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Auch die Bildung soll zum privaten Business werden

Von
Christian Müller, Infosperber,
5. Februar 2017 – Der avenirsuisse-Vordenker Gerhard Schwarz plädiert für
ein Bildungssystem nach USA-Vorbild. Das Geld entscheidet, wer weiterkommt.
Dass
Gerhard Schwarz, ehemaliger Leiter der NZZ Wirtschaftsredaktion und späterer
Direktor der sogenannten Denkfabrik «
avenirsuisse», gelegentlich Unsinn
erzählt, weiss man. Infosperber hat etliche Male darüber berichtet. Sätze wie
«In einer freiheitlicheren Ordnung als den real existierenden westlichen
Gesellschaften ginge es den sozial Schwachen besser, der Umwelt besser und den
Frauen besser als heute» rufen nach 
KommentierungDifficile est satiram
non scribere
, sagten die alten Römer: Es ist manchmal schwierig, KEINE
Satire zu schreiben…
Unsinn
zu erzählen ist das gute Recht von Gerhard Schwarz. In einer freien
Marktwirtschaft, wie er sie vertritt, hat selbstverständlich auch das Platz.
Problematischer wird es, wenn er auf seine kluge Art argumentiert, um politisch
etwas zu bewirken, das Ziel aber, das er dabei anstrebt, nicht konkret beim
Namen nennt. So zum Beispiel in seiner Kolumne «Schwarz auf Weiss» –
Gerhard Schwarz auf weissem NZZ-Papier – vom 4. Februar in der NZZ. «Nutzer
sollten für Bildung zahlen», heisst da die Headline, nicht etwa «Studenten
sollten für Bildung zahlen», wie das andere sagen würden, denn für Schwarz sind
die Studenten einfach die «Nutzer» eines Angebots: Business as usual.
Soweit ist Gerhard Schwarz noch ehrlich.
Dann
allerdings argumentiert er geschickt gegen das Schweizer «Dogma», wie er es
nennt, wonach die Bildung vom Staat bezahlt werden soll. Mittlerweile habe die
Bildung ja nicht mehr nur in jungen Jahren zu erfolgen, sondern sei im
Zeitalter des immer wieder Neulernens ja zur lebenslangen Notwendigkeit
geworden. Der Schluss daraus, also habe auch Weiterbildung vom Staat bezahlt zu
werden, ist für Schwarz allerdings ein Fehlschluss, denn es müsse umgekehrt
sein: Schon die Bildung am Anfang des Lebens müsse privat bezahlt werden.
Wörtlich: «Der erfolgversprechendere Weg wäre der umgekehrte: eine Abkehr von
der jetzigen kollektiven Giesskannenfinanzierung und eine Hinwendung zu mehr
Nutzerfinanzierung nicht erst in der Weiterbildung, sondern schon in der
Erstausbildung ( ).» «Das würde», so Gerhard Schwarz weiter, «die Verweildauer
an den Universitäten verkürzen» und «zu einer verantwortungsbewussteren
Studienwahl führen.»
Verantwortungsbewusstere
Studienwahl? Interessant! Wie verhält sich ein «Nutzer», wenn er
«verantwortungsvoll» «nutzen» will? Er nutzt nur noch das, was zu einem höheren
Einkommen führt. So will es die Marktwirtschaft. Und damit wäre das von den
Neoliberalen längst geforderte Totenglöcklein für Fächer der
Geisteswissenschaften, also Sprachen, Geschichte, Philosophie, Psychologie oder
auch Soziologie, schon wieder mal NZZ-weit zum Klingen gebracht.
Zu
lernen, wie man aus viel Geld noch mehr Geld macht, so wie es Donald John Trump
im Privatinternat New York Military Academy und
anschliessend an der jesuitischen Privatuniversität Fordham University in New York City
gemacht hat, hat mit Bildung wenig zu tun. Klar, Trump ist in seinem Business,
dem Immobilien Business, gutausgebildet, aber ein gebildeter Mann
ist er deshalb noch lange nicht. Dass er keine Bücher liest, hat er selber
zu Protokoll gegeben.
Wen
wundert’s, wie die Welt heute aussieht, wenn die sogenannte «Elite», die
Politiker, gerade noch studiert haben, wie man sich selber besserstellt, aber
keine Ahnung davon haben, wie diese heutige Welt entstanden ist? Und welche
Fehler es künftig zu vermeiden gälte?
Gerhard
Schwarz plädiert mit seiner neusten Schwarz/Weiss-Kolumne – ohne es so
auszusprechen – für ein Bildungssystem, wie es die USA bereits realisiert
haben: Das Bildungssystem ist weitestgehend privatwirtschaftlich und rein
kommerziell organisiert. Ob man weiter «nach oben» kommt, hängt allein davon
ab, wie weit man schon «oben» ist. Nur das Geld entscheidet, wem künftig noch
mehr Geld zufliesst.
Wollen
wir das wirklich?
Auch
in Europa?