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UN-Bericht: Massenvergewaltigungen und Morde in Myanmar

von Islamische
Zeitung
, 7. Februar 2017.
  

flickr|AK Rockefeller

Dhaka (dpa) – Die uniformierten Männer kamen am
hellichten Tage. Sie drangen in die kleine Hütte ein, erschlugen den
Holzfäller, der dort lebte, vor den Augen seiner Frau und kleinen Kinder.
Zivilisten, die mit ihnen gekommen waren, setzten die Hütte in Brand. Dann
verschwanden sie wieder.
Die Frau, die diese Geschichte erzählt, will nur
ihren Vornamen verraten. Aara ist eine von tausenden Frauen und Kindern, die
auf einem etwa 15 Kilometer langen Stück Straße in Bangladesch sitzen und um
ein wenig Essen betteln. Sie sind Flüchtlinge aus der Provinz Rakhine im
benachbarten Myanmar. Rund 66 000 Menschen haben in den vergangenen Monaten von
dort den Weg nach Bangladesch auf sich genommen, in eine ungewisse Zukunft.
Geschichten wie Aara erzählen die Frauen und Kinder
hier zuhauf. Der neunjährige Ankit erzählt, wie er sich unter den Bodenplatten
seiner Hütte versteckte, während Angreifer seinen Vater und seine Schwester
umbrachten. Die 20-jährige Shahor berichtet, wie mehr als ein Dutzend Soldaten
zuerst ihren Mann töteten und sie dann vergewaltigten.
Seit Anfang Oktober ist in Rakhine eine neue
Gewaltwelle gegen die muslimische Minderheit der Rohingya ausgebrochen. Rund
1,1 Millionen von ihnen leben geschätzt in Myanmar – jedoch mit deutlich
weniger Rechten als die buddhistische Bevölkerungsmehrheit. Die Rohingya gelten
für die Regierung nicht als Staatsbürger und werden schon zu Friedenszeiten
durch eine ausufernde Bürokratie drangsaliert. Schon über Nacht ein Nachbardorf
zu besuchen, macht einen komplizierten Genehmigungsprozess nötig. Wer sich
nicht daran hält, muss mit Repressalien rechnen.
Doch der Tod von neun Grenzwachen im Oktober hat
die Gangart der Sicherheitskräfte noch einmal deutlich verschärft – mit den
Rohingya als Leidtragenden. Inzwischen sind große Teile der Region abgeriegelt,
die Militärpräsenz deutlich erhöht und selbst Staatsmedien berichten von mehr
als 100 Toten. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, wie ein aktueller
Bericht der Vereinten Nationen nahelegt, für den UN-Beauftragte mehr als 200
Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch befragt hatten. Massenvergewaltigungen,
Prügel und Tötungen, auch von kleinen Kindern und Babys, durch die
Sicherheitskräfte Myanmars seien seit Oktober an der Tagesordnung, heißt es
dort.
In der Kritik steht deshalb auch Myanmars
Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Schon zuvor hatten Organisationen wie Human
Rights Watch und auch benachbarte Länder der Regierung der
Friedensnobelpreisträgerin vorgeworfen, in Rakhine würden die Menschenrechte
der Rohingya verletzt. Die meisten dieser Vorwürfe stritt man in Ragun jedoch
ab. Nach dem UN-Report sagte nun ein Regierungssprecher, man sei «zutiefst
besorgt» und kündigte an: «Überall, wo es klare Beweise für Missbrauch und
Gesetzesbruch gibt, werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen.»
Bangladesch mit seiner hauptsächlich muslimischen
Bevölkerung gilt vielen Rohingya inzwischen als letzte Hoffnung. Viele
berichten davon, wie sie sich wochen- oder sogar monatelang in Myanmar
versteckten, bis sie endlich die Grenze überqueren konnten. «Ich musste
Schleppern 200 000 Kyat (rund 136 Euro) zahlen, damit sie meine neun Kinder und
mich über den Grenzfluss bringen», erzählt der Farmer Syed Amin, dessen Heim
ebenfalls neidergebrannt wurde. Wer sich die Schlepper nicht leisten kann,
versucht oft schwimmend oder an Holz- und Plastikstücke geklammert, nach
Bangladesch zu gelangen.
Doch auch dort ist man mit dem starken Zustrom
überfordert. Die meisten Flüchtlinge leben zurzeit im grenznahen Distrikt
«Cox’s Bazar», wo bereits seit Jahrzehnten knapp 30 000 offiziell registrierte
Rohingya leben. Die Dunkelziffer ist jedoch deutlich größer. Bis zu zehn Mal so
viele Rohingya, so schätzen die Verantwortlichen, halten sich inzwischen dort
auf. Die meisten von ihnen leben in einfachen Hütten aus Bambus und
Plastikplanen, notdürftig abgedeckt mit Ästen und Laub.
Die Regierung spricht offiziell immer noch davon,
dass die Rohingya Staatsbürger Myanmars seien und dorthin zurückkehren müssten.
So lange eine Rücknahme nicht in Sicht ist, hat man nun einen eigentlich 2015
eingemotteten Plan wieder aus der Schublade gezogen. Auf der Insel Hatiya
sollen dauerhafte Flüchtlingslager eingerichtet werden. Das Problem, warum
Hilfsorganisationen der Plan bereits vor zwei Jahren heftig kritisierten: Die dafür
vorgesehenen Teile der Insel stehen einen großen Teil des Jahres unter Wasser.