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Wo die Drogen bereits ein Wirtschaftsfaktor sind

Von Peter
G. Achten, Infosperber,
13. Februar 2017. Seit der demokratischen Öffnung vor sechs Jahren wächst Burmas
Wirtschaft rasant – vor allem Produktion und Handel mit Drogen.
© gk Myanmar, mehr und mehr eine
Tourismusdestination, und mehr und mehr ein Drogensumpf
In
Myanmars Wirtschafts- und Hafen-Metropole Yangon sind Drogen jeden Kalibers
ohne grosse Schwierigkeiten zu erhalten. In den nördlichen Grenzorten zu China
wie Muse werden Heroin und Methamphetamine beinahe so offen verkauft wie
Zigaretten. Kein Wunder, denn Myanmar liegt am berühmt-berüchtigten Goldenen
Dreieck, angrenzend an Thailand, China und Laos. In diesem Gebiet werden Drogen
produziert und vor allem geschmuggelt.
Lukrative
Märkte
China
ist ein grosser Drogenmarkt, insbesondere die ans Goldene Dreieck angrenzende
Provinz Yunnan. Im Reich der Mitte soll es je nach Schätzungen und Statistik
zwischen fünf und fünfzehn Millionen Drogensüchtige geben. Thailand und Vietnam
sind für die Drogenbanden ebenfalls lohnende Märkte. Doch auch In Myanmar
selbst steigt die Nachfrage rasant. Besonders betroffen sind die Bundesstaaten
am westlichen, nördlichen und östlichen Rand hin gegen Bangladesh, Indien,
China und Thailand. Dort ist die Jugendarbeitslosigkeit mit zum Teil weit über
50 Prozent enorm hoch, die Flucht in die Droge verführerisch. Die in illegalen
Labors in den Grenzgebieten verfertigten Methamphetamine sind zudem mit
umgerechnet ein bis zwei Dollar pro Pille im Vergleich zu Heroin relativ
billig. Die Folgen unter den Jugendlichen sind verheerend. Methamphetamine
machen schnell abhängig, fördern Lethargie, aber auch Aggressionen, und führen
nicht selten zu schweren Depressionen.
Krieg
Methamphetamine
– auf Englisch auch Ice oder Chrystal Meth und auf Thailändisch Yaba (verrückte
Droge) – sind seit einigen Jahren ein immer besseres Geschäft. In den
Bundesstaaten Shan, Kachin und Kayin produzieren Labors jährlich bis zu zwei
Milliarden Tabletten. Betrieben werden die Labors meist von Milizen, welche
seit Jahrzehnten im Krieg mit der Tatmadaw – der burmesischen Armee – stehen.
Kommt dazu, dass die Grenzlinien zwischen den Konfliktparteien nicht eindeutig
gezogen sind. Oft sind auch Militärs und Beamte involviert, die unter der Hand
etwas dazu verdienen. Es steht viel Geld auf dem Spiel.
Korrupte
Beamte und Soldaten sind in den nördlichen Bundesstaaten von Myanmar auch im
Spiel, wenn es um die Produktion von Rohopium geht. Gegen Geld schützen sie
sowohl Schmuggler als auch Produzenten. Rund 200‘000 Bauernfamilien bauen nach
UNO-Angaben auf über 500 Quadratkilometern Schlafmohn an. In Labors, ebenfalls
in den entlegenen Grenzgebieten, wird daraus hochwertiges Heroin produziert.
Heute ist Myanmar nach Afghanistan der weltweit zweitgrösste Opium- und
Heroin-Produzent. Der Anbau von Mohn und die Produktion von Heroin hat sich in
Myanmar laut Angaben der Vereinten Nationen in den letzten zehn Jahren mehr als
verdoppelt.
Bekämpfung
der Armut
Die
noch junge, demokratisch gewählte Regierung der Nationalen Liga für Demokratie
unter der Führung der Staatsrätin, Aussenministerin und
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat dem Drogenübel vorerst wenig
entgegenzustellen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der wirtschaftlichen
Entwicklung und der Bekämpfung der Armut. Rund fünf Jahrzehnte harter
Militärherrschaft hat auch dazu geführt, dass zur gleichzeitigen Lösung aller
Probleme ganz einfach zu wenig finanzielle Ressourcen und vor allem zu wenig
ausgebildete Fachleute vorhanden sind. Die Regierung arbeitet so beim
Drogenproblem mit der amerikanischen Drug Enforcement Administration DEA
zusammen. Die Vereinten Nationen haben zudem seit 2014 Programme lanciert, um
die Bauern vom Mohn-Anbau abzubringen. Die Alternativen Gummi, Mais oder Kaffee
sind freilich im Vergleich zum Mohnanbau wenig lukrativ und deshalb bislang nur
selten erfolgreich.
Harter
Entzug
Den
drogenabhängigen Jugendlichen hat die Regierung ebenfalls wenig anzubieten.
Kaum Arbeitsplätze und wenig Hilfe beim Entzug. Nur am Weltdrogentag – dem 26.
Juni – werden jeweils öffentlich und live am Fernsehen Drogen verbrannt. Das
ist wenig mehr als eine Alibiübung. In einigen Gliedstaaten, unter anderem im
christlich geprägten Kachin an der Grenze zu Indien und China, wo rund 70
Prozent der Jugendlichen von Drogen abhängig sein sollen, wird von Bürgern
reagiert. In der grössten Kachin-Stadt Myitkyina zum Beispiel betreiben
Christen Rehabilitationszentren. Mit aller Härte allerdings, d.h. ohne
Medikamente und nur mit dem Wort Gottes. Die burmesische Regierung befürwortet
die harte Gangart.
Drogen-Mönch
Vor
kurzem drang das Drogenproblem überdeutlich ins Bewusstsein der Bewohner von
Myanmar. Eine direkt der Regierung unterstellte Polizeieinheit nahm im
westlichen Bundesstaat Rakhine an der Grenze zu Bangladesh einen buddistischen
Mönch fest. Dieser fuhr, wie die «Myanmar Times» berichtet, in einem japanischen
Luxus-SUV, am Steuer ein Novize, durch die Stadt Maungdaw. Im Wagen des
friedlichen Mönchs – noch dazu ein Abt wie sich herausstellen sollte – wurden
400‘000 Tabletten Methamphetamin sichergestellt. Bei der Durchsuchung des
Klosters kamen über vier Millionen Yaba-Tabletten sowie eine Handgranate sowie
Waffen und Munition zum Vorschein. Im buddhistisch geprägten Burma kam diese
Nachricht einer Sensation gleich. Nicht zuletzt auch deshalb, weil seit der
demokratischen Öffnung buddhistische Mönche sich zunehmend lautstark in
politische Angelegenheiten mischen. So wird von buddhistischen Mönchen gegen
die kleine Minderheit der Moslems im Land – je nach Statistik zwischen vier und
acht Prozent der Bevölkerung – im Internet und auf Flyern aufs übelste gehetzt.
Drogen
als Wirtschaftsfaktor
Das
Beispiel des buddhistischen Drogen-Mönchs zeigt, dass Drogen derzeit in Myanmar
allgegenwärtig sind. Dies umso mehr, weil die Wirtschaft seit der
demokratischen Öffnung vor sechs Jahren blüht. Das Brutto-Inlandprodukt (BIP)
wächst seit 2010 mit annähernd acht Prozent pro Jahr. Das BIP pro Kopf ist in
den letzten zehn Jahren von 345 Dollar auf 1‘300 Dollar gestiegen. Dabei
spielten und spielen Profite aus dem illegalen Drogenhandel eine nicht zu
unterschätzende Rolle. Vor allem im Immobilien-Sektor und beim Ausbau der
desolaten Infrastruktur – Strassen, Brücken, Dämme, Airports, Häfen, Eisenbahn
oder Telecom – sind Firmen tätig, deren Gründer mit Drogenhandel oder
Drogenproduktion in Verbindung gebracht werden. Enge Beziehungen zum Militär
waren und sind dabei auch nicht hinderlich.
Null-Toleranz
Solange
die unruhigen Grenzregionen der ethnischen Minderheiten nicht befriedet sind,
bleiben synthetische Drogen und Opium-Derivate ein lebensbedrohendes Problem
für Myanmar. Dies umso mehr, als riesige Absatzmärkte wie China, Thailand,
Vietnam und das eigene Land lukrative Profite garantieren. Doch auch die Märkte
in Amerika und Europa versprechen maximalen Gewinn. Für Mohnbauern,
Labor-Produzenten, Drogenschmuggler, Transporteure und Meth-Verkäufer ist das
Risiko gross. Die Gesetze in Myanmar und anderswo in Asien sind eindeutig und
hart nach der Devise Null-Toleranz. In Burma etwa wird man auf unübersehbaren
Plakaten – zum Beispiel am Flughafen in Yangon bei der Einreise – darauf aufmerksam
gemacht, dass Drogen verboten sind und die Todesstrafe droht. Der Profit
freilich muss wohl grösser sein als das Risiko.