidiler), sondern gegen den Kalifen Yazid (türk.: Yezitler). Wie es
der Imam selbst auch gegenüber Schreiber beschreibt, gilt der umayyadischen
Kalif aus dem 7. Jahrhundert unter Muslimen als Symbol für Unrecht und
Barbarei. Anstatt gegen die verfolgte Volksgruppe der Jesiden zu hetzen,
spricht sich der Imam gegen Ungerechtigkeit in der Welt aus.
Der Übersetzungsfehler ist nicht
nur ziemlich peinlich, sondern kann für die Moschee auch zur Existenzbedrohung
werden. Kurz nach der Erscheinung des Buches hat der „Zentralrat der Eziden“ in
Deutschland aufgrund Schreibers Vorwurf Anzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung erlassen.
Spätestens jetzt, fragt man sich, warum sich Schreiber nicht mehr fachliche
Unterstützung beim Übersetzen und Deuten der Predigten geholt hat, bevor er mit
solch gravierenden Anschuldigungen an die Öffentlichkeit geht.
Islamwissenschaftler melden sich
zu Wort
Schreiber selbst entgegnet dem
Vorwurf der fehlenden fachlichen Einordnung und Bewertung in einem Gastbeitrag
für Die Zeit. Unter der Überschrift „Niemand predigt Integration“ schreibt er, er hätte keine
Islamwissenschaftler finden können, die bereit gewesen wären, ihn bei seinen
Recherchen zu unterstützen. Stattdessen hätten sie ihm entweder „Islambashing“
vorgeworfen oder ließen monatelang „Anrufe und E-Mails unbeantwortet“. Doch
einige dieser Islamwissenschaftler meldeten sich nach der Ausstrahlung des
Moscheereports zu Wort.
Mathias Rohe,
Islamwissenschaftler an der Uni-Erlangen, würdigt imDeutschlandradio zwar
Schreibers Bemühen, herauszufinden, was in deutschen Moscheen gepredigt wird.
Rohe kritisiert aber Zahlenangaben Schreibers, wie z.B. dass in 80-90 Prozent
der Moscheen antidemokratische Predigten gehalten würden. Davon Rückschlüsse
auf die Einstellung von Muslimen in Deutschland zu ziehen, bezeichnet Rohe als
„in höchstem Maße unseriös“. Schreibers Recherchen gäben „Anlass zu weiter
Nachforschungen aber nicht Anlass zu Misstrauen gegenüber sämtlichen
Moscheegemeinden“, sagte Rohe.
„Ein kleiner Recherchefehler in
solch einem Zusammenhang kann Existenzen bedrohen“
Noch deutlicher wurde die
Professorin für Islamwissenschaft an der Uni-Freiburg Johanna Pink. In einem offenen Brief an die ARD-Chefredakteure, den der Tagesspiegel veröffentlichte,
schreibt sie, dass der Moscheereport „verzerrend, insgesamt einseitig war und
Fehler enthielt“: „Ein kleiner Recherchefehler in solch einem Zusammenhang kann
Existenzen bedrohen, bis hin zu verweigerter Einbürgerung aufgrund der
Mitgliedschaft in bestimmten Moscheevereinen.“
Pink zeigt sich außerdem verwundert über Schreibers Behauptung, kein
Islamwissenschaftler habe mit ihm zusammenarbeiten wollen: „Ich selber und
viele mir bekannte Kolleginnen und Kollegen, die über die Webseiten ihrer
Institute sehr leicht auffindbar sind, hätten Herrn Schreiber gern für
Interviews zur Verfügung gestanden.“
Bei der Gelegenheit hätte
Schreiber auch erfahren können, dass die wissenschaftliche Literatur längst
Antworten auf die Frage bietet, was hinter den Türen von deutschen Moscheen
passiert. So geheimnisumwoben wie Constantin Scheiber auf seiner
Expeditionsreise tut, ist das Thema bei weitem nicht: Wer wirklich daran
interessiert ist, das fremde Leben seiner muslimischen Nachbarn zu verstehen,
dem sei entweder die bereits 2010 veröffentliche Studie des Osnabrücker
Religionssoziologen Rauf Ceylan „Die Prediger des Islam“ oder ein Gang in die nächste Moschee
empfohlen. Die Türen stehen offen – auch für „Deutsche“.