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UNTERNEHMEN ALS CHANCENGEBER „Der Betrieb ist der beste Deutschlehrer“

Von Leonore Kratz, MiGAZIN,
15.12.2016. Der Verein „Zukunft Plus“ vermittelt Flüchtlingen einen
Praktikumsplatz, bietet berufsbezogene Deutschkurse oder hilft bei der
Bewerbung. Hassan Chmo aus Syrien arbeitet jetzt in einer hannoverscher
Traditionsbäckerei. Sein Chef kann seine Erfahrung „jedem Betrieb empfehlen“.
Bäckerei © Pexels @ pixabay.com (CC 0),
bearb. MiG

Hassan Chmo formt in der großen Backstube kleine, weiße Brötchen. Neben ihm
sticht sein Kollege in der hannoverschen Traditionsbäckerei Borchers
Spekulatius aus. Weihnachtsplätzchen, Lebkuchen und Stollen – all das ist neu
für den 47-jährigen Chmo, der 2014 von Syrien nach Deutschland geflohen ist.
„In Syrien haben wir nur zwei Brotsorten, hier gibt es so viele verschiedene
Backwaren“, sagt der Bäcker mit der karierten Mütze. Seine neuen Lieblinge:
„Franzbrötchen und Schoko-Croissants.“
Chmos Integration verlief optimal: Nach einem Schnupper-Praktikum konnte
der gelernte Bäcker im Oktober einen unbefristeten Arbeitsvertrag
unterschreiben.
In die Wege geleitet wurde das Praktikum vom Verein „Zukunft Plus“, der
seit Juni 2016 im Auftrag des Jobcenters Region Hannover das Programm
„Perspektiven für Flüchtlinge“ anbietet. „Die Flüchtlinge erhalten bei uns
berufsbezogenen Deutsch-Unterricht und lernen beispielsweise, was ein
Arbeitsvertrag ist oder wie eine Bewerbung funktioniert“, erklärt Job-Coach
Dorit Miehe. 40 Personen haben bisher an der Initiative teilgenommen. Sie
bringen ganz unterschiedliche Ausbildungen mit – vom Studenten über eine
Physik-Lehrerin bis zum Kfz-Mechaniker. Um den Geflüchteten über Praktika erste
Kontakte in die Arbeitswelt zu vermitteln, sucht der Verein stets neue
Unternehmen als „Chancengeber“. „Der Betrieb ist der beste Deutschlehrer“, sagt
Miehe.
Bäckermeister Klaus Borchers war sofort einverstanden, als Miehe ihn um
einen Praktikumsplatz für Hassan Chmo bat. „Hassan hat ja schon Grundkenntnisse
im Umgang mit den Backzutaten gehabt, das war eine gute Voraussetzung“, sagt
der Inhaber des 170 Jahre alten Familienbetriebs. Als nach dem Praktikum eine
Stelle frei wurde, „haben wir es einfach versucht“.
Manchmal sei es mit dem Deutschen noch schwierig, aber der Syrer mache
schnell Fortschritte. Ein weiterer glücklicher Umstand: Im Team ist bereits ein
Mitarbeiter, der Arabisch spricht und im Zweifelsfall dolmetschen kann.
Borchers kann die Erfahrung „jedem Betrieb empfehlen“. Einen Flüchtling
anzustellen, koste zwar etwas Mühe. „Aber wenn man sich kümmert, dann läuft es
auch.“
Hassan Chmo fühlt sich in seiner neuen Backstube sichtlich wohl. „Mein Chef
ist ein guter Mann“, sagt der Familienvater, der in Syrien eine eigene Bäckerei
betrieben hat. Weil er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommt und
diese zur ersten Schicht um 3 Uhr morgens noch nicht fahren, teilt Borchers ihn
immer erst ab 6 Uhr ein.
Nach syrischen Rezepten hat Chmo bisher noch nicht gebacken. Aber sein Chef
Borchers hat schon einen Plan: „Ich habe mir vorgenommen, dass Hassan im neuen
Jahr mal etwas backt, was wir gar nicht kennen.“ (epd/mig)