General

UN-Experte trifft Menschenrechtsaktivisten in Mexiko

Von Philipp Gerber, Amerika21,
27. Januar 2017.
UN-Experte Forst in der Schule von Ayotzinapa,
Mexiko
Mexiko-Stadt. In Mexiko sind Menschrechtler und Journalisten nach Ansicht eines
ranghohen UN-Vertreters systematisch von Gewalt bedroht. Dies gelte vor allem,
wenn es sich um Frauen oder Mitglieder indigener Gemeinden handelt. Auf diesen
Umstand machte Michel Forst, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur
Situation von Menschenrechtsverteidigern, zum Abschluss einer achttägigen
Mexiko-Reise aufmerksam. Zu Beginn des Besuchs hatte er unter dem Titel “Fühlt ihr euch sicher?” ein Dossier zur Lage der
Menschenrechte veröffentlicht.
Forst traf sich mit rund 800 Menschenrechtsaktivisten, davon 60 Prozent
Frauen, sowie mit Behördenvertretern in mehreren Bundesstaaten, darunter
Chihuahua, Guerrero und Oaxaca. Er kritisierte das “weiterhin alarmierend
hohe Gewaltniveau”, das die gesamte Bevölkerung Mexikos in Mitleidenschaft
ziehe, und den Teufelskreis der Gewalt aus Korruption, Geldwäsche,
organisierter Kriminalität und Straflosigkeit.
Bezüglich der Situation der Menschenrechtsverteidiger betonte Forst, dass
ein Großteil der Angriffe gegen sie nicht vom organisierten Verbrechen, sondern
von den staatlichen Sicherheitselementen kämen, also Polizei und Militär. Die
Ziffer der Ermordeten und Verschwundenen “ist nur die Spitze des Eisbergs,
um ehrlich zu sein”, meinte Forst auf Nachfragen der Journalisten.
Der UN-Experte besuchte unter anderem auch die Akademie zur Ausbildung von
Lehrern in Ayotzinapa im Süden des Landes. Dort kam er mit Mitgliedern der 43
Familien zusammen, die weiterhin in der Ungewissheit leben, was mit ihren
Söhnen geschehen ist, die am 26. September 2014 von Polizisten entführt wurden.
Während des Aufenthalts von Forst in Mexiko wurde zudem der renommierte
indigene Umweltschützer Isidro Baldenegro López im Bundesstaat Chihuahua
erschossen, was das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte umgehend verurteilte.
Auf Seiten der Aktivisten sieht Forst ein Defizit bei der Vernetzung und
den Bedarf stärkerer Zusammenarbeit. Den mexikanischen Behörden legt Forst vor
nahe, die Straflosigkeit zu beenden und Menschenrechtsverteidigern starke,
öffentliche Rückendeckung für ihre Arbeit geben, um so die Gefahr von Angriffen
zu minimieren. In der Realität, so der Experte in seiner Einleitung, sehe das
anders aus: “Umweltterrorist”, “Fortschrittsverhinderer”
und ähnliche Diffamierungen habe er in den Gesprächen mit Behörden häufig
gehört. Solche Bezeichnungen fielen in Mexiko im Zusammenhang mit erfolgreichen
indigenen Widerständen gegen Großprojekte im Energie- und Bergbausektor. So
zitierte das Wirtschaftsblatt “El Financiero” das führende
Finanzanwaltsbüro Rich Muller mit der Aussage,
diese indigenen Gemeindeverteidiger seien “Talibane des Umweltschutzes,
Talibane in indigenem Recht”.
Eine erste Analyse von Forst kann auf der Seite des UN-Menschenrechtshochkomissariats in
Mexiko
 nachgelesen werden. Seinen Schlussbericht wird er im
März 2018 im UN-Menschenrechtsrat vorstellen.