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Trumps Muslim Ban ist Teil der islamfeindlichen US-Agenda Die Islamophobie zog nicht erst mit Trump ins Weiße Haus ein

von Jakob Reimann, Justice Now, 2. Februar 2017. Trumps Muslim Ban ist zutiefst rassistisch, illegal, spielt den Dschihadisten dieser Welt enorm in die Hände und gehört deswegen zu Fall gebracht. Doch die Annahme, die Islamfeindlichkeit zog erst mit Trump ins Weiße Haus ein, ist grotesk falsch, denn die USA führen seit Jahrzehnten Krieg gegen die islamische Welt.



Zum Holocaust Memorial Day wurde am vergangenen Freitag weltweit der Millionen Opfer des Weltverbrechens der Hitler-Diktatur gedacht – und der unzähligen vom Rassenwahn der Nazis in die Flucht Getriebenen, darunter Tausende jüdische Flüchtlinge, die von den USA abgewiesen und in die Gaskammern zurück nach Europa geschickt wurden. US-Präsident Trump hätte sich kein unpassenderes Datum zur Unterzeichnung seines höchst umstrittenen Präsidialerlasses suchen können, der als Muslim Ban in die Geschichte eingehen wird.

Familien werden auseinandergerissen

Der Präsidialerlass verbietet für 90 Tage die Einreise von Staatsbürgern aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern: Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien. Weiterhin wird für Menschen egal welcher Herkunft das Recht auf Asyl 120 Tage lang ausgesetzt. Ausgerechnet für Flüchtlinge aus dem aus humanitärer Sicht wohl verheerendsten Krieg dieses Planeten – Syrien – wird das Recht auf Asyl dauerhaft ausgesetzt. Der Muslim Ban ist nicht „nur“ völkerrechtswidrig, da das Recht auf Asyl in unzähligen internationalen Abkommen verbrieft ist, sondern bricht er auch die Verfassung der USA, welche explizit die Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Religion verbietet.
Als direkte Folge des Muslim Ban kam es in den Stunden und Tagen nach Unterzeichnung zu heillosem Chaos an Flughäfen weltweit, während eine Vielzahl von Menschen in US-Flughäfen inhaftiert wurde, darunter viele in den USA arbeitende und lebende Personen. „Viele Familien werden auseinandergerissen, Eltern können ihre Kinder nicht mehr sehen,“ beschreibt die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai gegenüber der FAZ die persönliche Dimension und die familiären Schicksale. „Trumps Dekret ist unmenschlich und ungerecht.“
Der Muslim Ban gilt potentiell auch für mehr als 100.000 deutsche Doppelstaatler, darunter einige Parlamentarier mit zweiter Staatsbürgerschaft, die im Auftrag des Bundestags in den USA unterwegs sind. So erklärt MdB der Linken Niema Mossavat auf Facebook, er als Deutsch-Iraner könne seine Dienstreisen mit entwicklungspolitischem Hintergrund zur UN in New York von nun an nicht mehr wahrnehmen. „Es ist unglaublich, dass Parlamentsmitglieder und Millionen anderer Menschen wie Terroristen behandelt werden,“ empört sich Mossavat im Interview mit der Washington Post. „Es geht hier nicht um die Bekämpfung von Terrorismus, es geht um rechtsextremen Populismus und um Faschismus.“
Die Reaktionen auf Trumps Muslim Ban waren allzu vorhersehbar: der Irak verhängte im Gegenzug ein Einreiseverbot für US-Bürger, der Iran kündigte Selbiges an, eine Vielzahl sudanesischer Staatsbürger plant, die Trump-Administration zu verklagen, Jemens Regierung bezeichnet den Erlass als „illegal“. Auch US-Verbündete – und ebenfalls mehrheitlich muslimische Länder – wie die Türkeiund Pakistan sprachen sich vehement gegen Trumps Erlass aus. Wie zu erwarten war, feierte die islamophobe Rechte im Westen Trumps Muslim Ban ausgiebig. So etwa Geert Wilders in den Niederlanden, Australiens Premier Malcolm Turnbull, oder „Mr. Brexit“ Nigel Farage, der sich Ähnliches für Großbritannien wünscht. 
Bereits Trumps Wahlkampf ging einher mit einem ungekanntem Anstieg von Hassverbrechen, der nach seinem Wahlsieg im November weiter „in die Höhe schoss,“ und sich nach dem Inkrafttreten des Muslim Ban in einer neuen Welle der Gewalt gegen Muslime entlud. So ist eine Moschee in Texas vollständig ausgebrannt und bei einem Amoklauf auf eine Moschee in Quebec wurden sechs Menschen getötet und acht weitere verletzt.

Jede Menge Hintertürchen

Mit der Befristung auf einige Monate hat Trumps Muslim Ban derzeit noch einen temporären Charakter und angesichts der Sprunghaftigkeit und der Dünnhäutigkeit des Präsidenten müssen generell selbst die vagsten politischen Prognosen ins Reich der Spekulation verbannt werden. Nichtsdestotrotz sind angesichts der Tatsache, dass der Muslim Ban seit jeher zu Trumps Kernforderungen gehörte, heftige Zweifel an dessen vorübergehender Natur mehr als angebracht.
Mit dem zeitlich unbegrenzten Einreiseverbot explizit für Syrer ist bereits jetzt ein gefährlicher Präzedenzfall niedergeschrieben, dessen Permanenz problemlos auf weitere Herkunftsländer ausgedehnt werden kann. Neben der zeitlichen Ausdehnung ist auch eine räumliche Ausdehnung auf weitere „Territorien“ nicht nur denkbar, sondern höchstwahrscheinlich. Denn der Erlass sieht vor, dass dem Präsidenten nach 60 Tagen vom Außen- und vom Heimatschutzministerium eine weitere Liste von Ländern zur Unterschrift vorgelegt wird, deren Bürgern künftig ebenfalls die Einreise in die USA verboten werden soll. Diese Liste kann explizit zu jedem späteren Zeitpunkt weiter verlängert werden. Trumps Stabschef Reince Priebus kündigte bereits an, als nächstes Pakistan auf die Liste setzen zu wollen.
Angesichts der perfiden Natur des Erlasses mit all seinen Hintertürchen einerseits, und andererseits der Tatsache, dass die Trump-Administration ein historisch beispielloser Zusammenschluss von rassistischen, christlich-fundamentalistischen Fanatikern ist, sollten wir die reelle Gefahr anerkennen, dass er tatsächlich den Grundstein gelegt hat nicht nur für eine Isolation nach Außen, sondern auch für eine ethnisch-religiöse Säuberung der Vereinigten Staaten im Innern und so Hand in Hand mit der ohnehin weitverbreiteten Pogromstimmung den Hass, die gesellschaftliche Ausgrenzung und die Gewalt gegen Muslima und Muslime auf ein extremes Maß eskalieren könnte.

„Das ist kein Muslim Ban.“

Heftige Diskussionen kamen auf, ob die Bezeichnung „Muslim Ban“ überhaupt angebracht sei, und ob es nicht tatsächlich vielmehr um Terrorismusprävention gehe.

„Um es klar zu sagen, das ist kein Muslim Ban,“ erklärte Trump selber während der Unterzeichnung des Erlasses. „Es geht nicht um Religion.“ Trumps Versuche, den Muslim Ban aus der islamophoben Ecke herauszuholen, entlarven sein falsches Spiel und seine heuchlerische Verlogenheit. Denn Ende 2015 forderte Trump noch unverblümt „den totalen und vollständigen Einreisestopp für Moslems in die USA.“ Im vergangenen Juli sprach ihn NBC’s Chuck Todd dann explizit auf den „Muslim Ban“ an, worauf Trumperwiderte: „Alle Leute waren sauer, als ich das Wort Moslem benutzt habe. Oh, du darfst das Wort Moslem nicht benutzen. Merke dir das. Das ist okay für mich, denn ich werde jetzt statt von Moslems von Territorien reden.“
Exakt diese offen angekündigte Orwell’sche Wortakrobatik erleben wir nun. Im Wortlaut des Präsidialerlasses tauchen die Wörter „Moslem“ oder „Islam“ in der Tat kein einziges Mal auf, sondern nur die Namen der sieben Länder („Territorien“). Doch wir müssen an dieser Stelle exakt bleiben und uns unsererseits von Trumps Doktrin der „alternativen Fakten“ nicht infizieren lassen. Auch wenn die sieben betroffenen Länder überwiegend von Muslimen bewohnt sind, wäre eine Pauschaldiskriminierung der gesamten Bevölkerung eines Landes formal kein antimuslimischer Akt, da es auch verhältnismäßig große religiöse Minderheiten in diesen Ländern gibt – in Syrien leben beispielsweise rund 10 Prozent Christen –, die ebenfalls vom Erlass betroffen wären. Doch genau das ist eben nicht der Fall. Der Erlass spricht davon, Menschen nach der 120-tägigen Totalsperre im Asylverfahren aufgrund „religiöser Verfolgung … Prioritäten einzuräumen“, was bis hierhin absolut legitim und vernünftig ist. Der rassistische Skandal liegt versteckt im folgenden Nebensatz: „unter der Voraussetzung, dass diese Menschen einer religiösen Minderheit angehören.“ – in mehrheitlich muslimischen Ländern folglich ein Ausschluss von Muslimen per Definition. Mit diesem rhetorischen Taschenspielertrick werden muslimische Flüchtlinge dauerhaft aus den USA verbannt, ohne ein einziges Mal das Wort „muslimisch“ zu gebrauchen. Ein sudanesischer Kopte kann in Zukunft in den USA Asyl beantragen, seine muslimische Nachbarin nicht.
Trumps Erlass ist demnach in der Tat ein rassistischer, islamophober Akt gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
„Terrorprävention“ oder Trumps Geschäftsinteressen?
MdB der Linken Sahra Wagenknecht – die als Deutsche mit iranischem Vater potentiell ebenfalls vom Ban betroffen ist – macht auf einen weiteren wichtigen Punkt aufmerksam, der Trumps politisches Kalkül und „die ganze Verlogenheit seiner Politik“ illustriert: „Zugleich bleiben die Kopf-ab-Diktaturen am Golf, die den islamistischen Terror tatsächlich weltweit fördern und aggressive Terrormilizen hochrüsten und finanzieren, weiterhin die besten US-Verbündeten,“ äußerte sich Wagenknecht gegenüber JusticeNow!. „Trump geht es also nicht darum, islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, sondern Stimmung zu machen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen.“
Während der Unterzeichnung des Muslim Bans versicherte Trump jedoch genau das: „Es geht um Terror und die Sicherheit unseres Landes.“ Es gehe darum, „radikalislamistische Terroristen aus den USA fernzuhalten.“ Ein kurzer Blick auf die Länderauswahl auf Trumps Liste genügt jedoch, um zu erkennen, dass das Label „Terrorismusabwehr“ nur eine Farce ist, und das Legitimationskonstrukt „nationale Sicherheit“ schnell wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Im Wortlaut des Erlasses geht Trump explizit auf die Anschläge vom 11. September 2001 ein, doch 15 der 19 mutmaßlichen Attentäter kamen aus Saudi-Arabien, zwei weitere aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, und je einer aus Ägypten und dem Libanon. Doch keines dieser Länder ist Teil von Trumps Muslim Ban. Auch die weiteren größeren Terroranschläge auf US-Boden der vergangenen Jahre wurden nicht von Menschen aus den sieben Ländern begangen. „Zwischen 1975 und Ende 2015 wurde auf amerikanischem Boden nicht ein einziger Amerikaner durch einen Terroranschlag von einem Bürger dieser sieben Länder getötet,“ wie das konservative Cato Institute analysiert. Trumps Muslim Ban „ist die Antwort auf eine Phantombedrohung.“
Als milliardenschwerer, global tätiger Geschäftsmann brachte Trump selbstredend extreme Interessenskonflikte mit ins White House. Zu seinen Geschäftspartnern gehören solche aus einigen der brutalsten Regimes in Middle East, aus General el-Sisis Ägypten etwa oder aus den Vereinigten Arabischen Emirate, insbesondere pflegt Trump jedoch mit der faschistischen Diktatur in Saudi-Arabien – dem Terrorunterstützer Nummer 1 – engste Geschäftsbeziehungen. Diese Geschäftspartner dürfen natürlich nicht bloßgestellt oder verärgert werden, indem sie auch auf Trumps Blacklist gesetzt werden. Und so sind neben der strategisch wichtigen Bedeutungdieser Länder im „War on Terror“ Trumps persönliche finanzielle Geschäftsinteressen der Hauptgrund, weshalb wir die größten Terrorunterstützer dieses Planeten nicht auf Trumps „Antiterror“-Liste wiederfinden.
Trumps Muslim Ban ist von wirtschaftlichem und politischem Kalkül getrieben. Er reiht sich ein in die Liste rassistischer, medienwirksamer Eilmaßnahmen, reiner Wohlfühlpopulismus adressiert an die rassistischen Teile seiner Basis, so wie auch seineGrenzmauer nach Mexiko. Das Einreiseverbot wird weder die USA noch die Welt sicherer machen. Es wird vielmehr terroristische Anschläge im In- wie im Ausland wahrscheinlicher werden lassen und das gesellschaftliche Klima in den USA weiter vergiften.

Im Westen nichts Neues


Bei all der berechtigten Empörung, die Trump für seinen zutiefst rassistischen Erlass entgegenschlägt, wird gerne so getan, als wäre der Muslim Ban ein präzedenzlos grauenhafter Erlass, als wäre der Hass auf den Islam erst mit Donald Trump ins White House eingezogen. Diese Darstellung ist grotesk falsch und ein schändliches Whitewashing der vorherigen US-Präsidenten – insbesondere von Barack Obama. Trump ist nichts weiter als der nächste Präsident, der den jahrzehntelangen Krieg der USA gegen muslimische Länder und deren Zivilisten fortführt. Allein seit 1980 regneten auf mindestens 14 mehrheitlich muslimische Länder US-amerikanische Bomben nieder. Sieben der acht Länder, die Friedensnobelpreisträger Obama bombardiert hat, waren muslimische Länder im Orient. Die abscheulichen Gräueltaten der Bush-Administration und deren Entmenschlichung von Muslimen sind allseits bekannt. Kaum weniger bekannt ist der Umstand, dass Bill Clinton mithilfe von Knebelsanktionen einen erbarmungslosen Krieg gegen die irakische Zivilbevölkerung führte, und so indirekt 576.000 irakische Kleinkinder ermordete.
Glenn Greenwald von The Intercept bezeichnet Trumps Muslim Ban daher treffend als „die Krönung der War on Terror-Mentalität.“ Ohne den 15-jährigen post-9/11 Krieg gegen den Islam, wäre der Muslim Ban heute unmöglich gewesen. Trumps islamfeindliche Politik wurde von Bush und Obama „moralisch und rechtlich“ vorbereitet, die beiden legten „das Fundament zur Normalisierung von Islamophobie,“ urteilt das linksprogressive Magazin The New Arab. Der von Falken in Washingtoner Neocon-Think Tanks herbeigesehnte Kampf der Kulturen ist lange Realität, und jeder US-Präsident der jüngeren Geschichte leistete einen enormen Beitrag zu dessen Implementierung. Trump ist in dieser Hinsicht kein grundsätzlich neues Phänomen, die Grundausrichtung seiner Politik ist vielmehr fest im US-Establishment verankert. Trump ist in der Ausführung einfach noch radikaler als seine Vorgänger und poltert wesentlich lauter bei allem, was er tut.
Und der sogenannte Islamische Staat ist der wohl größte Nutznießer dieser offen islamfeindlichen Politik. Bereits im November feierte die Dschihadisten-Szene euphorisch Trumps Wahlsieg. Denn der IS schöpft seine Macht und Anziehungskraft in erster Linie aus dem globalen Hass gegenüber dem Islam – und Trump ist dessen mächtigste Inkarnation. Anfang 2015 beschreibt der IS in seinem englischsprachigen Online-Magazin Dabiq offen seine Strategie: Die „Grauzone“ der friedlichen Koexistenz der Religionen müsse „eliminiert“ werden, dafür müssten „Feindschaften“ zwischen muslimischen Communities und den westlichen Gesellschaften geschaffen werden. Entlang eines infantilen Gut-gegen-Böse-Konstrukts müsse sich die globale Muslimenschaft entscheiden: entweder „vom Glauben abfallen“ und im Westen als Ausgestoßene unter „Kreuzrittern“ ein elendes Dasein fristen, oder den frommen Dschihadisten des IS die Treue schwören. Der Islamhass der Trump-Administration – ob nun der Schlachtruf von Trumps Sicherheitsberater Mike Flynn „Ich bin im Krieg mit dem Islam!“ oder eben der Muslim Ban, der in der islamischen Welt natürlich als Angriff auf den Islam interpretiert wird – spielt genau in die IS-Propaganda des Opfermythos hinein und der radikale Dschihadismus kann sich als Schutzpatron der unterdrückten Muslime gebärden.
Zwischen den radikalen Islamisten vom IS, al-Qaida & Co. auf der einen und den radikalen Christianisten in Trumps Kabinett und den Neonazi-Schlägertrupps seiner Basis auf der anderen Seite bestehen bemerkenswerte Gemeinsamkeiten. Beide sind überzeugt, ihre Religion müsse mit Schwert und Sprengstoff die restliche Welt unterjochen. Beide führen Krieg gegen den anderen Glauben und gegen jegliche Form des Andersdenkens. Und vor allem sind beide Seiten besessen von der Sehnsucht nach einem apokalyptischen Endkampf zwischen Islam und Christentum.
Der dschihadistische Terror und Trump leben in einer Symbiose, in einer sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkung speist sich die Macht des einen aus der Macht des anderen. Der von niederstem Rassismus diktierte Muslim Ban ist ein zentraler Bestandteil in diesem giftigen Spiel mit dem Feuer. Er ist eine Schande und gehört zu Fall gebracht.

Title image by Lorie Shaull, flickr, licensed under CC BY-SA 2.0 (edited by JusticeNow!).