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Israelis, die sich um das Schicksal ihres Landes kümmern, müssen an die Internationale Gemeinschaft appellieren

von Ilana Hammerman, Der Semit, 24. März 2017.
Original:  Israelis Who Care About the Fate of Their Country Must Appeal to the International Community

Infolge des Beitrages von Dmitry Shumsky in
Haaretz auf Hebräisch vom 19.3.2017 (Das Boykottgesetz boykottieren),
füge ich meine Stimme zu seinem Aufruf hinzu und schlage vor, es als
Aktion zum 50. Jahrestag der Besatzung auszurufen. Die
Menschenrechtsorganisationen und die Friedensbewegung in Israel sollten
zusammengehen, sie und alle Israelis, denen das physische und
moralische Schicksal Israels wichtig und teuer ist. Israels Bürger
sollten Mut haben und sich an die internationale Gemeinschaft mit
folgendem Aufruf wenden:

„Wir,
Dutzende [Hunderte, Tausende…] von Bürgern Israels, wenden uns an die
internationale Gemeinschaft und fordern, Israel mit politischen und
wirtschaftlichen Sanktionen zu bestrafen, um es zu zwingen, seine
Bürger von den Gebieten, die 1967 erobert wurden, zurückzuziehen. Wir
gehen diesen Schritt mit Schmerzen, aber auch aus Liebe zu unserem Land
und einer immer größer werdenden Angst, nicht nur um seine moralische
Erscheinung, sondern auch um seine Zukunft und seine Existenz – aber
auch unserer eigenen Existenz. 



Die
internationale Gemeinschaft spricht von der Zwei-Staaten-Lösung, die in
Frieden und Sicherheit Seite an Seite leben sollen: ein jüdischer Staat
und ein palästinensischer Staat. Aber der israelische Staat vereitelt
diese Lösung und macht sie unmöglich. Während 50 Jahre des
Militärregimes in der Westbank, hat Israel sich in direkten und
indirekten Wege über das Land ausgebreitet (inklusiv Ostjerusalem, das
sich heute von Ramallah bis Bethlehem erstreckt) und hat dort ca. 600
000 israelische Bürger in hunderten von Siedlungen angesiedelt. Israel
liefert diesen Siedlungen eine komplette Infrastruktur von Straßen,
Wasser, Strom, baut dort Krankenhäuser und Schulen, und bietet den
Bewohnern die volle israelische Staatsbürgerschaft und alle politischen
und gesellschaftlichen Rechte, die der Staat auch seinen Bürgern
innerhalb der Grenzen von vor 1967 gewährt. Demgegenüber verkleinert
Israel den Lebensraum, die Arbeitsmöglichkeiten und die
Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung. Es verschließt vor
ihnen anhand von Militärerlassen die eigenen Gebiete, indem es große
Flächen zu militärischen Sperrgebieten erklärt, zu denen die
Palästinenser keinen Zugang haben. Dadurch besetzt Israel privaten Grund
und Boden zugunsten seiner eigenen Bürger. Es sperrt die
palästinensischen Ortschaften hinter Stacheldraht und Straßensperren
ein, zerstört Wohnhäuser und verbietet den Bau von Wohnungen. Israel
verhängt über die palästinensische Bevölkerung Kollektivstrafen und hält
tausende von Männer, Frauen und Kinder (seit 1967 mehr als eine
Million) in Gefängnissen und Konzentrationslager. All das entgegen dem
internationalen Recht.



Die
israelischen Siedlungen in der Westbank erlauben den palästinensischen
Bewohnern keine Möglichkeit der Expansion für eine politische,
wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenz. Die Siedlungsblocks und
auch die kleinen Siedlungen schaffen Grenzen zwischen dem Süden und dem
Norden, dem Osten und dem Westen Palästinas. Sie spalten die Gebiete
der sogenannten Autonomie-Verwaltung in unzählige Enklaven und machen
damit eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich.



Seit 1967
findet diese israelische Tätigkeit in aller Öffentlichkeit statt.
Heute ist sie absolut im Einklang mit der offiziellen politischen
Ideologie der Parteien, die die Regierung in Israel bilden, die auch
behaupten, dass ganz „Eretz-Israel“ dem jüdischen Volk allein gehört.
Mehr noch, die religiös-fundamentalistische Basis, die sich mehr und
mehr in den Siedlungen ausbreitet, verwandelt nach und nach den
Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern in einem Konflikt
zwischen Juden und Moslems. Diese gefährliche Entwicklung, die schon
sehr weit fortgeschritten ist, kann am Ende zu einem Religionskrieg
ausarten, der vollkommen außer Kontrolle gerät. Ein solcher Krieg kann
die ganze Region auslöschen.



Diese
gefährliche Lage ist nicht allein eine Sache der Israelis, sondern auch
die Sache der internationalen Gemeinschaft, ganz besonders aber die
Sache der Europäer. Und in der Tat haben die Institutionen der
internationalen Gemeinschaft im Laufe der Jahre und Jahrzehnte viele
Entscheidungen getroffen, um diese gefährliche Situation zu stoppen.
Aber keine dieser Entscheidungen wurde von Israel akzeptiert und schon
gar nicht eingehalten. Am 23. Dezember 2016 hat der Sicherheitsrat der
UNO die letzte Resolution verabschiedet, die Resolution Nummer 2334, die
unter anderem Folgendes besagt:



  • Die Errichtung von Siedlungen
    durch Israel seit 1967 hat keine politische Relevanz und sie bedeutet
    eine eindeutige Verletzung des internationalen Rechts und ein
    wesentliches Hindernis für eine gerechte und friedliche Lösung.
  • Israel muss sofort und endgültig damit aufhören Siedlungen, auf palästinensischen Gebiet zu bauen und zu erweitern.



Aber auch
diese Resolution war ein „zahnloser Tiger“ wie alle davor, weil keine
Schritte und Möglichkeiten für Zwangsmaßnahmen eingebaut wurden. Und so
wurden die Beschlüsse dem Spott preisgegeben.



Aus
diesen Gründen und weil wir uns Sorgen machen, wenden wir uns an die
internationale Gemeinschaft, weil diese verantwortlich ist dafür, dass
Israel die Beschlüsse akzeptiert und honoriert.



Wir
wenden uns an die internationale Gemeinschaft, weil wir – alle Israelis,
die in Israel leben – hier leben wollen, in Frieden an der Seite
unserer palästinensischen Nachbarn. Leben und leben lassen. Unsere
Regierung aber hat den Weg des Krieges gewählt. Nie waren die Dinge so
klar wie heute. Denn wenn es in dieser Region nicht zum Frieden kommt,
wird es hier bald kein Leben mehr geben – nicht für die Palästinenser
und nicht für uns.“




PS: Ich
stelle Sicherheitsminister Gilad Erdan meine persönlichen Daten zur
Verfügung für die Datenbank, die er über Israelis einrichten will, die
für Boykotte, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel und seine
Siedlungen sind: Ich bin 1944 geboren, bin israelische Staatsbürgerin
und wohne in Jerusalem. Ich bin nicht aktiv bei BDS, auch wenn ich mit
meiner israelischen Stimme – von innen und nicht von außen – dazu
aufrufe, Israel zu boykottieren, um es zu zwingen seine Politik zu
überdenken und zu ändern. Mein Kampf ist nicht gegen Israel, sondern
gegen die Politik seiner Regierung gerichtet. Noch ist das
demokratische Gesetz nicht erfunden worden, das mir verbieten könnte, für die humanistischen und universalen Rechte zu kämpfen, an die
ich glaube, im Namen des Lebens,
gegen eine religiöse, nationalistische und rassistische Politik, die uns
hier zum moralischen und physischen Untergang verurteilt.